Last-Mile-Solution
Mikromobilität als Lösung für Last-Mile-Problemstellungen im ländlichen Raum und Baustein zur Klimaneutralität
Programm / Ausschreibung | Mobilitätssystem, Mobilitätssystem, Regionen & Technologien Ausschreibung 2022 | Status | laufend |
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Projektstart | 01.09.2023 | Projektende | 31.08.2025 |
Zeitraum | 2023 - 2025 | Projektlaufzeit | 24 Monate |
Keywords | Mikromobilität, Klimaneutralität, First/Last-Mile, erste und letzte Meile, E-Kick-Scooter, Nachhaltigkeit |
Projektbeschreibung
In der Personenmobilität ist das Angebot erdölfreier bzw. erdölarmer Mobilität bereits vielfältig: Dies umfasst in erster Linie aktive Mobilität und den öffentlichen Verkehr. Das First/Last-Mile-Problem ist seit jeher die Achillesferse des ÖV im ländlichen Raum – hier gibt es zahlreiche Lösungsansätze: Bedarfsgesteuerter ÖV, Mikro-ÖV, Fahrrad- und E-Bike-Stationen etc. Keine dieser Lösungen funktioniert gesamtsystemisch zufriedenstellend, da keine von ihnen die klassischen Nutzungsansprüche (ständig verfügbar, einfach zu nutzen) gut abbildet.
In den letzten Jahren hat das Thema Mikromobilität laufend an Bedeutung gewonnen – sowohl wirtschaftlich als auch verkehrsplanerisch, national wie auch international, wird dieser Mobilitätsform enormes Potenzial zugeschrieben, obwohl die Faktenlage dazu als sehr gering bewertet werden muss und ausschließlich E-Kick-Scooter-Sharingsysteme in urbanen Räumen betrifft. Diese Sharingsysteme sind jedoch kein passendes Angebot, weder die Alltagsmobilität noch das Thema First/Last-Mile positiv zu beeinflussen, da sie hinsichtlich der räumlichen und zeitlichen Verfügbarkeit bzw. der Kosten ungeeignet sind, einen nennenswerten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Dies unterstreicht auch eine aktuelle Studie in Zürich, aus der hervorgeht, dass z.B. geteilte E-Kick-Scooter aktuell eher selten Autofahrten ersetzen, dafür umso häufiger Fußwege oder Fahrten im ÖV. Tatsächlich sei es für das Klima besser, einen eigenen E-Kick-Scooter zu besitzen, da diese Roller das Potential hätten, Autofahrten zu reduzieren.
Das Projekt Last-Mile-Solution zielt (1) auf die Verbesserung des nationalen und internationalen Wissenstands zum Mobilitätsverhalten im Rahmen der Mikromobilität, mit Fokus auf die First/Last-Mile im ÖV (bei Nutzung von E-Kick-Scootern im Besitz) ab – Sharing-Systeme sind nicht Gegenstand von Last-Mile-Solution. Als Basis werden hierzu wissenschaftlich fundiert und international erstmalig Verkehrsverhaltensdaten von E-Kick-Scooter-Besitzer*innen erhoben und ausgewertet. In einem weiteren Schritt werden das vorhandene Nutzungspotenzial sowie mögliche Umweltauswirkungen bzw. der mögliche Beitrag zur Klimaneutralität (für rurale Räume in Österreich) modelliert und hochgerechnet.
Ein weiteres Ziel im Projekt ist (2) die Konzeption und der Aufbau eines innovativen betrieblichen Last-Mile-Solution-Systems i.S. einer Dienstleistung für Gemeinden als Basis eines Einstiegs in die alltagsrelevante Verkehrsmittelnutzung mit großer Relevanz hinsichtlich durchgängiger Mobilitätsketten als Zubringer zum klassischen ÖV. Mit der zu entwickelnden Dienstleistung kann erstmals über den Zugang über Gemeinden eine Zielgruppe in einer neuen Dimension erreicht werden. Im Projekt wird diese Dienstleistung (ein Full-Service-Leasingmodell zur Langzeitmiete) in offenen Innovations- und Experimentierräumen in vier Gemeinden in Niederösterreich und Oberösterreich einem breiten Feldtest unterzogen und evaluiert, strategisch begleitet u.A. vom Gemeindebund, dem Klimabündnis Österreich und den Mobilitätsverbünden Österreichs.
Last-Mile-Solution ermöglicht somit eine alternative und hoch flexible Form der Fortbewegung und damit eine Lösung der First/Last-Mile-Problematik in ländlichen Räumen, um so die PKW-Abhängigkeit zu reduzieren. Das Projekt ist somit auch ein wesentlicher Baustein für die in Aussicht gestellte flächendeckende Mobilitätsgarantie in Österreich bzw. zur Erreichung der Klimaneutralität. Das damit adressierte Ziel aus gesellschaftlicher Sicht ist die Veränderung des Mobilitätsverhaltens in der Alltagsmobilität hin zu einer nachhaltigeren Form, eine bessere Nutzbarkeit, Zugänglichkeit und Verfügbarkeit des Verkehrssystems im ländlichen Raum und dem damit verbundenen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele auf nationaler und internationaler Ebene. Die Projektziele entsprechen damit u.A. den Zielen im aktuellen Regierungsübereinkommen 2020-2024 sowie dem Mobilitätsmasterplan 2030.
Abstract
In personal mobility, the range of CO2-free or low-CO2 mobility is already diverse: This primarily includes active mobility and public transport. The first/last mile problem has always been the Achilles' heel of public transport in rural areas - there are numerous approaches to solve this problem: On demand public transport, micro-public transport, bicycle and e-bike stations, etc. None of these solutions works satisfactorily as a whole system, as none of them reflects the classic demands of use (constantly available, easy to use) well.
In recent years, the topic of micromobility has continuously gained in importance - both economically and in terms of transport planning, nationally as well as internationally, enormous potential is attributed to this form of mobility, although the factual situation on this must be assessed as very limited and exclusively concerns e-kick scooter sharing systems in urban areas. However, these sharing systems are not a suitable offer to positively influence either everyday mobility or the topic of first/last mile, as they are unsuitable in terms of spatial and temporal availability or costs to make a noteworthy contribution to achieving the climate goals. This is also underlined by a recent study in Zurich, which shows that e.g. shared e-kick scooters currently replace car journeys rather rarely, but all the more frequently footpaths or journeys by public transport. In fact, it is better for the climate to own an e-kick scooter, as these scooters have the potential to reduce car trips.
The Last-Mile-Solution project aims at (1) improving the national and international knowledge on mobility behaviour in the context of micromobility, with a focus on the first/last mile in public transport (when using e-kick scooters in ownership) - sharing systems are not the subject of this project. As a basis for this, transport behaviour data of e-kick scooter owners will be collected and evaluated scientifically and internationally for the first time. In a further step, the existing usage potential as well as possible environmental impacts and the possible contribution to climate neutrality (for rural areas in Austria) will be modelled and extrapolated and grossed up.
Another goal of the project is (2) the conception and development of an innovative operational last mile solution system in the form of a service for municipality as the basis of an entry into the everyday use of transport with great relevance with regard to continuous mobility chains as a feeder to classic public transport. With the service to be developed, a target group can be reached in a new dimension for the first time through access via municipalities. In the project, this service (a full-service leasing model for long-term rental) will be subjected to a broad field test and evaluated in open innovation and experimentation spaces in four municipality in Lower Austria and Upper Austria, strategically accompanied by the Association of Municipalities (Gemeindebund), the Climate Alliance Austria (Klimabündis Österreich) and the Mobility Alliances of Austria (Mobilitätsverbünde Österreich), among others.
Last-Mile-Solution thus enables an alternative and highly flexible form of transport and thus a solution to the first/last mile problem in rural areas in order to reduce car dependency. The project is thus also an essential building block for the envisaged nationwide mobility guarantee in Austria and for achieving climate neutrality. From a social point of view, the objective addressed is to change mobility behaviour in everyday mobility towards a more sustainable form, better usability, accessibility and availability of the transport system in rural areas and the associated contribution to achieving the climate goals at national and international level. The project goals thus correspond to the goals of the current government agreement 2020-2024 and the Mobility Master Plan 2030.
Endberichtkurzfassung
Die Ausgangslage zeigte, dass in den letzten Jahren das Thema Mikromobilität laufend an Bedeutung gewonnen hat. Die Datengrundlage, vor allem hinsichtlich der Nutzung von E-Kick-Scootern im Besitz in ruralen Räumen, konnte jedoch als sehr dünn bezeichnet werden – auch hinsichtlich der Relevanz für die erste und letzte Maile als Ergänzung zum klassischen ÖV. Das Potenzial von Wegen, die für den E-Kick-Scooter interessant sind, lässt sich auf zwei Gruppen aufteilen: (1) Wege mit mittlerer Länge – auch in ländlichen Gegenden relevant und (2) lange Zu- und Abgangswege zum/vom ÖV – diese finden sich v.a. in ländlichen Gebieten mit suboptimaler ÖV-Anbindung. Sie sind besonders interessant, weil hier (1) der E-Kick-Scooter dem ÖV keine Konkurrenz macht, sondern ihn ergänzt, und (2) der E-Scooter das Potenzial hat, auch sehr lange Wege vom Pkw auf den ÖV zu verlagern.
Projektziele waren somit der Aufbau von (1) Daten, Information und Wissen über das Mobilitätsverhalten von Nutzer:innen von E-Kick-Scootern im Besitz, (2) von Wissen im Feld der Mikromobilität im ruralen Raum mit Fokus auf die erste und letzte Meile, (3) substanzielle Erkenntnisse über Einflussfaktoren auf die Nutzung von Mikromobilität und (4) eine Potenzialabschätzung in ruralen Raumtypen über die Arbeit in offenen Innovations- und Experimentierräumen in den vier Gemeinden Kirchberg an der Pielach und Texingtal in NÖ sowie Ohlsdorf und Pinsdorf in OÖ.
Aufbauend auf diesen Projektzielen erfolgte die Konzeption des Last-Mile-Solution-Systems (LMSS) auf den drei Ebenen, jenen der Master-Admin, jener der Gemeinden und jene der Endnutzer:innen. Grundlagen dafür waren die Ergebnisse aus den Erhebungen in den vier Gemeinden, ein Startworkshop mit potentiellen Nutzer:innen sowie die langjährige Erfahrung des Projektteams in diesem Feld. Die Konzeption umfasste organisatorische, administrative, rechtliche, marketing-relevante aber auch technische Anforderungen sowie das wichtige Thema Usability. Als Basis für die Feldarbeit wurde umfassendes Marketingmaterial erstellt - Folder, Poster etc. je teilnehmende Gemeinde. Dies erfolgte ebenfalls in enger Abstimmung mit dem Projektkonsortium bzw. im Speziellen mit den vier Gemeinden. Diese Arbeit umfasste nicht nur die Erstellung der Materialen sondern auch Abstimmungen rund um Artikel in den Gemeindezeitungen und Aushänge in den vier Gemeinden.
Danach erfolgte die Umsetzung – mit „Mooby“ wurde eine praxistaugliche Last-Mile-Solution für Gemeinden realisiert, über die Bürger:innen kommunale Fahrzeuge (insb. E-Scooter) digital reservieren, ausleihen und zurückgeben können. Die App „Mooby“ sowie eine Master-Verwaltungsebene mit Admin-Oberfläche wurden prototyisch, voll funktionsfähig entwickelt, getestet und produktiv gesetzt. Abgedeckt sind Registrierung, QR-basierte Ausleihe, Rückgabe, Schadensmeldungen, Reporting und Abrechnung. Roll-out und Betrieb in den vier Gemeinden, Einschulung der Ansprechpersonen, Bereitstellung von Support und Wartung, Einführung eines Ersatzgeräte-Pools sowie Fallback-Prozesse mit Drittservice.
AP4 – Girts, bitte ein Absatz (120 bis 150 Wörter) – Fokus auf den Ergebnissen!
Eine umfangreiche Online-Umfrage hat erstmals detaillierte Einblicke in die Nutzung privater E-Kick-Scooter in Österreich geliefert. Befragt wurden 201 Besitzer:innen und 319 Personen ohne E-Kick-Scooter. Das durchschnittliche Alter der E-Kick-Scooter-Besitzer:innen liegt bei 45 Jahren und rund drei Viertel von ihnen sind männlich. Zudem sind die meisten Besitzer:innen vollzeitbeschäftigt und besitzen häufig eine Dauerkarte für den öffentlichen Verkehr. Weiters wurde ersichtlich, dass E-Kick-Scooter überwiegend regelmäßig und mit einem klaren Zweck genutzt werden, häufig als Ergänzung zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Neben praktischen Vorteilen wie Zeit- und Kostenersparnis spielen auch Motive, wie der Spaß an der Nutzung, eine wichtige Rolle. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Sicherheitsbedenken manche Menschen davon abhalten, E-Kick-Scooter zu verwenden. Besonders interessant ist das Potenzial zur Reduzierung von Autofahrten: In ländlichen Regionen könnten durch die Nutzung von E-Kick-Scootern größere Einsparungen an Pkw-Kilometern erzielt werden.
Auf Grundlage der Umfrageergebnisse wurde das Potenzial von E-Kick-Scootern in Österreich untersucht, mit besonderem Fokus auf ländliche Regionen. Dabei wurden Bevölkerungsgruppen identifiziert, die besonders offen für die Nutzung sind, und anhand von soziodemografischen und verhaltensbezogenen Merkmalen beschrieben. Es wurde berechnet, dass die Nachfrage je nach Region und Siedlungsstruktur stark variiert. Besonders in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln könnten E-Kick-Scooter lange Autostrecken ersetzen. Dies würde nicht nur den Verkehr entlasten, sondern auch den CO2-Ausstoß deutlich verringern. Szenarien für die Jahre 2024 und 2040 zeigen, dass E-Kick-Scooter langfristig eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaziele im Verkehrsbereich spielen könnten. Vor allem in ländlichen Gebieten könnten sie einen spürbaren Beitrag zur Reduktion von Pkw-Fahrten leisten und die Mobilität nachhaltiger gestalten.
Um die Verkehrssicherheit von E-Scootern im Straßenverkehr näher beleuchten zu können, wurden im Projekt unterschiedliche subjektive als auch objektive Daten herangezogen und entsprechende Empfehlungen abgeleitet: Zum einen sollten die Ausstattungsvorschriften erweitert werden, etwa durch verpflichtende Blinker, eine Glocke oder Hupe sowie zwei unabhängige Bremsen. Zum anderen sollte die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h gesenkt und eine generelle Helmpflicht eingeführt werden. Ein Ausbau und Lückenschluss der Radwege würde nicht nur die Sicherheit von Radfahrer:innen, sondern auch die von E-Scooter-Lenker:innen erhöhen. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf ausreichende Sichtweiten an Kreuzungen gelegt werden. Die Bevölkerung sollte zudem mittels unterschiedlicher Informationskanäle für die Verkehrsregeln, Sturzrisiken und Konfliktsituationen beim E-Scooter-Fahren sensibilisiert werden. Auch ist es essentiell, dass vor allem PKW-Lenker:innen auf z.B. die gesetzliche verpflichtenden Sicherheitsabstände zu E-Scooter-Lenker:innen aufmerksam gemacht werden – hier wird in der Konsequenz eine konsequente Überwachung der Einhaltung von Verkehrsregeln und Verkehrsvorschriften, für PKW-Lenker:innen und auch E-Scooter-Lenker:innen, durch die Exekutive empfohlen.
Zusammenfassend wird festgehalten, dass das Projekt LastMileSolution erstmals umfassende Daten zur privaten Nutzung von E-Kick-Scootern in Besitz erhoben und deren Potenzial – insbesondere in ländlichen Regionen – aufgezeigt hat. Die Ergebnisse zeigen, dass E-Kick-Scooter überwiegend zweckgebunden genutzt werden und in Kombination mit dem öffentlichen Verkehr ein enormes Potential in ruralen Gebieten haben. Dies würde eine deutliche Reduktion von Pkw-Fahrten ermöglichen und somit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Besonders in Regionen mit schwacher ÖV-Anbindung eröffnen sie als First- und Last-Mile-Lösung Chancen für eine nachhaltigere Mobilität. Im Projekt wurde durch die Entwicklung und Einführung der App „Mooby“ ein praxistaugliches Angebot für ein längerfristiges Testen geschaffen, das erfolgreich in vier Gemeinden getestet und betrieben wurde. Darüber hinaus liefert das Projekt konkrete Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit, etwa durch strengere Ausstattungsstandards, Helmpflicht, Geschwindigkeitsbegrenzung, den Ausbau der Radwege aber auch durch eine konsequente Überwachung der Einhaltung von Verkehrsregeln und Verkehrsvorschriften – für PKW-Lenker:innen und auch E-Scooter-Lenker:innen.