Zum Inhalt

SiHaJF

Sicherheitsarchitektonische Haftgestaltung für Jugendliche und Frauen

Programm / Ausschreibung KIRAS, F&E-Dienstleistungen, KIRAS F&E-Dienstleistungen (FED) 2023 Status laufend
Projektstart 15.01.2025 Projektende 14.01.2027
Zeitraum 2025 - 2027 Projektlaufzeit 25 Monate
Keywords Justizanstalten, Nachhaltigkeit, Haftgestaltung, Frauen, Jugendliche, Empfehlungsleitfaden

Projektbeschreibung

Die bauliche Gestaltung der österreichischen Justizanstalten, wie auch die organisatorischen Gegebenheiten, spielen eine entscheidende Rolle für die Sicherheit und die Umsetzung von Maßnahmen zur Reintegration Jugendlicher, wie auch weiblicher Insassinnen im Strafvollzug. Da Frauen in Europa nur einen geringen Anteil der Gesamtinhaftierten im Strafvollzug ausmachen (von 2,9% in PL bis 7,8% in ES), stehen inhaftierte Frauen vor besonderen Herausforderungen und strukturellen Benachteiligungen. Österreich liegt mit einem Insassinnenstand von 6,76% dazwischen. Eine weitere „vulnerable“ Gruppe bilden Jugendliche, die sich im Strafvollzug befinden. Sie gelten als besonders schützenswerte Gruppe. Aufgrund ihres Alters bilden sie eine Minderheit innerhalb des Strafvollzugs und bedürfen daher besonderen Schutzes.
Viele weibliche Insassinnen sind in Anstalten untergebracht, in welchen überwiegend Männer inhaftiert sind. Die Orientierung am Männervollzug führt zu strukturellen Benachteiligungen und die Freizeitaktivitäten, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten sind stark eingeschränkt. Die mehrheitlich angebotene Beschäftigung für Frauen beschränkt sich häufig auf Haushaltsarbeiten wie Putzen, Kochen und Handarbeiten. Ein Mangel an sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten wirkt sich auch besonders gravierend bei Jugendlichen aus, da sie ein starkes Bedürfnis nach körperlichen Aktivitäten, Beschäftigung oder Ausbildung haben. Darüber hinaus hat die Diversität der österreichischen Justizanstalten dazu geführt, dass bisher keine einheitlichen baulichen Standards für diese Insass:innen etabliert werden konnten.
Aus diesen Gründen besteht dringender Forschungsbedarf die spezifischen Anforderungen dieser marginalisierten Gruppen und die bestehenden baulichen und organisatorischen Gegebenheiten ihrer Unterbringung im österreichischen Vollzug zu untersuchen. Durch moderne bauliche Empfehlungen sollen u.a. selbständige Lebensführung und Bewegung der Insass:innen in der JA ermöglicht werden, um die Vorbereitung auf das Leben in Freiheit zu verbessern und dadurch zur Sicherheit der Gesellschaft beizutragen.
Durch diesen Forschungsschwerpunkt soll evidenzbasiertes Wissen über die baulich relevanten Bedürfnisse von Frauen und Jugendlichen im Strafvollzug gewonnen werden. Zudem soll die psychische und physische Gesundheit von Insass:innen durch die Gestaltung der Haftumgebung unterstützt werden. Dabei sollen die Insass:innen nicht auf gesellschaftlich tradierte Rollen festgelegt, sondern unterstützt werden selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können, die die Vereinbarkeit von persönlichen Wünschen und Bedürfnissen sowie die eventuelle Betreuung von Kindern zu ermöglichen. Einen weiteren wichtigen Aspekt bei der Haftgestaltung stellen angemessene Sicherheitsstandards dar. Hierbei soll auf eine Vereinbarkeit von Privatsphäre und Sicherheit Wert gelegt werden. Weiterhin ist die strukturelle Gestaltung der Justizanstalten auf die Förderung der Reintegration von Jugendlichen und Frauen auszurichten. Es bedarf der Durchführung entsprechender Analysen, um bauliche, wie sozial-organisatorische Aspekte zu erarbeiten, die eine erfolgreiche Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglichen.
Das Vorhaben besteht insgesamt aus vier Arbeitspaketen. Das AP01 Projektmanagement dient der gesamten Projektkoordination. Das AP02 umfasst den theoretischen Teil. Neben Literaturrecherche und qualitativer Inhaltsanalyse werden acht explorative leitfadengestützte Interviews mit Expert:innen geführt. Die Interviews ermöglichen es zu Projektbeginn das Themenfeld zu erschließen. Ergänzt wird die zielgruppenspezifische Analyse durch die Einbeziehung bestehender Erkenntnisse aus bisherigen KIRAS Projekten (u.a. ESBH). Außerdem baut das Projekt auf gestaltungs- und planungsrelevantem Wissen europäischer Best-Practice-Modelle auf. Hierfür werden zwei ausgewählte JA in Europa besucht. Im AP03 werden drei JA hinsichtlich ihrer organisatorisch-baulichen Gegebenheiten und den verfügbaren Ressourcen im Detail analysiert. Es werden drei Plananalysen und Vorortbegehungen, neun Expert:inneninterviews sowie zwölf Leitfadeninterviews mit Insass:innen durchgeführt. Abschließend erfolgt eine quantitative Befragung mittels Fragebogen bei den Insass:innen. Im AP04 wird die erlangte Expertise durch die Erstellung eines Empfehlungsleitfadens mit überprüfbaren Standards nachhaltig gesichert.
Durch das vorliegende Projekt SiHaJF sollen geschlechtersensible bauliche Empfehlungen auf Basis von sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit entwickelt werden, um damit Sicherheit, Ordnung und Betreuungsqualität in JA zu gewährleisten und eine erfolgreiche Resozialisierung zu ermöglichen.

Abstract

The architectural design of Austrian correctional facilities, as well as the organizational conditions, play a decisive role in the security and implementation of measures for the reintegration of juvenile and female inmates in the prison system. As women merely constitute a small proportion of the total prison population in Europe (from 2.9% in PL to 7.8% in ES), they face particular challenges and structural disadvantages. Austria is in the upper range with a female inmate rate of 6.76%. The second "vulnerable" group addressed in this project is juveniles in prison. Due to their age, they form a minority within the prison system, which necessitates special protection.
The aim of the project is to develop a contemporary structural and organizational recommendation guideline for correctional facilities that focuses on the specific needs of female and juvenile inmates and takes sustainability principles into account.
Measures to improve the detention conditions for female and juvenile inmates in Austrian prisons are developed using an interdisciplinary approach from criminal sociology, law and architecture, and taking existing organizational and structural conditions into account.
The project consists of four work packages. WP01 covers all aspects of project management and project coordination. WP02 comprises the theoretical part including literature research and qualitative content analysis of national and international findings on women and juveniles in prison, and a review of legal foundations. Additionally, exploratory expert interviews will be conducted with experts from the Federal Ministry of Justice, the organization “Neustart” and related NGOs involved in supporting women and juveniles in prison. International visits to prisons that are considered "Promising Practices" will expand the basic knowledge.
In WP03, three correctional facilities in Austria are analyzed in detail with regard to their organizational and structural conditions and the available resources. Plan analyses and site visits, expert interviews with prison officers and specialist service providers and guided interviews with inmates will be conducted. In order to maximize knowledge acquisition, a quantitative, written survey of inmates tailored to both target groups is carried out. In combination with the qualitative information, a comprehensive analysis of the needs of female and juvenile inmates can be rendered.
In WP04, the expertise gained will be sustainably secured by creating a recommendation guideline with verifiable standards. The results will be presented to a specialist audience in a publication as part of a conference.