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GReVity

Ganzheitliche verhaltensorientierte Lösungsansätze für Rebound-Management im Bereich Virtual Mobility

Programm / Ausschreibung Mobilitätssystem, Mobilitätssystem, Mobilität 2023: Urbane Mobilität und Fahrzeugtechnologien Status laufend
Projektstart 01.02.2024 Projektende 31.03.2025
Zeitraum 2024 - 2025 Projektlaufzeit 14 Monate
Keywords virtuelle Mobilität, Rebound, Home-Office

Projektbeschreibung

Rebound-Effekte entstehen als Folge einer Verhaltensänderung durch eine eingeführte, oft effizienzsteigernde Innovation, mit der Nutzer:innen allmählich ihr Verhalten ändern. Wenn dadurch potentielle Effizienzgewinne wieder kompensiert werden, stellen Rebound-Effekte auch bzw. insbesondere in der Mobilität eine Bedrohung für das Erreichen der ambitionierten nationalen und internationalen Energie- und Klimaziele dar. Im Projekt GReVity (Ganzheitliche verhaltensorientierte Lösungsansätze für Rebound-Management im Bereich Virtual Mobility) werden zunächst potentielle Rebound-Effekte identifiziert und kategorisiert, ehe sich das Projekt im Kern der Reduktion bzw. Vermeidung dieser Rebound-Effekte widmet. Das Projekt verfolgt dabei einen ganzheitlichen Zugang zur Erarbeitung und Auswahl von Maßnahmen gegen den Rebound-Effekt bei virtueller Mobilität sowie ihrer verkehrlichen und umweltrelevanten Bewertung und Effektivitätsschätzung. Die Innovation des Projekts besteht im Zusammenwirken der Bereiche Psychologie, Soziologie, Verkehrs- und Mobilitätsmanagement, verkehrliche Wirkung und Bewertung der Umweltwirkungen, die es ermöglicht, das individuelle Verhalten sowie Maßnahmen zur Steuerung des Verhaltens auf individueller und systemischer Ebene (z.B. in Firmen, in Gemeinden, auf Policy-Ebene) aus interdisziplinärer Sicht zu beleuchten und entsprechende ziel- und umsetzungsorientierte Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Ergebnisse des Projekts fließen unter anderem in die Entwicklung nationaler Klima- und Energieszenarien ein und werden demnach auch für die Beratung der nationalen Verkehrs- und Umweltpolitik berücksichtigt.

Abstract

Rebound effects arise as a consequence of a change in behavior due to an introduced, often efficiency-enhancing innovation, with which users gradually change their behavior. If this offsets potential efficiency gains, rebound effects pose a threat to the achievement of ambitious national and international energy and climate targets, especially in the field of mobility. In the GReVity project (Ganzheitliche verhaltensorientierte Lösungsansätze für Rebound-Management im Bereich Virtual Mobility), potential rebound effects are first identified and categorized before the project focuses on reducing or avoiding these rebound effects. The project follows a holistic approach to the development and selection of measures against the rebound effect in virtual mobility as well as their traffic and environmental evaluation and effectiveness estimation. The innovation of the project consists in the interaction of the fields of psychology, sociology, traffic and mobility management, traffic-related effects and evaluation of environmental effects, which makes it possible to illuminate individual behavior as well as measures to control behavior on an individual and systemic level (e.g. in companies, in communities, on a policy level) from an interdisciplinary point of view and to derive corresponding target- and implementation-oriented recommendations for action. The results of the project will be used, among other things, in the development of national climate and energy scenarios and will accordingly also be taken into account for advising national transport and environmental policy.

Endberichtkurzfassung

GReVity – Ganzheitliche verhaltensorientierte Lösungsansätze für Rebound-Management im Bereich Virtual Mobility



++ Virtuelle Mobilitätsformen reduzieren Verkehr ++

++ Es treten aber nennenswerte Rebound-Effekte auf, ausgenommen bei Teleconferencing ++

++ Mit geeigneten Maßnahmen können diese Rebound-Effekte reduziert werden ++



Der Verkehrssektor in Österreich ist trotz eines Rückgangs der Treibhausgasemissionen in den Jahren 2022 und 2023 mit einem Anteil von 29 % nach wie vor der größte Emissions­sektor außerhalb des europäischen Emissionshandels. Angesichts der nationalen und internationalen Klimaziele ist ein umfassender Wandel im Mobilitätssystem erforderlich. Hierbei spielen virtuelle Mobilitätsformen eine wichtige Rolle, da sie grundsätzlich in der Lage sind, Verkehr zu vermeiden und Emissionen zu reduzieren. Das volle Potenzial ent­falten diese digitalen Alternativen jedoch nur, wenn sie nicht durch indirekte oder direkte Rebound-Effekte abgeschwächt werden.

Die Studie „GReVity – Ganzheitliche verhaltensorientierte Lösungsansätze für Rebound-Management im Bereich Virtual Mobility“ untersucht umfassend das Potenzial virtueller Mobilitätsformen zur Reduktion verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen in Österreich. Dabei stehen insbesondere Homeoffice, Onlinemeetings und Onlineshopping im Fokus – drei Formen digitaler Mobilität, die durch technische Entwicklungen und gesellschaftliche Veränderungen (insbesondere während und nach der COVID-19-Pandemie) an Bedeutung gewonnen haben. Ziel der Untersuchung ist es, nicht nur die direkten verkehrs- und um­weltbezogenen Einsparungen zu quantifizieren, sondern auch jene sogenannten Rebound-Effekte zu identifizieren und zu bewerten, die die Einsparpotenziale mindern oder sogar aufheben können. Rebound-Effekte entstehen, wenn Effizienzgewinne – beispielsweise durch den Wegfall von Arbeitswegen durch Homeoffice – durch neue Aktivitäten kompensiert werden, wie etwa vermehrte Freizeitfahrten oder eine längere Distanz zwischen Wohnung und Arbeitsort. Dadurch verringert sich die erwartete Umweltentlastung erheblich oder wird sogar überkompensiert („Backfiring“).

Die Studie setzt daher auf einen interdisziplinären Ansatz, bei dem Erkenntnisse aus Psychologie, Soziologie, Verkehrsplanung und Umweltwissenschaften zusammengeführt werden. Zunächst wurden in einer umfangreichen Literaturrecherche die häufigsten Rebound-Effekte identifiziert und typologisiert. Dabei wurde zwischen direkten, indirekten und makroökonomischen Rebound-Effekten unterschieden. Besonders deutlich zeigen sich Rebound-Effekte im Zusammenhang mit Homeoffice: Hier kann durch den Wegfall täglicher Arbeitswege neue Freizeitmobilität entstehen oder sich der Wohnstandort weiter vom Arbeitsplatz entfernen, was wiederum längere Wege zur Folge hat. Ähnliche Kompensationseffekte treten beim Onlineshopping auf, insbesondere durch den Anstieg von Lieferverkehr und Retouren. Onlinemeetings und Telekonferenzen dagegen zeigen nur geringe oder kaum quantifizierbare verkehrsbedingte Rebound-Effekte, allerdings sind potenzielle indirekte Effekte – etwa durch erhöhten Energieverbrauch bei Datenübertra­gun­gen – nicht auszuschließen.

Ein zentrales Element der Studie bildet die Wirkungsanalyse, die mithilfe eines eigens entwickelten Verkehrswirkungsmodells durchgeführt wurde. In diesem Modell wurden acht konkrete Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hinsichtlich der Reduktion von Rebound-Effekten analysiert. Diese Maßnahmen lauten:


M1 Erhöhung der Mineralölsteuer
M2 Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel
M3 Ausbau der Geh- und Radwege
M4 Einführung der 15-Minuten-Stadt/-Siedlung
M5 Bepreisung von Retouren
M6 Freiwillige Wahl nachhaltiger Lieferoptionen (kostenfrei)
M7 Freiwillige Wahl nachhaltiger Lieferoptionen (kostenpflichtig)
M8 Verlangsamung des Pkw-Verkehrs




Die in nachfolgender Tabelle aufgelisteten Maßnahmenpotenziale zur Eindämmung von Rebound-Effekten basieren auf potenziellen Emissionseinsparungen in der Höhe von 200.000 t CO 2 bei Onlineshopping, 234.000 t CO 2 bei Homeoffice und 131.000 t CO 2 bei Onlinemeetings und Telekonferenzen, die durch Rebound-Effekte wieder um rund 59 %, 35 % bzw. 0,3 % reduziert werden. Die Ergebnisse der Modellrechnung zeigen, dass insbesondere Maßnahmen im Bereich Onlineshopping (M5, M6) und Homeoffice (M1, M4, M8) geeignet sind, Rebound-Effekte signifikant zu mindern und damit zu einer tatsächlichen Reduktion der Emissionen beizutragen. Besonders die Maßnahme M5 („Bepreisung von Retouren“) weist ein hohes Minderungspotenzial auf, ebenso wie M6 („Freiwillige Wahl nachhaltiger Lieferoptionen“).





Maßnahme


Onlineshopping

In t CO 2


Homeoffice

In t CO 2


Onlinemeetings
Telekonferenzen

In t CO 2




M1


-


-4.100


-4




M2


-


-3.000


-3




M3


-


-2.400


-9




M4


-


-3.600


-13




M5


-10.000


-


-




M6


-10.700


-


-




M7


-2.800


-


-




M8


-


-9.800


-10




Summe


-23.500


-22.900


-39







Neben der quantitativen Analyse wurde im Rahmen der Studie auch eine qualitative Bewertung vorgenommen. In einer Online-Befragung von über 900 Bürger:innen wurden Akzeptanz, Relevanz und Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen erhoben. Ergänzt wurde dies durch einen Stakeholder-Workshop mit Expert:innen aus Wissen­schaft, Verwaltung und Praxis. Dabei wurde deutlich, dass Maßnahmen wie die Verteue­rung von Autofahrten oder eine flächendeckende Umstellung auf emissionsarme Liefe­rungen zwar als relevant eingeschätzt werden, ihre gesellschaftliche und politische Umsetzbarkeit jedoch teilweise kritisch gesehen wird. Die größten Barrieren wurden bei Maßnahmen identifiziert, die eine Verhaltensänderung erfordern und persönliche Gewohnheiten oder Bequemlichkeiten betreffen – beispielsweise die Umstellung auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Vermeiden häufiger Online-Retouren. Hier spielt laut der Studie die Motivation der Individuen eine zentrale Rolle – ein Faktor, der im COM-B-Modell (Capability, Opportunity, Motivation – Behavior) als einer der Schlüsseldimensio­nen für Verhaltensänderung angesehen wird.

Basierend auf den Wirkungsanalysen und der Akzeptanzbewertung wurde ein Maßnah­men­ranking erstellt. Am besten bewertet wurden dabei M6 (freiwillige Wahl nachhaltiger Lieferoptionen – kostenfrei), M5 (Bepreisung von Retouren), M8 (Verlangsamung des Pkw-Verkehrs) und M1 (Erhöhung der Mineralölsteuer). Diese Maßnahmen zeichnen sich durch ein ausgewogenes Verhältnis von Wirkungsstärke und Umsetzbarkeit aus. Im letzten Schritt der Studie wurden für diese priorisierten Maßnahmen detaillierte Umset­zungs­schritte inklusive Verantwortlichkeiten, Zeitplänen und Kommunikationsstrategien ausgearbeitet. Hierzu zählen etwa gesetzliche Anpassungen, technische Umstellungen, gezielte Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Monitoringmaßnahmen.

Insgesamt liefert die GReVity-Studie ein fundiertes Konzept für ein wirksames Rebound-Management im Bereich virtueller Mobilität. Sie zeigt auf, dass digitale Mobilitätsformen einen wichtigen Beitrag zu Verkehrsvermeidung und Klimaschutz leisten können – vorausgesetzt, die Rebound-Effekte werden systematisch analysiert und durch geeignete Maßnahmen kontrolliert. Die Ergebnisse bieten wertvolle Impulse für die Weiterent­wicklung nationaler Verkehrs-, Energie- und Klimastrategien und sollen in entsprechende politische Entscheidungsprozesse einfließen.