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Phoenigs

Präventive Handlungsoptionen für eine Neuausrichtung einer wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie Österreichs

Programm / Ausschreibung KIRAS, F&E-Dienstleistungen, KIRAS F&E-Dienstleistungen (FED) 2023 Status laufend
Projektstart 01.11.2024 Projektende 31.12.2025
Zeitraum 2024 - 2025 Projektlaufzeit 14 Monate
Keywords wirtschaftliche Landesverteidigung, Sicherheitsstrategie

Projektbeschreibung

Die aktuellen globalen Disruptionen des wirtschaftlichen und politischen Gefüges in Europa und der Welt, die sich in den letzten fünf Jahren manifestiert haben, wie
• geopolitische Krisen, zB Ukraine-Russland-Krieg, Israel-Gaza-Konflikt
• umwelt- und gesellschaftsbezogene Einflüsse, zB Klimawandel, Migrationsbewegungen, Verhältnis zum globalen Süden
• spezifische Globalereignisse mit wirtschaftlichen Konsequenzen, zB COVID-19-Pandemie, Großhavarie im Suez-Kanal
• wirtschaftspolitische Strömungen, zB China in der Weltpolitik, EU-Initiativen in Forschung- und Entwicklung
• ein drohender Zivilisationsbruch aufgrund divergierender Wertesysteme in der Zivilgesellschaft
werfen Fragen auf hinsichtlich der strategischen Positionierung einer Small Open Economy wie Österreich. Für die Republik Österreich als kleine vernetzte offene Wirtschaft im Europäischen Verbund ist es augenscheinlich keine adäquate Option, in einen Protektionismus auf staatlicher Ebene zurückzufallen. In vielen aktuellen Zukunftstechnologien (zB Elektromobilität, Batterie-Technologien, Mikrochips, Life Science, Quantentechnologie, Biotechnologie, Künstliche Intelligenz, Umwelttechnik, Wasserstofferzeugung und technologien) gilt es zudem aus österreichischer Sicht Stärken zu stärken und weitestmöglich eine strategische Unabhängigkeit zu erzielen. Daher soll ein modernes österreichisches Wirtschaftsschutzkonzept im europäischen Kontext entwickelt werden, um die Resilienzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft unter Berücksichtigung ihrer strukturellen Spezifika zu optimieren. Das Begriffskonzept der wirtschaftlichen Landesverteidigung erfährt durch diese jüngsten Ereignisse eine Renaissance. Daher bedarf es einer Neuorientierung des aktuell in der österreichischen Bundesverfassung verankerten Konzepts der wirtschaftlichen Landesverteidigung und eine konzeptionelle Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie in einem europäischen Kontext.
In der Studie soll zunächst die österreichische Ausgangsposition (WOVON) umrissen werden. Der aktuell gültige Begriff und die gelebte Praxis in Österreich werden analysiert. Darüber hinaus erfolgt eine Analyse der Bestrebungen und dem aktuellen Reifegrad zur wirtschaftlichen Landesverteidigung bei europäischen Partnern angesichts aktueller und zukünftiger Trends, Treiber und Herausforderungen. Anschließend erfolgt eine Diskussion der Akteurslandschaft (WER) und Rollenverteilung bei der wirtschaftlichen Landesverteidigung aus staatlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Perspektive. Danach können divergierende Szenarien und eine semantische Risikolandkarte (WAS) mit Identifikation und Kategorisierung der Angriffsvektoren, Verwundbarkeiten und Abhängigkeiten aus Sicht des österreichischen Wirtschaftsraums erstellt werden. Dabei wird die spezifische österreichische Situation betrachtet, also der signifikante Anteil an Klein- und Mittelbetrieben, spezielle kritische Infrastrukturservices, Energieversorgung sowie sektorspezifische externe Wirtschaftsbeziehungen für Rohstoffe, Technologien, Vorprodukte, Güter und Knowhow. Hieraus ergibt sich die Diskussion, wie eine positive Zukunftsvision aussehen kann. Bereits bestehende risikominimierende Maßnahmen und ihr erwarteter Effekt auf die Resilienz werden erfasst. Etwaige Lücken zwischen dem Ist-Zustand und der Vision werde identifiziert und Handlungsoptionen im Rahmen einer Roadmap zu deren Adressierung werden formuliert. Dadurch ist auch eine Beurteilung der aktuellen Reaktionsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft auf disruptive wirtschaftliche Verwerfungen unter Bedachtnahme der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit für Bevölkerung und Wirtschaft möglich. Abschließend kann ein konzeptionelles Instrumentarium (WIE) zur Verbesserung der Resilienz der österreichischen Wirtschaft, wie zB Kompensation, Substitution, Diversifizierung oder Information erarbeitet werden. Dieses Instrumentarium ist die Voraussetzung für eine rasche Reaktion bei disruptiven Ereignissen, sei es in der Liefer- oder Wertschöpfungskette, auf Kundenseite oder bei den Produktionsmitteln. Abschließend können Leitlinien (WOHIN) abgeleitet werden, die für eine spätere Strategie- und Begriffskonzept-Entwicklung konzeptionelle Vorgaben formulieren sollen. Diese bestimmen einen differenzierten österreichischen Handlungsspielraum – reichend von weitgehender Autonomie über begrenztem Gestaltungsspielraum bis hin zu definitiver Abhängigkeit – unter Einbettung des österreichischen Wirtschaftsraums in einen europäischen und globalen Zusammenhang. Dabei sollen auch bewusst intentionale externe Aktivitäten (zB Cyberangriffe) diskutiert werden, die der österreichischen Wirtschaft potenziell schaden können.
Auf Basis dieser Studie kann ein politischer Strategieprozess zur einer Neuausrichtung einer wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie Österreichs inhaltlich-sachlich unterfüttert werden.

Abstract

The current global disruptions of the economic and political structure in Europe and the world that have manifested themselves in the last five years, such as
• geopolitical crises, e.g., Ukraine-Russia war, Israel-Gaza conflict
• environmental and societal influences, e.g., climate change, migration movements, relations with the global South
• specific global events with economic consequences, e.g., COVID-19 pandemic, major accident in the Suez Canal
• economic policy trends, e.g., China in global politics, EU initiatives in research and development
• an impending rupture of civilisation due to diverging value systems in civil society
raise questions about the strategic positioning of a small open economy like Austria. For the Republic of Austria as a small networked open economy in the European Union, falling back into protectionism at state level is obviously not an adequate option. In many current future technologies (e.g., electromobility, battery technologies, microchips, life science, quantum technology, biotechnology, artificial intelligence, environmental technology, hydrogen production and technologies), it is also important from Austria's perspective to strengthen its strengths and achieve strategic independence as far as possible. Therefore, a modern Austrian economic protection concept is to be developed in the European context in order to optimise the resilience of the Austrian economy, taking into account its structural specifics. The concept of economic national defence is experiencing a renaissance as a result of these recent events. Therefore, a reorientation of the concept of economic national defence currently enshrined in the Austrian Federal Constitution and a conceptual further development of the economic security strategy in a European context is required.
The study will first outline the Austrian starting position (WHERE OF). The current concept and practice in Austria will be analysed. In addition, an analysis of the efforts and the current level of maturity for economic national defence among European partners in view of current and future trends, drivers and challenges is carried out. This is followed by a discussion of the actor landscape (WHO) and distribution of roles in economic national defence from a state, economic and social perspective. Divergent scenarios and a semantic risk map (WHAT) with identification and categorisation of attack vectors, vulnerabilities and dependencies can then be created from the perspective of the Austrian economic area. The specific Austrian situation is considered, i.e. the significant proportion of small and medium-sized enterprises, special critical infrastructure services, energy supply and sector-specific external economic relationships for raw materials, technologies, intermediate products, goods and expertise. This leads to a discussion of what a positive vision for the future might look like. Existing risk-minimising measures and their expected effect on resilience are recorded. Any gaps between the current situation and the vision are identified and options for action are formulated as part of a roadmap to address them. This also makes it possible to assess the current ability of the Austrian economy to react to disruptive economic upheavals, taking into account the maintenance of security of supply for the population and the economy. Finally, a set of conceptual instruments (HOW) for improving the resilience of the Austrian economy, such as compensation, substitution, diversification, or information, can be developed. This toolkit is the prerequisite for a rapid response to disruptive events, whether in the supply or value chain, on the customer side or in terms of production resources. Finally, guidelines (WHERE TO) can be derived to formulate conceptual guidelines for subsequent strategy and concept development. These define a differentiated Austrian scope for action - ranging from extensive autonomy to limited room for manoeuvre to definitive dependence - while embedding the Austrian economic area in a European and global context. Deliberate external activities (e.g., cyber-attacks) that could potentially harm the Austrian economy will also be discussed.
Based on this study, a political strategy process for a reorientation of Austria's economic security strategy can be substantiated.

Endberichtkurzfassung

Die aktuellen globalen Disruptionen des wirtschaftlichen und politischen Gefüges in Europa und der Welt, die sich in den letzten fünf Jahren manifestiert haben, wie z.B.


geopolitische Krisen, z.B. Ukraine-Russland-Krieg, Israel-Gaza-Konflikt
umwelt- und gesellschaftsbezogene Einflüsse,
z.B. Klimawandel, Migrationsbewegungen, Verhältnis zum globalen Süden
spezifische Globalereignisse mit wirtschaftlichen Konsequenzen,
z.B. COVID-19-Pandemie, Großhavarie im Suez-Kanal
wirtschaftspolitische Strömungen,
z.B. Trump 2.0, China in der Weltpolitik, EU-Initiativen in Forschung- und Entwicklung
ein drohender Zivilisationsbruch aufgrund divergierender Wertesysteme in der Zivilgesellschaft


werfen Fragen hinsichtlich der strategischen wirtschaftspolitischen Positionierung einer Small Open Economy wie Österreich auf. Für die Republik Österreich als kleine vernetzte offene Wirtschaft im Europäischen Verbund ist es augenscheinlich keine adäquate Option, in einen Protektionismus auf staatlicher Ebene zurückzufallen. In vielen aktuellen Zukunftstechnologien (z.B. Elektromobilität, Batterie-Technologien, Mikrochips, Life Science, Quantentechnologie, Biotechnologie, Künstliche Intelligenz, Umwelttechnik, Wasserstofferzeugung und -technologien) gilt es zudem aus österreichischer Sicht Stärken zu stärken und weitestmöglich eine strategische Unabhängigkeit zu erzielen.

Die zentralen Ziele der Wirtschaftlichen Landesverteidigung lassen sich in zwei große Bereiche gliedern: die Sicherung der Versorgung der Bevölkerung einerseits und die Sicherstellung der wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit andererseits. Die Wirtschaftliche Landesverteidigung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Umfassenden Landesverteidigung, und damit integraler Bestandteil der Sicherheitsstrategie Österreichs. Sie zielt darauf ab, die ökonomische Widerstandsfähigkeit gegenüber verschiedensten Bedrohungen – von militärischen Konflikten über Naturkatastrophen bis hin zu Cyberangriffen und globalen Lieferkettenstörungen – zu gewährleisten. In einer globalisierten und technologisch hoch vernetzten Welt wird die Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft immer komplexer, gleichzeitig aber auch existenziell für die Stabilität des Landes. Österreichs besondere geopolitische Lage inmitten Europas, seine Rolle als neutrales Land sowie die enge Verflechtung mit der Europäischen Union machen die Wirtschaftliche Landesverteidigung zu einer multidimensionalen Herausforderung, die strategische Planung, Koordination und Innovationsfähigkeit erfordert.

Aufsetzend auf den Recherchen im Rahmen eines Desk Researchs zur Wirtschaftlichen Landesverteidigung in die aktuelle geopolitische Ausgangslage und einer grundlegenden Einbettung in aktuelle strategische Initiativen wie die österreichische Sicherheitsstrategie und dem gesamtstaatlichen Lagebild (Bundeskanzleramt) sowie dem nationalen Risikobild (Bundesministerium für Landesverteidigung) begann das Projekt Phoenigs top-down mit einem Horizon Scanning in Form einer Bestandsaufnahme der aktuellen Trends und Treiber und der Identifikation der betroffenen Stakeholder sowie einer Bestimmung derer Rollen und Verantwortlichkeiten. Das Projektteam orientierte sich dabei an den Anforderungen der Bedarfsträger BMWET und BMLV und identifizierten vier konkrete Ereignisse oder Trends, die im Projektverlauf und in Workshops mit externer Beteiligung näher detailliert wurden:


Destabilisierung nordafrikanischer Länder inklusive spezifische Migrationsaspekte
Russland-Ukraine-Krise
Klimaveränderung
Cyberangriffe, Sabotage, Spionage insbesondere der kritischen Infrastruktur


Dabei zeigte sich, dass man in Bezug auf die Wirtschaftlichen Landesverteidigung einer sehr fragmentierten Akteurslandschaft gegenübersteht. Diese Vielfalt verdeutlicht, dass wirtschaftliche Resilienz nicht allein durch sektorale Einzelmaßnahmen, sondern nur durch ein abgestimmtes, kooperatives Governance-Modell erreicht werden kann. Damit einher geht die Notwendigkeit, dass die Entwicklung von Zukunftsrisiken sektorübergreifende Resilienzstrategien abverlangen. Der Foresight-Prozess zeigt, dass erst die methodische Triangulation aus Horizon Scanning nach STEEPV, Stakeholder-/Netzwerkanalyse, erweiterter Ist-Analyse sowie kombinierten partizipativen Formaten wie die im Projekt angewendeten Methoden Future Wheels, Szenario- und Visionsarbeit inkl. Roadmapping ein belastbares Bild der Vulnerabilitäten, Abhängigkeiten und Handlungsräume erzeugt, der institutionalisiert und wiederkehrend zu implementieren ist.

Danach wurden in einem partizipativen Workshop mit Expert:innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen qualitative Szenarien für die Perspektive der wirtschaftlichen Landesverteidigung Österreichs bis 2040 entwickelt. Ausgangspunkt waren die vier genannten Ereignisse oder Trends, um anhand dieser aus einem möglichst umfassenden Blickwinkel die Einflussfaktoren, Interdependenzen und Abhängigkeiten auf breiter und strukturierter Basis zu benennen. Es wurden je zwei Szenarien pro Ereignis oder Trend entwickelt: einen Best Case und einen Worst Case, aus denen die Expert:innen eine Auswahl all jener Faktoren trafen, die sowohl als höchst unwahrscheinlich eingeschätzt wurden als auch den größten Impact im Falle ihres Eintreffens hätten. Innerhalb dieser Spannbreite wurden dann die extremen Verläufe sowohl in die positive als auch in die negative Richtung skizziert und zu den jeweils zwei Szenarien konsolidiert. Die Szenarienentwürfe wurden benannt:


Szenario 1A: Kooperation für Wohlstand
Szenario 1B: Flächenbrand Nordafrika
Szenario 2A: MEGA – Make Europe „G‘scheit“ Again
Szenario 2B: Mad Max Goes Europe
Szenario 3A: Die Grüne Revolution!
Szenario 3B: Frosch im Kochtopf
Szenario 4A: Cyber-resilientes Österreich
Szenario 4B: Digitale Fragmentierung und gesellschaftliche Destabilisierung 2035


In einem anschließendem Visionsentwicklungsprozess – ebenso in Form eines partizipativen Workshops – wurden Aussagen über die langfristigen Ziele einer Gemeinschaft und die strategischen Ziele in dem betreffenden Bereich entwickelt. Das Ergebnis waren drei konkrete Visionen für die Neuorientierung der wirtschaftlichen Landesverteidigung Österreichs aus der Perspektive der Geopolitik, des Lebens mit dem Klimawandel und der Cybersecurity. Zusätzlich erfolgte eine Identifizierung jener Handlungsfelder, die von den teilnehmenden Interessenvertreter:innen und Expert:innen als besonders wichtig für die nächsten politischen Schritte erachtet werden, um diese Visionen aus der gegenwärtigen Perspektive zu erreichen.

Obwohl insgesamt vier Szenarien entwickelt wurden, entstanden nur drei Visionen. Dies war eine bewusste Entscheidung, da das „Global Relations“- und das „Nordafrika“-Szenario eng miteinander verknüpft waren. Das Nordafrika-Szenario kann als mögliches Beispiel innerhalb der breiteren geopolitischen Dynamiken verstanden werden.

Es ist internationale bewährte Praxis, dass (wirtschafts-) politische Entscheidungen auf der Grundlage valider empirischer Evidenz getroffen werden (sollten). Das gilt umso mehr für den komplexen Bereich internationaler Handelsnetzwerke und deren Analyse hinsichtlich für die Versorgungssicherheit relevanter Interdependenzen. Das WIFO hat im Rahmen des Projekts Phoenigs einen innovativen Abhängigkeitsindex (WIFO-AI) entwickelt, der es erlaubt


aus der Perspektive eines bestimmten Landes
für ein bestimmtes Produkt
unter der (optionalen) Einbeziehung spezifischer Länderrisken der Handelspartner
gebündelt in einer einzigen Kennzahl pro Handelspartner
die direkten und indirekten Abhängigkeiten im Rahmen des globalen Handelsnetzwerkes zu messen und
durch eine aussagekräftige Visualisierung graphisch abzubilden.


Der WIFO-AI wurde bewusst als offenes System konzipiert, das hinsichtlich aller wesentlichen Parameter an die konkreten Bedürfnisse der Bedarfsträger angepasst werden kann. So können grundsätzlich alle Güter, für die Daten auf 6-Steller Ebene der HS-Güterklassifikation vorliegen, analysiert werden. Weiters können spezifische Länderrisikoeinschätzungen die Handelspartnerländer betreffend eingespielt und die Perspektive („Fokalpunkt“), aus der die Abhängigkeit analysiert werden soll, verändert werden. Es wurde zu praktischen Demonstrationszwecken als Fokalpunkt Österreich gewählt sowie zusammen mit dem BMWET und dem BMLV als Bedarfsträger – als komplementären Ansatz bottom-up zehn Produkte definiert. Die Länderrisikoeinschätzungen basieren auf internationalen Kennzahlen, die bei einem Workshop mit den Bedarfsträgern und ausgewählten Expert:innen validiert und adaptiert wurden. Die gewählten Produkte waren:


Lithiumcarbonate
Sojabohnen
Ölkuchen aus Soja
Erdöl, roh
Titanoxide
Luftreifen für Busse und Lkw
Einschichten-Sicherheitsglas
Stromrichter
Lithiumbatterien
Lithium-Ionen-Akkumulatoren


Die deskriptiven Indikatoren zur Importabhängigkeit Österreichs bei den ausgewählten zehn Produkten zeigen, dass die fünf wichtigsten Importländer – mit unterschiedlicher Ausprägung über die ausgewählten Produkte – den Großteil des Handelsvolumens abdecken. Aus österreichischer Sicht führt ein erheblicher Anteil der direkten Importverflechtungen über EU-Länder, die ihrerseits je nach Produkt in unterschiedlichem Ausmaß mit außereuropäischen Importländern verbunden sind. Die Darstellung der Handelsverflechtungen lässt eine erhebliche Heterogenität der Importstrukturen der betrachteten Produkte hinsichtlich ihrer Konzentration und Diversifikation erkennen. Die Berücksichtigung von Länderrisiken verändert die Einschätzung der Importabhängigkeiten substanziell. Die Gegenüberstellung des ungewichteten Abhängigkeitsindex mit der länderrisikogewichteten Variante verschiebt die relative Bedeutung einzelner Bezugsländer und führt produktabhängig zu deutlichen Rangänderungen der Importländer. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die direkten und indirekten Top-Importländer ein erhöhtes politisches oder wirtschaftliches Risiko aufweisen. Die produktspezifischen stilisierten Fakten unterstreichen die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung, die sowohl die Konzentration oder Diversifikation der Handelsbeziehungen als auch die länderspezifischen Einflussfaktoren der zentralen Importländer berücksichtigt. Diese differenzierte Betrachtung der Handelsnetzwerke und Abhängigkeitsindizes könnte zukünftig die Grundlage für eine evidenzbasierte wirtschaftspolitische Bewertung von Importabhängigkeiten bilden und die Entwicklung gezielter Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz des österreichischen Außenhandels unterstützen.

Ziel im Projekt war es, einen möglichst umfassenden Blickwinkel einzunehmen und die Einflussfaktoren, Interdependenzen und Abhängigkeiten möglichst auf breiter und strukturierter Basis zu benennen. Beide Ansätze – Top-down und Bottom-up – wurden mit Expert:innenwissen angereichert und erlauben nach dem Projektende über eine iterative Wiederholung dieses Methodenmixes die Formulierung einer dann umfassenden Themenkarte . Daraus konnten Handlungsoptionen extrahiert werden, die für die konkreten vier Szenarien, drei Visionen und zehn Produktanalysen gelten – und als Empfehlung im Nachgang weiter angereichert werden sollen:


Abhängigkeitsradar auf Basis des Abhängigkeitsindex weiterentwickeln, um wirtschaftliche Abhängigkeiten sichtbar zu machen.
Governance und Steuerung bedarf einer übergeordneten Steuerung.
Außenwirtschaft und Geopolitik nehmen eine sicherheitspolitische Dimension an und erfordern ein abgestimmtes Vorgehen mit Partnerstaaten.
Technologie, Forschung und Kompetenzen formen Österreichs Handlungsspielraum.
Kritische Infrastrukturen und Zivilschutz zeigen eine hohe Verwundbarkeit gegenüber Kaskadeneffekten.
Klimawandel stellt einen Treiber der wirtschaftlichen Landesverteidigung dar, da Klimaszenarien nicht nur ein Umwelt-, sondern ein zentrales Sicherheits- und Wirtschaftsrisiko darstellt.


Diese methodische Vorgangsweise konnte im Projekt Phoenigs konzeptionell mit den vier Szenarien, drei Visionen und den ausgewählten zehn Produkten skizziert werden. Sie bildet den Ankerpunkt für die Neupositionierung der Wirtschaftlichen Landesverteidigung hin zu einer wirtschaftlichen Sicherheitsstrategie in einem europäischen Kontext.

Foresight Prozesse erfordern keinen einmaligen Bericht, sondern einen dauerhaften, lernenden Kreislauf aus Scannen, Analysieren, qualitativem Simulieren (Szenarien/Visionsarbeit), Priorisieren, Umsetzen, Evaluieren – gespeist aus qualitativer Expertise und quantitativer Evidenz (Abhängigkeitsindex/Radar) und verankert in einer koordinierten Governance mit klaren Rollen, Routinen und Ressourcen.

Die bisherigen Arbeitsschritte haben gezeigt, dass erst die methodische Triangulation aus Horizon Scanning (STEEPV), Stakeholder-/Netzwerkanalyse, erweiterter Ist-Analyse sowie partizipativen Formaten (Future Wheels, Szenario- und Visionsarbeit inkl. Roadmapping) ein belastbares Bild der Verwundbarkeiten, Abhängigkeiten und Handlungsräume erzeugt. Dieses Set sollte institutionalisiert und als wiederkehrender Prozess verankert werden. Konkret braucht es (1) einen rollierenden Scanning-Zyklus mit klaren Aktualisierungsintervallen, der Weak Signals und Wild Cards systematisch nachführt und Governance-Implikationen frühzeitig sichtbar macht; (2) eine dauerhafte Stakeholder- und Netzwerkanalyse, die Verantwortlichkeiten, Interdependenzen und Kooperationspotenziale kontinuierlich pflegt; (3) eine laufende Ist-Analyse von rechtlichen und organisatorischen Grundlagen (z.B. Versorgungssicherung, Krisenreaktionsfähigkeit) als „Baseline-Monitoring“; sowie (4) wiederkehrende, moderierte Workshops (Future Wheel/Szenarien/Visions- und Roadmap-Sprints), um Befunde zu validieren, Maßnahmen zu priorisieren und Lernschleifen zu schließen.

Für die operationalisierte Weiterverfolgung empfiehlt es sich, eine Toolbox zu etablieren, der den qualitativen Foresight-Prozess mit quantitativer Evidenz verbindet. Dazu sollte der bereits erarbeitete Abhängigkeitsindex samt Abhängigkeitsradar als messbares Frühwarn-Instrument ausgebaut und mit einer Länderrisiko-Matrix verknüpft werden – inklusive dynamischer Produktliste, Versionierung und Zeitreihen-Tracking. So entsteht ein indikatorengestütztes Lagebild der externen Importabhängigkeiten, das direkt in die Szenarioarbeit rückspielt und politische Roadmaps mit Daten unterfüttert.

Inhaltlich unterstreichen die Ergebnisse die Notwendigkeit sektorübergreifender Resilienzstrategien und eines koordinierten Governance-Modells (Masterplan/MÖR-Logik). Daraus folgt: Die Methodik sollte ressort- und ebenenübergreifend eingebettet werden (Bund/Länder/soziale Partner/Kritische-Infrastruktur-Betreiber und allgemein -Akteure) und über einen klaren Prozess (Jahres-Zyklus, Quartals-Reviews, Ad-hoc-Sprints) gesteuert werden. Ein kleines, regelmäßig agierendes Kernteam (Foresight, Datenanalyse, Risiko/Netzwerke, Moderation mit Konsultation von externen Professionalist:innen) kuratiert Inhalte, orchestriert Workshops und verantwortet die Integration in Entscheidungsprozesse.