OPERION
Echtzeitmonitoring von Elektrolytzerfallsprozessen bei Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien
Programm / Ausschreibung | Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 14. Ausschreibung (2019) Batterie | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.11.2020 | Projektende | 30.04.2024 |
Zeitraum | 2020 - 2024 | Projektlaufzeit | 42 Monate |
Keywords | Elektrochemie; Batterien; Gaschromatographie; Massenspektrometrie; Elektrolytzersetzung; Lithium-Ionen- Batterien der 3. Generation |
Projektbeschreibung
Um die Klimaziele der EU bis 2030 zu erreichen müssen Traktionsbatterien für BEV bis 2030 eine spezifische Energie von 450 Wh/kg und eine Energiedichte von 1000 Wh/l liefern, mit Schnellladefähigkeit (3,5 C), bei einem Gefährdungsniveau ≤4 und Kosten von 70 €/kWh auf Zellebene. Nur mit Batteriematerialien der Generation 3 lassen sich diese Kennzahlen erzielen. Diese zeichnen sich durch die Verwendung von nickelreichem NMC und/oder Hochspannungs-LNMO als Kathoden- Aktivmaterial mit höheren Spannungsobergrenzen, Anoden auf Graphit-Siliziumkompositbasis und dem Einsatz von Hochspannungselektrolyten aus.
Letztere werden durch schnelle Lade-/Entladezyklen und dem Betrieb bei hohen Spannungen einem erhöhten Stress ausgesetzt, was Elektrolytzersetzung in gasförmige brennbare und teilweise korrosive Bestandteile zur Folge hat und sich negativ auf die Sicherheit und die Langlebigkeit von großformatigen Zellen auswirkt.
Das Projekt OPERION (Echtzeitmonitoring von Elektrolytzerfallsprozessen bei Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien) hat das Ziel, Zersetzung und Alterungsmechanismen von Zellchemien der 3. Generation während des Betriebes bei schnellem Laden bzw. Entladen zu untersuchen. Die kurzen Ladezeiten machen es notwendig, schnelle Echtzeit-Messmethoden zu entwickeln. Zu diesem Zweck wird ein bestehendes operando Gaschromatograph / Massenspektrometer / Fourier-Transform-Infrarotspektrometer (GCMS-FTIR)- System adaptiert und mit einem stationären negativen thermischen Gradienten- GC ausgestattet, der es ermöglicht, Zellzersetzungsprozesse in hoher Zeitauflösung (Messungen in 2 Minutenabständen) zu beobachten. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Zusammensetzungen des Elektrolyten, die einen mindernden Einfluss auf die Elektrolytzersetzung haben, elektrochemisch beprobt und zeitgleich Gasmessungen durchgeführt. Auf diese Weise kann der Elektrolyt schnell und effektiv optimiert werden, was sich positiv auf die Entwicklungszeit von Batterien auswirkt. Die Bestimmung der Menge der einzelnen Gase erlaubt es ein elektrochemisches, transientes Modell zur Simulation der Elektrolytzersetzung zu erstellen und wird so in Kombination mit Post-mortem Analysen und operando Gasmessungen zur Erhebung von Zersetzungsmechanismen einer ganzen Zelle herangezogen. Diese Daten bieten die Grundlage, um einerseits Verbesserungen am Elektrolyten und / oder dem Material bzw. den Materialkombinationen vorzunehmen und andererseits den Zustand der Zelle zu bewerten, um eine Aussage über Sicherheit, Lebensdauer und Toxizität treffen zu können. Auch aus umwelttechnischer Sicht sind die Daten relevant und werden zusätzlich im Projekt für die Erstellung einer detaillierten LCA- Datenbank verwendet. Durch quantitative Daten aus der Gasanalyse wird das Ökobilanzmodell um ein End-of-Life Szenario auf Screening-Ebene ergänzt bzw. zur Bewertung der Rezyklierbarkeit verwendet.
Die enge Zusammenarbeit von Forschung, Zellhersteller, Anwender und Umweltberatungsunternehmen ermöglicht so die schnellere Entwicklung von Batterien mit erhöhter Leistungsfähigkeit und Umweltverträglichkeit.
Abstract
In order to meet the EU's climate targets for 2030, traction batteries for BEV must deliver a specific energy of 450 Wh/kg and an energy density of 1000 Wh/l by 2030, with fast charging capability (3.5 C), at a hazard level ≤4 and costs of 70 €/kWh at cell level. These figures can only be achieved with Generation 3 battery materials. These are characterised by the use of nickel-rich NMC and/or high voltage LNMO as cathode active materials with higher upper voltage limits, with graphite-silicon composite based anodes, and with the use of high voltage electrolytes. The latter are subjected to increased stress due to fast charge/discharge cycles and operation at high voltages, which leads to electrolyte decomposition into gaseous, combustible, and partially corrosive components; this has a negative effect on the safety and durability of large format cells.
The OPERION project (Real-time Monitoring of Electrolyte Decomposition Processes in High-performance Lithium-ion Batteries) aims at investigating decomposition and aging mechanisms of 3rd generation cell chemistries during rapid charging or discharging. The short charging times make it necessary to develop fast real-time measurement methods. For this purpose, an existing operando gas chromatograph / mass spectrometer / Fourier-Transform-Infrared-Spectrometer (GCMS-FTIR) system will be adapted and equipped with a stationary negative thermal gradient GC, which allows us to observe cell decomposition processes in high temporal resolution (measurements every 2 minutes). In this context, different compositions of the electrolyte, which mitigate its decomposition, are electrochemically sampled, and gas measurements are carried out simultaneously. In this way, the electrolyte can be optimized quickly and efficiently, which has a positive effect on the development time of batteries.
The determination of the amount of the individual gases permits an electrochemical, transient model to be created to simulate electrolyte decomposition. In combination with post-mortem analyses and operando gas measurements, this model is used to determine the decomposition mechanisms of an entire cell.
The data provides the basis for making improvements to the electrolyte and / or the material or material combinations on the one hand, and for evaluating the condition of the cell on the other hand in order to be able to make a statement about safety, service life, and toxicity. The data is also relevant from an environmental point of view and will be used in the project to create a detailed LCA database. Quantitative data from gas analysis will be used to supplement the LCA model with an end-of-life scenario at screening level, and to assess recyclability.
The close cooperation between researchers, cell manufacturer, end user, and environmental consultant thus enables the faster development of batteries with increased performance and environmental friendiness.
Endberichtkurzfassung
Im Rahmen des OPERION-Projektes wurde am AIT eine Methode entwickelt, um die gasförmigen Zersetzungsprodukte in Lithium-Ionen-Batterien zu quantifizieren. Diese Methode erlaubt es durch Messung des Gasdruckes innerhalb einer Batterie das entstandene Gasvolumen der Zersetzungsprodukte zu bestimmen und das unabhängig von Zellgröße und Zellgeometrie. Die Trennung und Detektion der komplexen Gasgemische erfolgt über ein kalibriertes operando GCMS-System, das direkt mit der Zelle verbunden ist.
Ein starker Fokus wurde auf die Untersuchung von Elektrolytadditiven und deren Zersetzungsmechanismen gelegt. Es konnten klar Zusammenhänge zwischen eingesetzten Additiven und der Zusammensetzung der Zersetzungsprodukte aufgezeigt werden. Desweitern wurde durch oberflächensensitive Messungen an den Elektroden die Zusammensetzung der anodenseitigen Solid-Elektrolyt-Grenzphase (SEI) und der kathodenseitigen Kathoden-Elektrolyt-Grenzphase (CEI) bestimmt und mit den gasförmigen Zersetzungsprodukten über Reaktionsgleichungen korreliert. Die Methode erlaubt daher die Bildung dieser für die Langlebigkeit und Sicherheit wichtigen Grenzflächen während des Betriebs einer Batterie zu beobachten.
Neben den Untersuchungen der Grenzflächen beschäftigte sich das Projekt auch mit der Gasentwicklung außerhalb des normalen Zellbetriebs. In Überladeversuchen wurde gezeigt, dass sich die Zusammensetzung oberhalb eines bestimmten Zellpotentials drastisch ändert. Der Zusammenbruch der SEI und CEI durch erhöhte Temperatur und hohe Zellpotential hat zur Folge, dass Elektrolyt in stromführende Schichten vordringen kann und sich weiter zersetzt. Die heftigen Reaktionen führen zu einer Vielzahl an giftigen und brennbaren Gasen, die im Falle eines Bersten der Zelle leicht zum einem Brand führen können.
Vom Projektpartner TU Wien wurden zwei Systeme für die Durchführung schneller gaschromatographischer Analysen entwickelt und gebaut. Beiden Systemen ist gemein, dass sie – entgegen der üblichen Vorgehensweise – die Trennsäule nicht einheitlich auf konstanter Temperatur halten oder diese Temperatur im Lauf der Trennung erhöhen, sondern dass entlang der Trennsäule ein Temperaturgradient eingestellt wird, bei dem die aufzutrennende Probe am heißen Ende der Trennsäule aufgegeben und am kalten Ende der Trennsäule detektiert wird. Mit dieser Vorgehensweise lassen sich trotz der Verwendung sehr kurzer Trennsäulen sehr gute Trennleistungen erzielen – aufgrund der wesentlich kürzeren Trennsäule aber auch in wesentlich kürzerer Zeit (Faktor 10-20).
Eine wesentliche Verbesserung der Trennleistung lässt sich noch erzielen, wenn der Temperaturgradient nicht über die gesamte Trennstrecke angelegt wird, sondern nur abschnittsweise. Die Hardware und Ansteuerung dieses Systems wurden im Rahmen dieses Projektes entwickelt und getestet. Mit diesem System sind Trennungen möglich, die der Trennleistung konventioneller Systeme fast ebenbürtig sind, aber nur einen Bruchteil der Zeit benötigen. Diese Entwicklung wurde bereits zum Patent angemeldet, da sie weit über den Bereich der Batterieforschung hinaus einsetzbar ist.
Für die Batterieforschung bietet sie ein außerordentlich nützliches Werkzeug, um sich in ihrer Zusammensetzung schnell ändernde Systeme mit hoher Zeitauflösung beobachten zu können. Mit einem schnellen massenspektrometrischen Detektor (zum Beispiel einem Flugzeit-Massenspektrometer, TOF-MS) gekoppelt, lässt sich so zum Beispiel die hydrolytische Zersetzung des Elektrolyten nahezu in Echtzeit verfolgen.
Der Projektpartner AVL entwickelte ein möglichst allgemeingültiges Simulationsmodell für die Zersetzung von Elektrolyten unterschiedlicher Zusammensetzung in gasförmige Bestandteile. Dazu wurden Bilanzgleichungen für die Reaktanten unterschiedlicher Phasen (fest, flüssig, gasförmig) im Elektrolyten aufgestellt, und ein geeigneter Reaktionsmechanismus aus der Literatur ausgewählt. Beides wurde in AVL CRUISE M implementiert.
Die Parametrierung erfolgte anhand von Daten aus der Literatur und des Projektes. Dieses parametrierte Modell ist Basis für verschiedene Studien im Rahmen der Sensitivitätsanalyse gewesen, wobei auf Batteriemodulebene normale wie auch missbräuchliche Lastprofile und deren Auswirkung auf die bei der Elektrolytzersetzung gebildete Gasmenge sowie -zusammensetzung untersucht wurde.
Die Ökobilanz (LCA) Ergebnisse für die betrachteten Cobalt-hältigen Zell-Typen NMC532, NMC622, NMC811 des Projektpartners Daxner & Merl zeigen, dass unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus die Zellproduktion (inklusive Vorkettenprozesse) in ökologischer Hinsicht bei allen ausgewerteten Indikatoren dominant ist. Der anschließende Zusammenbau zur Gesamtbatterie inklusive der Berücksichtigung aller weiteren verbauten Materialien trägt ebenfalls signifikant zu den Umweltwirkungen bei. Insgesamt verursachen die Prozesse der Produktion bei den meisten betrachteten Indikatoren mehr als 80 % der Umweltwirkungen. Die in den Zellen enthaltenen „kritischen Rohstoffe“ wie Kobalt weisen negative soziale Auswirkungen in der Lieferkette auf. Ein effektiver Recyclingprozess mit einer hohen Rückgewinnungsrate an Materialien zur stofflichen Wiederverwertung unter Einhaltung europäischer sozialer Standards kann daher die ökologischen und sozialen Auswirkungen signifikant verbessern.
Die im Betrieb der Batterien emittierten identifizierten Gase wurden einer qualitativen toxikologischen Bewertung unterzogen und mittels der Methode USEtox wurden für die Ökobilanz entsprechende Charakterisierungsfaktoren zugeordnet. Somit konnte für die quantifizierten Gase der Beitrag zur potenziellen Humantoxizität und Frischwassertoxizität ermittelt werden. Daraus folgt, dass im Ökodesign unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Batteriesystems bei der Zellproduktion der größte Hebel zur Verbesserung in ökologischer und sozialer Hinsicht liegt.