TimberBioC
Kritische Evaluierung des Effekts biogenen Kohlenstoffs in Holzprodukten auf den Klimawandel anhand dynamischer Modelle
Programm / Ausschreibung | THINK.WOOD, THINK.WOOD Innovation, THINK.WOOD Innovation - Holz als Werkstoff/Holzbaustoff | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.09.2022 | Projektende | 31.05.2024 |
Zeitraum | 2022 - 2024 | Projektlaufzeit | 21 Monate |
Keywords | Holzprodukte;Kohlenstoffsenke;biogener Kohlenstoff,Circular Economy;LCA |
Projektbeschreibung
Holz nimmt im Laufe seines Wachstums CO2 aus der Atmosphäre auf und lagert es in Form von Kohlenstoff ein. Dies führt zu einer Reduktion des Treibhausgases in der Atmosphäre und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung der Klimakrise, besonders wenn CO2 sehr lange im Holz gebunden bleibt. Diese Eigenschaft wird vor allem von langlebigen (zumeist in der Primärkonstruktion eingesetzten) Holzprodukten im Baubereich erfüllt. Auch wenn es sich bei diesem Vorgang um eine temporäre CO2 Speicherung handelt, werden dabei dennoch unmittelbare Emissionen vermieden und damit mittel- bis langfristige CO2 Reduktionsziele erleichtert. Genau dies kann aber mit der aktuellen Methode der Ökobilanzierung von Bauprodukten (EN 15804+A2 und EN 16485) nicht abgebildet werden. Ein erstes Ziel ist die Entwicklung eines umfassenden Modells zur Abbildung der temporären CO2 Speicherung von langlebigen Holzprodukten. Die für die Quantifizierung des Effekts der temporären CO2 Speicherung wesentlichen Parameter stellen die Abbaurate von Treibhausgasen in der Atmosphäre, die netto Kohlenstoffaufnahme im Forst während der Bauproduktlebensdauer u.a. in Abhängigkeit von den Umtriebszeiten der relevanten Baumarten und deren prognostizierten Schwankungen aufgrund des Klimawandels. Diese finden als Eingangsparameter für das dynamische Holzproduktmodell mittels dynamischem Waldmodell ermittelt. Die adäquate Berücksichtigung von Wiederverwendung oder Recycling fließen ebenso in dieses Modell als Eingangsparameter mit ein. Diese Parameter-Zusammenschau wurde für Bauprodukte in dieser Form noch nicht durchgeführt, wiewohl einzelne Parameter in Modellen, u.a. für biobasierte Brennstoffe Anwendung finden, und daher als Ausgangsbasis dienen können. Vor allem die parallele Berücksichtigung der Kreislaufführung langlebiger Holzbauprodukte, welche in den Ökobilanzrechenmodellen bisher unberücksichtigt blieben, stellt eine komplette Neuerung dar.
Das Ergebnis ist eine holistische Quantifizierung der CO2 Senke von Bauholz unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter und über die Zeit variabler Eingangsparameter bis 2150 in verschiedenen Szenarien.
Die gewonnen Erkenntnisse aus dem Modell fließen in ein vereinfachtes Modell ein, welches neue, regulative, ökonomische und gesamtgesellschaftliche Herausforderungen adressiert, die belastbare und fundierte Methoden zur Ermittlung von vermiedenen Emissionen und deren tatsächlichen Auswirkungen auf die Klimakrise erfordern.
Abstract
In the course of its growth, wood absorbs CO2 from the atmosphere and stores it in form of carbon. This leads to a reduction of the greenhouse gas in the atmosphere and thus makes an important contribution to mitigating the climate crisis, especially if CO2 remains bound in the wood for a very long time. This property is mainly fulfilled by durable wood products (mostly used in primary construction) in the construction sector. Even if this process is a temporary CO2 storage, it still avoids direct emissions and thus facilitates medium- to long-term CO2 reduction targets. However, this is precisely what cannot be mapped with the current method of life cycle assessment of construction products (EN 15804+A2 and EN 16485).
A first goal is the development of a comprehensible model for mapping the temporary CO2 storage of durable wood products. The parameters essential for quantifying the effect of temporary CO2 storage are the degradation rate of greenhouse gases in the atmosphere, the net carbon uptake in the forest during the lifetime of the construction product, amongst others depending on the rotation times of the relevant tree species and their predicted variations due to climate change. These are determined as input parameters for the dynamic wood product model by means of a dynamic forest model. The adequate consideration of reuse or recycling is also included in this model as an input parameter.
This parameter summary has not yet been carried out for construction products in this way, although individual parameters are used in models, e.g. for bio-based fuels, and can therefore serve as a starting point. Above all, the parallel consideration of the recycling of durable timber construction products, which have so far been ignored in the life cycle assessment models, represents a complete innovation.
The result is a holistic quantification of the CO2 sink of timber taking into account all relevant input parameters that are variable over time up to 2150 in various scenarios. The findings gained from the model are integrated into a simplified model that addresses new, regulatory, economic and societal challenges that require reliable and well-founded methods for determining avoided emissions and their actual effects on the climate crisis.
Endberichtkurzfassung
Das Projekt TimberBioC verfolgte das Ziel die derzeit in der internationalen und europäischen Normung fehlende, umfassende Berücksichtigung der CO 2 Speicherfunktion, unter Einbeziehung des kompletten Lebenszyklus von langlebigen Holzbauprodukten, zu adressieren. Nachdem die zeitliche Komponente in der aktuellen Methode der statischen CO 2 -Bilanz vernachlässigt wird, sollte eine Systematik zur holistischen Quantifizierung der Klimawirksamkeit von langlebigen Holzbauprodukten entwickelt werden. Diese Systematik wurde unter Zugrundelegung der wesentlichen Parameter zur Quantifizierung des Effekts des temporären CO 2 -Speichers Holzprodukt erarbeitet.
Hierfür wurde mit Hilfe eines dynamischen Waldmodells, unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien der Waldbewirtschaftung, die jährliche (biogene) Kohlenstoffbilanz im Wald nach der Holzentnahme modelliert. Dabei wurden auch das Totholz, die Kohlenstoffdynamik im Waldboden sowie der Einfluss künftiger Klimaszenarien mit einbezogen. In weiterer Folge wurden basierend darauf die atmosphärenrelevanten CO 2 -Flüsse in jedem Jahr berechnet. Dieser Ansatz der nachgelagerten Betrachtung hinsichtlich der CO 2 -Aufnahme im Wald, stellt einen Gegensatz zur aktuellen Praxis dar, bei der die Speicherung vor der Holzentnahme berücksichtigt wird. Die Betrachtung, sowie die Ableitung allgemein gültiger Aussagen, stellte sich als komplex heraus, da die Prognose der Waldentwicklung, nicht nur aufgrund möglicher, unterschiedlicher Klimaszenarien, sondern auch aufgrund bestehender Unwägbarkeiten hinsichtlich des Waldzustandes (Artenzusammensetzung, Trockenheit, Käferbefall, Windwurf, CO 2 -Düngung etc.) mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Zusätzlich hat auch die Bewirtschaftungsart großen Einfluss auf die Kohlenstoffbilanz. Die Ergebnisse müssen um eine Kopplung mit der Produktebene zu ermöglichen auf 1 m³ Holz bezogen werden. Dies führt dazu, dass klimarelevante Vor- bzw. Nachteile der einzelnen Bewirtschaftungsformen auch stark vom Betrachtungszeitraum und der entnommenen Holzmenge beeinflusst werden.
Auf Produktebene wurde für die verschiedenen Holzprodukte (Rundholz, Schnittholz, Brettsperrholz etc.) ebenfalls eine jährlich-aufgelöste Sach- und CO 2 -Bilanz für den gesamten Lebenszyklus erstellt. Dies inkludiert die Produktion, das End-of-Life (EoL) sowie alle relevanten Transporte. Um den aktuellen Entwicklungen bzgl. Kreislaufwirtschaft im Bausektor Rechnung zu tragen, wurden für die EoL-Phase verschiedenen Szenarien angesetzt, darunter Verbrennung mit Energierückgewinnung, Wiederverwendung, Recycling in Spanplatten, bioenergetische Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) sowie pyrogene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (PyCCS). Abweichend zu den aktuellen normativen Vorgaben, wurden für alle EoL-Prozesse nur jene CO 2 -Emissionen berücksichtigt welche tatsächlich in die Atmosphäre gelangen, z. B. wenn ein Produkt thermisch verwertet wird. Es konnte u.a. gezeigt werden, dass hinsichtlich der Klimawirksamkeit der Verwertungsszenarien am Produktlebensende ReUse günstiger als Recycling, und das wiederum besser als thermische Verwertung ist (vgl. Abbildung 2). Zudem konnte auch nachgewiesen werden, dass der Emissionszeitpunkt von Treibhausgasen von essenzieller Bedeutung für das Klima ist (vgl. Abbildung 3). Treibhausgasemissionen die heute stattfinden, erhöhen den Strahlungsantrieb für einen längeren Zeitraum, da sich manche Treibhausgase wie etwa CO 2 einerseits nur langsam, und andererseits nicht vollständig in der Atmosphäre abbauen. Das spricht ebenfalls für die Verwendung langlebiger Holzbauprodukte sowie deren stofflicher Nutzung am Produktlebensende, da der Emissionszeitpunkt des im Produkt enthaltenen Kohlenstoffs dadurch weiter in die Zukunft verschoben wird.
Eine Kopplung der zwei betrachteten Systeme (Wald & Produkt), inkl. der Umrechnung der jährlichen CO 2 -Flüsse mittels dynamischer Charakterisierungsfaktoren, führen schlussendlich zu gesamtheitlichen Ergebnissen, die als kumulierter Strahlungsantrieb dargestellt werden. Hierfür wurde im Projekt ein semi-automatisiertes Tool erstellt. Als besondere Herausforderung stellte sich hierbei die technische und methodische Schnittstelle zwischen den beiden Betrachtungsebenen dar. Während die technischen Aspekte im Projekt weitgehend abgehandelt und entsprechend berücksichtigt wurden, bedarf es einer Klärung der methodischen Fragen auf einer anderen (höheren) Ebene.
Ein weiteres Ziel vom TimberBioC war die Weiterentwicklung des (komplexen) dynamischen Modells für die praktische Anwendung in normativen Regelwerken und ökologischen Assessments. In diesem vereinfachten Modell stehen für die Abbildung des Waldes verschiedene Zahlenreihen mit jährlicher Auflösung zur Verfügung und müssen daher nicht bei jeder Berechnung extra modelliert werden. Auf Produktebene wird der gesamte Lebenszyklus unter Berücksichtigung der Phasen Produktion, Transporte und EoL abgedeckt, wobei auch die Nutzungsdauer über vordefinierte Auswahlmöglichkeiten berücksichtigt werden kann. Die Ergebnisse werden darüber hinaus in die weit verbreitete Kennzahl GWP100 [kg CO 2 -äquivalente] umgerechnet und ermöglichen somit auch vergleichende Betrachtungen zwischen der (vereinfachten) dynamischen Methode und jener die aktuell (nach EN 15804) implementiert ist.
Die Auswirkungen des Modells auf die Umweltkommunikation mit KonsumentInnen wurden ebenfalls geprüft. Da biogenes Triebhauspotenzial in bestehenden Instrumenten entweder nur für die Produktionsphase (A1–A3) oder gar nicht in der Umweltkommunikation berücksichtigt wird, stellt das TimberBioC-Modell eine Erweiterung, die auch zu Bewusstseinsbildung führen kann, dar. Prinzipiell kann das Modell bei entsprechender Weiterentwicklung der Datengrundlage auch auf andere Bauprodukte (inklusive solchen die nicht aus Holz bestehen) angewendet werden. In weiterer Folge besteht daher auch die Möglichkeit komplette Bauteile oder sogar Gebäude dynamisch zu modellieren.