FLADEMO
Flächendeckende Mobilitäts-Servicegarantie
Programm / Ausschreibung | Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 15. Ausschreibung (2020) FT, PM, AM | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.03.2021 | Projektende | 30.04.2022 |
Zeitraum | 2021 - 2022 | Projektlaufzeit | 14 Monate |
Keywords | Mobilitäts-Servicegarantie; Öffentlicher Verkehr; Verkehrspolitik; Finanzierung; Rechtliche Rahmenbedingungen |
Projektbeschreibung
Der Verkehrssektor in Österreich steht in den nächsten Dekaden vor drängenden Handlungserfordernissen. Klimaproblematik, Überlastungserscheinungen einerseits und mangelnde Kapazitätsauslastung andererseits, demographischer und sozialer Wandel, technologische Umwälzungen und Möglichkeiten sowie limitierte finanzielle Ressourcen für den Öffentlichen Verkehr (ÖV) sind nur einige der aktuellen Herausforderungen der Verkehrspolitik, die kluge, regional maßgeschneiderte Maßnahmen erfordern.
Insbesondere die Klimafrage und die Erfüllung der EU Klimaziele bis zum Jahr 2040 erfordern eine Transformation des österreichischen Verkehrssystems - in vergleichbar kurzer Zeit. Eine solche Transformation kann nur gelingen, wenn die Strategie eines integrierten Policy Mix regulativer sowie ergänzender Maßnahmen mit Vehemenz umgesetzt wird.
Wie die Vorstellung einer faktisch garantierten Mobilitäts-Daseinsvorsorge in allen Teilräumen des Landes mit Leben gefüllt werden kann, welche Rahmenbedingungen notwendig sind und welche Wirkungen die (möglicherweise stufenweise) Umsetzung hätte, wird in der Studie FLADEMO untersucht.
FLADEMO, als Studie mit großer Ergebnisoffenheit und hoher Komplexität der interagierenden, relevanten Thematiken (u.a. Verkehrsplanung, Technologie, Recht oder Finanzierung) verfolgt den Lösungsansatz einer weitgehenden Integration und Abstimmung der diversen Disziplinen und unterschiedlicher Methodenzugänge sowie der Verbindung der relevanten Stakeholder inklusive Verkehrspolitik und Verwaltung.
Das übergeordnete strategische Ziel des Projektes FLADEMO ist es, einen flächendeckenden Mobilitätsservicegarantie (fMSG) - Rahmen für Österreich zu konzipieren, damit alle ÖsterrreicherInnen ihre Mobilitätsbedürfnisse erfüllen können. Was ist überhaupt die fMSG? Diese Kernfrage leitet die Forschungstätigkeiten in FLADEMO, die auf konkreten strategischen Projektzielen beruht:
- Konzeption der fMSG im Kontext vom verkehrlichen Angebot.
- Rechtsdogmatische und rechtspolitische Perspektive zur Verankerung der fMSG.
- Abschätzung von verkehrlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der fMSG.
- Handlungsempfehlungen und weitere F&E-Strategie.
Abstract
Austria's transport sector is facing an urgent need for action in the coming decades. Climate issues, effects of capacity overload on the one hand and insufficient capacity utilization on the other hand, demographic and social change, technological changes and opportunities as well as limited financial resources for public transport are pressing current challenges of transport policy. These aspects require both smart and tailor-made regional strategies. In particular, climate change and the achievement of the EU climate objectives up to the year 2040 demand a transformation of the Austrian transport system - in a short period of time. This transformation requires the implementation of an integrated policy combining regulatory and complementary efforts.
FLADEMO examines the feasibility of the planned nationwide guaranteed mobility service, the framework conditions required and to which effects a (gradual) implementation might lead. The broad scope and complexity of the interacting relevant topics (e.g. transport planning, technology, legislation or funding) follows the concept of an extensive integration and coordination of the various disciplines and different methodological approaches as well as the liason with relevant stakeholders including transport policy and administration.
The overarching objective of FLADEMO is on the development of a nationwide guaranteed mobility service framework for Austria. Is there a general definition of guaranteed mobility services? This key question leads the research activities in FLADEMO and is based on the following specific strategic objectives:
- Development of a guaranteed mobility service.
- Legal-dogmatic and -policy perspective to establish the guaranteed mobility service.
- Assessment of the transport and economic effects of the guaranteed mobility service.
- Policy recommendations and further R&D strategy.
Endberichtkurzfassung
Im Projekt FLADEMO wird die erste Wissensbausteine zu einer flächendeckende Mobilitäts-Servicegarantie (fMSG) eingearbeitet. Die Forschung in diesem Projekt soll nicht direkt die umsetzungsreife Politik zu formulieren, sondern als erste Grundlage für weitere Forschungsaktivitäten in der Zukunft zu bauen. Somit ist das nachfolgend zusammengefasste Forschungsergebnis als ein Resultat eines umfangreichen und strukturierten Gedankenexperimentes zu verstehen.
Hinsicht auf dem Klimaziel 2040 der Bundesregierung sowie schnell und kontinuierlich veränderten Bevölkerungsstruktur werden die Ziele der MNSG wie folgt definiert:
Daseinsvorsorge/soziale bzw. gesellschaftspolitische Ziele: ein ausreichendes Maß an Mobilitätsangeboten als Bedingung für eine chancengleiche Partizipation der Bevölkerung am öffentlichen Leben zu gewährleisten, ohne Besitz eines eigenen Pkws
spezielle Rücksicht auf einen barrierefreien Zugang: der diskriminierungsfreie Zugang zu diesen Mobilitätsangeboten für Alltagswege in Österreich
Ökologische Ziele : einen Anreiz für den Umstieg auf nachhaltige Mobilitätsformen zu schaffen
In Österreich sind aktuell noch 20% (1,57 Mio. EW, am Werktag in Schulferien) bzw. 15,4% (1,21 Mio., EW, an den Schultagen) der Bevölkerung keinen linien- und fahrplangebundenen öffentlichen Nahverkehr weder mit nationalen Mindestbedienqualität (4 Abfahrten pro Richtung pro Tag) noch innerhalb erreichbarer Distanzen (max. 1.250m) versorgt. Vergleichbarer bedarfsorientierter öffentlicher Verkehr (an allen Werktagen oder häufiger) ist nur in 385 von rund 2.100 Gemeinden in Österreich vorhanden: insbesondere im Umland von regionalen Zentren und im ländlichen Raum gibt es viele Potenzielle. Dieses niedrige Niveau des ÖV-Angebotes geografisch korreliert mit den Pkw-Besitz per Haushalt. Mehrfachausstattung in den zentralen Bezirken (33% der HH mit 2 Pkw, 9% der HH 3 oder mehr) und peripheren Bezirke (30% der HH mit 2 Pkw, 14% 3 oder Mehr) ist bemerkenswert im Vergleich zu Wien und anderen Großstädten.
Als flächendeckende Mobilitäts-Servicegarantie, könnte Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) die folgenden Punkte für Mobilität ohne Besitz von eigenen Pkw garantieren. Zentral ist die Garantie einer Leistungsbereitstellung : Mindestangebot an Mobilitätsdienstleistungen (für linien- und fahrplangebundenen öffentlichen Verkehr und für bedarfsorientierten öffentlichen Verkehr kombiniert). Diese Garantie könnte mit Gewährleistung eines flächendeckenden Angebots von Poolingplattformen ergänzt werden. Ausfalls- bzw. Anschlussgarantie könnte auch in der Garantie enthaltet werden. Garantie der Infrastruktur für nachhaltige Mobilitätsangebote dient als Basis dafür in Hinsicht nicht nur auf Zugangswege zu den obengenannten Mobilitätsdienstleistungen aber auch für Wege mit aktiven Mobilität tür-zu-tür zurückzulegen. Dazu könnte einer Ordnungsrahmen für Mobilitäts-Plattformen (MaaS) (Vermittlungsdiensten) garantiert werden. Als mögliche gesetzliche Verankerung ist auf einfachgesetzlicher Ebene z.B. Schaffung eines eigenen (Bundes-)Mobilitätsgesetzes denkbar. Rechtliche Verankerung auf der Verfassungsebene ist wohl denkbar, aber im Vergleich zu den anderen sozialen Grundrechten eher unrealistisch.
Weitere neue Mobilitätsdienste z.B., Fahrzeug-Sharing könnte als willkommene Ergänzung zur fMSG gesehen, aber sie sind nicht als einen Teil der fMSG betrachtet. Z.B. Verfügbarkeit von Fahrzeugen vor allem in ländlichem Raum ist nicht möglich zu gewährleisten (betriebliche Schwierigkeiten zu garantieren), und Nutzen sind nur mit Fahrzeuglenkungsmöglichkeit eingeschränkt (Nichterfüllung soziale bzw. gesellschaftspolitische Ziele).
In FLADEMO wurde fünf unterschiedliche Szenarien (Umsetzungsansätze) zur fMSG mit unterschiedlichen Schwerpunkten und auch Ausprärungen der verkehrlichen Parameter definiert und analysiert. Die fünf Szenarien sind:
Szenario 1: „Alle Regionen mitnehmen“ : Fokus auf Basisversorgung mit Mobilitätsservices im ländlichen Raum, wo diese bisher kaum gegeben ist. Eine „untere Schranke“ im Szenarienvergleich und dient vor allem zur Darstellung der Wirkung eines verbesserten ÖV-Angebots ohne weitreichende Push-Maßnahmen. Es stellt aber nicht unbedingt ein empfehlenswertes Umsetzungsszenario dar. Dennoch können aus der Simulation des Szenarios Erkenntnisse für Schlussfolgerungen gewonnen werden.
Szenario 2: „Fokus aktive Mobilität“: der ÖV wird moderat verbessert, vor allem im ländlichen Raum. Es liegt jedoch ein starker Fokus auf aktiver Mobilität (Gehen und Radfahren). Das Fahrrad wird auch als wichtiger Zubringer zum ÖV gesehen. Dafür wird die Infrastruktur für diese Verkehrsmittel stark verbessert.
Szenario 3: „Schwerpunkt Pooling“: das Angebot im öffentlichen Verkehr wird analog zum Szenario „Fokus aktive Mobilität“ moderat verbessert, vor allem im ländlichen Bereich. Pooling im Sinne von Fahrgemeinschaften mit privaten Pkws wird als wichtige Ergänzung gesehen, vor allem dort, wo die ÖV-Bedienqualität niedrig ist.
Szenario 4: „Ciao MIV!“: Dieses Szenario stellt die Vision dar, dass alle Menschen ohne des Besitzt eines eigenen Pkw mobil sein können. Das Angebot des ÖV (beide linien- und fahrplangebundenen ÖV und bedarfsorientierten ÖV) wird nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch im städtischen Raum verbessert. Im Vergleich zu den vorhergegangenen Szenarien, garantiert die fMSG hier kürzere Zugangswege zum ÖV, einen kürzeren Mindesttakt und längere Betriebszeiten. Dieses verbesserte Angebot ist kombiniert mit starken Push-Maßnahmen gegen den MIV.
Szenario 5: „Fragwürdige Utopie“ bzw. „ÖV für alles und jeden“: Dieses Szenario bildet die „obere Schranke“ für den Szenarienvergleich und kann als „Maximalvariante“ bezeichnet werden. Wie das Szenario „Alle Regionen mitnehmen“ dient es in erster Linie dem Vergleich mit anderen Szenarien, um als Gedankenmodell Grenzwerte darzustellen und nicht, um als Empfehlung in der Realität so umgesetzt zu werden. In dem Szenario werden öffentliche Mobilitätsangebote 24/7 für alle gratis zur Verfügung gestellt und mit starken MIV-Push-Maßnahmen kombiniert.
Modellierungsergebnisse zeigen, dass die einfache Verbesserung des ÖV-Angebots (Szenario „ Alle Regionen einsteigen “) nicht ausreicht, um die NMSG-Ziele zu erreichen. Die drei Szenarien „Fokus aktive Mobilität“ , „ Ciao MIV!“ und „Fragwürdige Utopie“ führen zu dem Niveau (d.h. jährliche Fahrleistung bis zum Jahr 2040 auf 51 Mrd. Pkw-km gesenkt zu werden), das zur Erreichung der Klimaziele erforderlich ist. Dieses Ergebnis impliziert, dass aktive Mobilität eine wichtige Rolle spielt, um das ökologische Ziel der NMSG zu erfüllen. Dies erfüllt jedoch nicht zwangsläufig das sozial bzw. gesellschaftspolitische Ziel der NMSG: Dazu bedarf es einer weiteren Verbesserung des öffentlichen Verkehrs (sowohl linien- und fahrplangebundener als auch bedarfsgerechter ÖV) mit kürzeren Intervallen und längeren Betriebszeiten. Bemerkenswert ist auch, dass die Fokussierung auf Fahrgemeinschaften (Szenario „Schwerpunkt Pooling“) zu potenziellen Rebound-Effekten durch eine attraktivere Nutzung privater Pkw führen wird.