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TANA

KundInnengerechte multifunktionale Zugkonzepte für den kombinierten Einsatz im Tag- und Nachtreisezugverkehr

Programm / Ausschreibung Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 18. Ausschreibung (2021) PM, System Bahn Status abgeschlossen
Projektstart 01.06.2022 Projektende 31.05.2024
Zeitraum 2022 - 2024 Projektlaufzeit 24 Monate
Keywords flexible Nachtzugausstattung, nutzenoptimierte Ausstattung, Ökonomische Einsatzgebiete

Projektbeschreibung

* Ausgangssituation, Problematik bzw. Motivation
Infolge der verschärften Klimaschutzziele in der Europäischen Union und des wachsenden Bewusst-seins für nachhaltige Mobilität erleben aktuell Nachtreisezüge eine Renaissance. Nachtreisezüge werden auch gerne von Menschen mit Flugangst, aus Komfortgründen oder infolge der Covid-Pandemie wegen der besseren Privacy bzw. der angenommenen geringeren Ansteckungsgefahr im Vergleich zu Flugreisen genutzt. Die Reisenden in Nachtreisezügen sind hinsichtlich der Reisezwecke und der damit verbundenen Anforderungen ähnlich heterogen aufgestellt wie im Tagverkehr. Es gibt Familien, Privatreisende, Geschäftsreisende, sehr preissensible und umgekehrt sehr komfortbewusste Reisende. Diese Vielfalt führt auch zu einem erforderlichen vielfältigen Service- und Ausstattungsangebot.
Nachtreisezüge haben im Vergleich zum Flugverkehr das Potential, die Fläche besser zu erschließen. Während Flüge im Regelfall Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen größeren Städten sind, für die aus der oder in die Region entsprechende Vor- oder Nachlaufverkehre erforderlich sind, können Nachtzüge bei einer geeigneten Einsatzplanung umsteigefreie Verbindungen auch im Vor- und Nachlauf anbieten. Darüber hinaus gibt es Konzepte für Hochgeschwindigkeitsnachtreisezüge in Europa, die Entfernungen von bis zu 2000 km in attraktiven Reisezeiten ermöglichen.
Eine große Herausforderung für Nachtreisezüge stellt jedoch der wirtschaftliche Betrieb dar. In konventionellen Nachtreisezügen ist die erzielbare Belegungsdichte geringer als in Tageszügen. Die Plätze werden im Regelfall für den gesamten Lauf des Zuges nur einmal vergeben. Der Personalaufwand und teilweise der betriebliche Aufwand sind oft höher als bei Tageszügen. Zusätzlich sind Nachtzüge im Regelfall nicht am Tag im Einsatz sondern stehen "unproduktiv" in Abstellanlagen. Dies führt dazu, dass viele Nachtreisezüge nicht kostendeckend operieren und bezuschusst werden müssen.
International gibt es Beispiele für Nachtzüge, die auch im Tagverkehr zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich allerdings in den meisten Fällen um touristisch genutzte Verbindungen, die mehrtägige Routen anbieten. Zum Teil werden auch Strecken im planmäßigen Verkehr mit entsprechend ho-her Nachfrage bedient, wie beispielsweise die Transsibirische Eisenbahn oder auch Nachtreisezüge der Russischen Eisenbahn in europäischen Langläufen. Dabei kommen häufig Abteilwagen zum Einsatz, die im Tagverkehr Sitz- und im Nachtverkehr Liegebänke bieten.
Ein etabliertes Fahrzeugkonzept, das sowohl tag- als auch nachtzugtauglich ist, jedoch nie wirklich im reinen Tagverkehr eingesetzt wurde, sind in Europa klassische Liegewagen mit einer Belegung von vier oder sechs Personen pro Abteil. Hier können die Liegen zu Tagesrandzeiten hochgeklappt wer-den und bis zu sechs Personen im Abteil sitzen. Der Sitzkomfort entspricht dabei jedoch in der Regel nicht jenem heutiger Sitzwagen des Fernverkehrs.

* Ziele und Innovationsgehalt
Ziel des Projektes ist es, Konzepte zu erarbeiten, die das Betriebsspektrum von Nachtreisezügen erhöhen, indem deren Fahrzeugausstattung auch für den Einsatz am Tag geeignet ist. Dadurch wer-den Langläufe mit besserer Verteilungsfunktion im Vor- und Nachlauf genauso möglich wie Einsätze im ausschließlichen Tagverkehr, welche ineffiziente Stillstandzeiten vermeiden. Um entsprechende Konzepte erarbeiten zu können, werden folgende Arbeitsschritte durchgeführt:
1) Benchmark Eisenbahn: Es werden global Nachtzüge hinsichtlich deren Einsatzspektrum, deren Ausstattungsmerkmale und deren Wirtschaftlichkeit untersucht. Ebenso werden Ausstattungselemente von Tageszügen erhoben, die einen multiplen und flexiblen Einsatz ermöglichen.
2) Benchmark andere Verkehrsmittel: Es werden andere Verkehrsmittel, welche ebenso in der Nacht und am Tag im Einsatz sind, untersucht. Dazu zählen Angebote für die Personenbeförderung wie Langstrecken-Flugzeuge (v.a. Konzepte der höheren Buchungsklassen), Reisebusse oder Kreuz-fahrtschiffe. Es werden aber auch Konzepte untersucht, die dem Personal oder eine rein privaten Einsatzzweck dienen, wie Fahrerkabinen in Lkws, Personalkabinen in der Frachtschifffahrt oder auch Ausstattungen von Wohnmobilen.
3) Benchmark Raumausstattung: Es werden Systeme untersucht, die das Wohnen unter sehr beengten Verhältnissen ermöglichen. Dazu gehören Miniwohnungen und Tiny Houses oder Low-Cost-Hotels mit Minisuiten.
4) Reisendenanforderungen und Nachfrageabschätzung: Aus einem internationalen Benchmark und vorhandenen Studien sowie Expert*innenwissen im Konsortium, ergänzt kontextuelle Kund*inneninterviews, werden klare Anforderungen aus der Sicht von Reisenden an entsprechende Züge definiert. Diese Anforderungen beinhalten auch das wichtige Thema der Barrierefreiheit. Gleich-zeitig wird die Nachfrage nach entsprechenden Zugkonzepten abgeschätzt.
5) Betreiberanforderungen: Auf der Grundlage von Expert*inneninterviews mit erfahrenen Angebotsplanern und Strategieentwicklern europäischer Eisenbahnverkehrsunternehmen werden die Anforderungen potenzieller Betreiber innovativer Tag-/Nachtzüge identifiziert. Konkret sollen insbesondere bestehende Erkenntnisse zu relevanten Marktsegmenten und marktfähige Zielkosten je Sitz-/Schlafplatz erhoben werden. Ein weiterer Aspekt ist die prioritäre Auslegung des Konzepts auf Neufahrzeuge oder als Umbaustrategie für Bestandsfahrzeuge.
6) Es werden mögliche Einsatzgebiete für Tag-/Nachtzuge in Europa definiert. Dabei geht es um potentielle (HGV)-Langläufe und um reine Tagverkehre. Es wird ausgearbeitet, ob für ausgewählte Strecken auch im reinen Tagverkehr die komfortabler ausgestatteten Nachtzüge sinnvoll zu Einsatz kommen können und ob Bedarf durch komfortbewusste und weniger preissensible Personen besteht. Beispielsweise kann für Geschäftsreisende, Familien oder komfortbewusste Privatreisende für mehr-stündige Tagfahrten der Bedarf nach Privatkabinen bestehen.
7) Technische, rechtliche und betriebliche Anforderungen: Es werden alle Anforderungen definiert, die für die Umsetzung und einen entsprechenden Betrieb erforderlich sind.
8) Konzepterstellung: Aus den vielfältigen Informationen der Benchmarks, den Anforderungen potentieller Reisender und Betreiber sowie den technisch-rechtlich-betrieblichen Anforderungen werden in Kombination mit innovativen Gestaltungsideen im Konsortium mögliche Konzepte erarbeitet, die dem Einsatzspektrum von Nacht- und von Tageszügen entsprechen und auch die vielfältigen, sehr unter-schiedlichen Anforderungen der Reisenden bestmöglich berücksichtigen. Es werden Konzepte aus-gearbeitet, die generell durch eine möglichst gute Flexibilisierung die mögliche Auslastung im Tages-verkehr erhöhen werden. Die Konzepte werden dabei so erstellt, dass sie für neue Fahrzeuge tauglich sind, zum Teil aber auch für bestehende Züge im Rahmen eins Refurbishments zur Anwendung kommen können.
9) Die erarbeiteten Konzepte für diverse Ausstattungskomponenten in Kombination mit den Einsatzszenarien werden einer konkreten Machbarkeitsuntersuchung unterzogen. Dabei werden die Wirtschaftlichkeit, die generelle Machbarkeit und Nutzbarkeit der Systeme kritisch geprüft. Dazu werden 3D-Visualisierungen, konkrete 3D-Modelle oder bei Bedarf stark vereinfachte Mock-Ups für Funktionalitätstest erstellt. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wird das Gesamtsystem inkl. das mögliche betriebliche Einsatzspektrum berücksichtigt. Im Rahmen der generellen Machbarkeit wird die Umsetzbarkeit unter Berücksichtigung der relevanten Normen überprüft.

* Angestrebte Ergebnisse bzw. Erkenntnisse
Das Projekt wird klar aufzeigen, ob und unter welchen Voraussetzungen Nachtzüge entwickelt und in Verkehr gesetzt werden können, die auch für den Einsatz im Tagesverkehr unter Berücksichtigung der engen ökonomischen Rahmenbedingen geeignet sind. Dabei wird ein Gesamtsystem entworfen, welches neben konkreten Ausstattungsmerkmalen der Fahrzeuge geeignete Einsatzszenarien, teilweise heruntergebrochen auf Einsatzstrecken, aufzeigt. Das Projekt wird die Wirtschaftlichkeit und die Umsetzbarkeit beurteilen und konkrete Umsetzungsmaßnahmen vorschlagen.

Abstract

* Initial situation, problems and motivation
As a result of the stricter climate protection targets in the European Union and the growing awareness of sustainable mobility, night trains are currently experiencing a renaissance. Night trains are also popular with people who are afraid of flying, for comfort reasons or as a result of the covid pandemic because of the better privacy or the assumed lower risk of infection compared to air travel. Travellers on night trains are similarly heterogeneous in terms of travel purposes and associated requirements as in day travel. There are families, private travellers, business travellers, very price-sensitive and conversely very comfort-conscious travellers. This diversity also leads to a required variety of services and equipment.
Compared to air travel, night trains have the potential to provide better access to the area. Whereas flights are usually point-to-point connections between larger cities, for which corresponding pre- or on-carriage services are required from or to the region, night trains can also offer connections without transfers in the pre- and on-carriage stages with suitable operational planning. In addition, there are concepts for high-speed overnight trains in Europe that allow distances of up to 2000 km in attractive travel times.
However, a major challenge for night trains is the economic operation. In conventional night trains, the achievable occupancy density is lower than in day trains. As a rule, seats are only allocated once for the entire run of the train. The personnel costs and, in some cases, the operational costs are often higher than for day trains. In addition, night trains are usually not in operation during the day but stand "unproductively" in stabling facilities. As a result, many night trains do not cover their costs and have to be subsidised.
Internationally, there are examples of night trains that are also used in daytime traffic. However, in most cases these are connections used for tourism that offer routes lasting several days. In some cases, routes are also served in scheduled traffic with correspondingly high demand, such as the Trans-Siberian Railway or also night trains of the Russian Railways in European long-distance runs. Compartment coaches are often used, which offer seats in daytime traffic and couchettes in night-time traffic.
An established vehicle concept that is suitable for both day and night trains, but has never really been used in pure daytime traffic, are classic couchettes in Europe with an occupancy of four or six persons per compartment. Here the couches can be folded up at off-peak times and up to six people can sit in the compartment. As a rule, however, the seating comfort does not correspond to that of today's long-distance coaches.

*Goals and innovation content
The aim of the project is to develop concepts that increase the operating spectrum of night trains by making their vehicle equipment also suitable for daytime operation. This will make long runs with a better distribution function in the pre- and on-carriage just as possible as operations in exclusively daytime traffic, which will avoid inefficient downtimes. In order to be able to develop appropriate con-cepts, the following work steps will be carried out:
1) Rail benchmark: Global night trains are examined with regard to their range of use, their equipment features and their economic efficiency. Likewise, equipment elements of day trains that enable multip-le and flexible use will be surveyed.
2) Benchmark other means of transport: Other means of transport, which are also used at night and during the day, are examined. These include passenger transport services such as long-haul aircraft (especially concepts in the higher booking classes), coaches or cruise ships. However, concepts that serve personnel or a purely private purpose are also examined, such as driver cabins in trucks, per-sonnel cabins in cargo shipping or also equipment for mobile homes.
3) Benchmark room furnishings: Systems that enable living in very cramped conditions are being in-vestigated. These include mini-apartments and tiny houses or low-cost hotels with mini-suites.
4) Passenger requirements and demand assessment: Based on an international benchmark and exis-ting studies as well as expert knowledge in the consortium, supplemented by contextual customer interviews, clear requirements from the perspective of passengers are defined for corresponding trains. These requirements also include the important issue of accessibility. At the same time, the demand for corresponding train concepts is estimated.
5) Operator requirements: Based on expert interviews with experienced service planners and strategy developers of European railway companies, the requirements of potential operators of innovative day/night trains will be identified. In particular, existing knowledge on relevant market segments and marketable target costs per seat/sleeper are to be collected. Another aspect is the priority design of the concept for new vehicles or as a conversion strategy for existing vehicles.
6) Possible areas of operation for day/night trains in Europe are defined. This involves potential (HSR) long-distance runs and pure daytime services. It will be worked out whether the more comfortably equipped night trains can also be used sensibly for selected routes in pure daytime traffic and whether there is a demand from comfort-conscious and less price-sensitive persons. For example, there may be a need for private cabins for business travellers, families or comfort-conscious private travellers for day journeys lasting several hours.
7) Technical, legal and operational requirements: All requirements necessary for implementation and appropriate operation are defined.
8) Concept development: From the diverse information of the benchmarks, the requirements of poten-tial passengers and operators as well as the technical-legal-operational requirements, possible con-cepts are developed in combination with innovative design ideas in the consortium, which correspond to the operational spectrum of night and day trains and also take into account the diverse, very diffe-rent requirements of passengers in the best possible way. Concepts are being developed that will generally increase the possible capacity utilisation in daytime traffic by making it as flexible as possib-le. The concepts will be developed in such a way that they are suitable for new vehicles, but can also be used in part for existing trains in the context of a refurbishment.
9) The developed concepts for various equipment components in combination with the application scenarios are subjected to a concrete feasibility study. In the process, the economic efficiency, gene-ral feasibility and usability of the systems are critically examined. For this purpose, 3D visualisations, concrete 3D models or, if required, highly simplified mock-ups are created for functionality tests. Within the framework of the economic feasibility assessment, the overall system including the possib-le operational spectrum of use is taken into account. In the context of general feasibility, the feasibility is checked in consideration of the relevant standards.

*Intended results or findings
The project will clearly show whether and under what conditions night trains can be developed and put into operation that are also suitable for use in daytime traffic, taking into account the narrow eco-nomic framework conditions. In doing so, an overall system will be designed which, in addition to con-crete equipment features of the vehicles, will show suitable deployment scenarios, partly broken down to operational routes. The project will assess the economic efficiency and feasibility and propose con-crete implementation measures.