NEBKrit
Qualitätskriterien für Gebäude und Quartiere auf Basis des New European Bauhaus
Programm / Ausschreibung | Energie- u. Umwelttechnologien, Energie- u. Umwelttechnologien, Stadt der Zukunft Ausschreibung 2022 | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.05.2023 | Projektende | 31.05.2024 |
Zeitraum | 2023 - 2024 | Projektlaufzeit | 13 Monate |
Keywords | Architektur; Städtebau; Qualitätskriterien; Ästhetik; soziale Inklusion |
Projektbeschreibung
Ziel ist es, Bewertungskriterien für geförderte Demonstrationsgebäude und -quartiere zu entwickeln. Dabei soll auf bestehende Gebäudebewertungsprogramme Bezug genommen und Kompatibilität hergestellt werden. Neben den eingeführten Nachhaltigkeitskriterien sollen Ästhetik und soziale Inklusion bewertet werden.
Die heute notwendige Transformation soll nicht nur ein Umwelt- und Wirtschaftsprojekt, sondern muss auch ein neues Kulturprojekt für Europa werden (von der Leyen 2020). In diesem Sinne ist die Mission klimaneutrale Stadt notwendigerweise mit Ästhetik und sozialer Inklusion verknüpft. Heutige Bewertungssysteme konzentrieren sich auf Nachhaltigkeit. Die Innovation dieses Projekts liegt in der Verbindung dieser drei Bereiche als Weiterentwicklung und Verknüpfung etablierter Modelle. Für das Kriterium der Ästhetik wird vorgeschlagen, von einigen der 8 Kriterien für eine hohe Baukultur des Davos Baukultur Qualitätssystems (DBQS) auszugehen. Das DBQS wurde bereits im Zuge des Vierten Baukulturreports (BMKÖS 2021:74ff.) auf die österreichische Situation übertragen. Mit Bezug auf aktuelle baukulturpolitische Zielvorstellungen und die klimaaktiv Bewertungsmethode soll deshalb das DBQS an die österreichischen und aktuellen Rahmenbedingungen angepasst werden. Für das Kriterium der sozialen Inklusion soll einerseits im Bereich des Wohnbaus von bestehenden Bewertungssystemen für soziale Aspekte des Bauens ausgegangen werden. Für den Aspekt der Diversität braucht es andererseits Bewertungsperspektiven, die Fragen der Segregation, der Nutzungsmischung/Nutzungsoffenheit und Potenziale des öffentlichen Raums ansprechen.
Als Resultat wird ein neues Bewertungsmodell für Ästhetik und soziale Inklusion angestrebt, das mit bestehenden Nachhaltigkeitskriterien (klimaaktiv) sowie aktuellen politischen Rahmenbedingungen (EU-Taxonomie) kompatibel ist, effizient und effektiv anwendbar ist und ein umfassendes Bild der Qualität von Gebäuden sowie Stadtteilen und Siedlungen liefert.
Abstract
The aim is to develop assessment criteria for subsidized demonstration buildings and quarters. In doing so, reference is to be made to existing building assessment programs and compatibility is to be established. In addition to existing sustainability criteria, aesthetics and social inclusion are to be assessed.
The transformation necessary today should not only be an environmental and economic project, but must also become a new cultural project for Europe (von der Leyen 2020). In this sense, the mission of a climate-neutral city is necessarily linked to aesthetics and social inclusion. Today's rating systems focus on sustainability. The innovation of this project lies in the combination of these three areas as a further development and linking of established models. For the criterion of aesthetics, it is proposed to start from some of the 8 criteria for high building culture of the Davos Building Culture Quality System (DBQS). The DBQS was already transferred to the Austrian situation in the Fourth Building Culture Report (BMKÖS 2021:74ff.). With reference to current building culture policy objectives and the klimaaktiv assessment method, the DBQS is therefore to be adapted to the Austrian and current framework conditions. For the criterion of social inclusion, existing assessment systems for social aspects of building should be used as a basis in the field of subsidized residential construction. For the aspect of diversity, on the other hand, assessment perspectives are needed that address questions of segregation, mixed use/open use and potentials of public space.
As a result, a new assessment model for aesthetics and social inclusion is sought that is compatible with existing sustainability criteria (klimaaktiv) as well as current political framework conditions (EU taxonomy), that can be applied efficiently and effectively and that provides a comprehensive picture of the quality of buildings as well as urban districts and settlements.
Endberichtkurzfassung
Motivation und Forschungsfrage
Im Rahmen des Projekts sollten Qualitäts-, Bewertungs- und Evaluierungskriterien für öffentlich geförderte Demonstrationsgebäude und -quartiere geliefert werden. Neben den bereits eingeführten Nachhaltigkeitskriterien sollen Ästhetik und soziale Inklusion bewertet werden, um so ein umfassendes Bild der baukulturellen Qualität von Bauprojekten zu erhalten. Diese Perspektive basiert auf den Werten des New European Bauhaus (NEB): Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion.
Ausgangssituation
Baukultur ist ein ganzheitlicher Begriff, der eine Vielzahl von Aspekten umfasst, die je nach Anwendungsfall unterschiedlich große Bedeutung besitzen. Er ist somit nur schwer in ein Kategoriensystem zu integrieren. Das Davos Qualitätssystem (BAK 2021), ein relativ neuer und umfassender Ansatz, enthält acht Dimensionen (Gouvernanz, Funktionalität, Umwelt, Wirtschaft, Vielfalt, Kontext, Genius loci, Schönheit), die sowohl Nachhaltigkeit als auch Ästhetik beinhalten. Allerdings wird das Thema Inklusion durch die Dimension Vielfalt hier nicht erschöpfend abgebildet.
Projektinhalte
Mit dem vorliegenden Projekt wird vorgeschlagen, die Dimensionen der Ästhetik und sozialen Inklusion jener der Nachhaltigkeit auf Basis der Bewertungsmethodik der EU-Taxonomie gleichwertig zur Seite zu stellen. Diese Eingliederung stellt das System auf eine bereits europaweit etablierte, rechtlich abgesicherte Grundlage, mit der bestehende Bewertungs- und Zertifizierungssysteme im Baubereich eine grundsätzliche Harmonisierung anstreben.
Methodische Vorgangsweise
Zunächst wurden bestehende Bewertungssysteme in den Bereichen ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion untersucht. In zwei Expert*innen-Workshops wurden mögliche Kriterien und Bewertungsprozesse diskutiert. Auf Basis der Analyse und der Workshops wurde schließlich ein Kriterien- und Bewertungsmodell entwickelt, das mittels eines praktischen Durchgangs von Testbeschreibungen und Testbewertungen für insgesamt sechs Projektbeispiele (jeweils zwei aus den Bereichen Neubau, Sanierung, Quartier) erprobt und evaluiert wurde. Anhand der Resultate dieser Evaluierung wurde schließlich das finale Modell erstellt.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Das konsolidierte Kategorienmodell umfasst 14 Kategorien mit insgesamt 37 Kriterien für die drei Dimensionen ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion; plus die offene Kategorie Innovation als zusätzliche Dimension. Die Dimension ökologische Nachhaltigkeit wurde dabei mit sechs Kategorien in Anlehnung an die sechs Umweltziele der EU-Taxonomie definiert.
Bewertungsgrundlage (Anforderungen)
Die Bewertung der Projekte soll von einer Selbstbeschreibung durch das jeweilige Projektteam ausgehen. Dafür wird ein Fragebogen bereitgestellt, der für die drei Dimensionen der Bewertung Kategorien und zu berücksichtigende Thematiken vorgibt. Für jede Kategorie soll ein kurzer Text eingefügt werden, der zu den wichtigsten Aspekten darstellt, wie diese durch das Projekt eingelöst werden sollen. Zusätzlich wird eine plangrafische Darstellung des Projekts notwendig sein.
Vorgangsweise
Die Bewertung gliedert sich in zwei Durchgänge: Zunächst eine Vorbewertung durch Fachexpert*innen für die zu bewertenden Dimensionen, die jeweils getrennt für die Dimensionen durchgeführt wird; anschließend eine finale Bewertung durch ein interdisziplinäres Gremium, dessen Kompetenzen alle relevanten Kategorien abdecken.
Vorbewertung
Die Vorbewertung soll durch sechs Personen erfolgen, die jeweils für sich die Selbstbeschreibungen begutachten und eine grobe Bewertung vornehmen. Alle Einstufungen werden in Form einer Ampelmatrix dargestellt.
Hauptbewertung
Die Hauptbewertung erfolgt durch ein interdisziplinäres Gremium aus zumindest sieben unabhängigen Expert*innen, die gemeinsam alle bewerteten Kategorien fachlich beurteilen können. Diese sollen nicht identisch mit den Expert*innen der Vorbewertung sein. Dem Gremium werden die vorbewerteten Projekte und ihre Einstufung kurz vorgestellt. Das Gremium diskutiert dann das jeweilige Projekt kurz und bestätigt entweder die Einstufung aus der Vorbewertung oder verändert sie. Bei der Sitzung des Gremiums sind die Expert*innen der Vorbewertung anwesend, um ggf. Fragen hinsichtlich ihrer Einstufung beantworten zu können. Wenn nach Durchgang durch alle Projekte mehr Projekte in der höchsten Stufe bleiben, als gefördert werden können, werden abschließend die Projekte vom Gremium systemisch konsensiert. D. h. alle Gremiumsmitglieder vergeben für jedes Projekt in den höchsten Stufen 0 (kein Widerstand) bis 10 (starker Widerstand) Widerstandspunkte – sie bewerten somit, wie sehr sie eine Förderung des jeweiligen Projekts ablehnen. Diese Punkte werden abschließend summiert und die Projekte anhand der Punkte gereiht.
Evaluierung im laufenden Prozess und Stop-and-Go-Termine
Eine Evaluierung und fachliche Begleitung der geförderten Projekte und des weiteren Entwicklungs- und Umsetzungsprozesses nach der Förderentscheidung ist sinnvoll. Zusätzlich sollen Stop-and-Go-Meilensteine festgesetzt werden, bei denen die beauftragten Projektwerber*innen nachweisen müssen, ob die in der Einreichung angekündigten Maßnahmen eingehalten wurden.
Abschlussevaluierung nach Fertigstellung
Nach Projektabschluss sollte jedes geförderte Projekt nochmals von den Projektwerber*innen auf Basis des Fragebogens selbst beschrieben und anschließend von möglichst denselben Expert*innen wiederum vorbewertet werden.
Schlussfolgerungen
Die breite, ganzheitliche Bewertung, die sich durch die Kombination der Kriterien für ökologische Nachhaltigkeit, Ästhetik und soziale Inklusion sowie durch die qualitative Perspektive ergibt, erlaubt eine bessere Bewertung von Architekturprojekten, als das sektorale und rein quantitativ ausgerichtete Bewertungsmodelle zulassen. Die Wirkung eines Architekturprojekts ergibt sich immer im Zusammenspiel der drei Säulen. Das ist nicht zuletzt eine der wichtigsten Grundideen des NEB. Eine solche ganzheitliche, qualitative Bewertung ist auch der konzeptionellen, strategischen Planungsstufe angemessen, in der sich die meisten Projekte befinden werden, die mit dem vorgeschlagenen Modell bewertet werden sollen. Das Modell folgt den drei Dimensionen des NEB und integriert die drei Arbeitsprinzipien des NEB (Partizipation, Transdisziplinarität, Mehrebenen-Engagement). Bei der Entwicklung des Kriterienmodells hat sich gezeigt, dass es für die Bewertung der ästhetischen Kriterien und (der meisten) Kriterien der sozialen Inklusion jedenfalls eine qualitative Vorgangsweise braucht. Die Kriterien der ökologischen Nachhaltigkeit können dem gegenüber immer wieder auf Quantifizierbares zurückgeführt werden. Im Unterschied zu diesen potenziell quantifizierbaren Indikatoren ist Vergleichbares im Bereich von Ästhetik und sozialer Inklusion nicht möglich. Für die Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit wurde im vorliegenden Bewertungsmodell nicht einfach eine bestehende Vorgangsweise übernommen, sondern ein adaptiertes Modell entwickelt, um die Anschlussfähigkeit an europäische Systeme zu sichern. Für österreichische Einreicher*innen wurde bei allen relevanten Kriterien auf des wichtigste österreichische Bewertungsmodell für ökologische Nachhaltigkeit, klimaaktiv, verwiesen. Generell kann festgestellt werden, dass es für den Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit eine Vielfalt von Bewertungsmodellen gibt. Ähnlich gibt es lange etablierte und gut funktionierte Bewertungsmethoden für Fragen der architektonischen Ästhetik in Form des Architekturwettbewerbs. Für den Bereich des Sozialen existieren keine vergleichbaren etablierten Bewertungsformen. Ein wichtiger Aspekt des vorgeschlagenen Bewertungsmodells ist, dass es nicht nur zur externen Bewertung dienen kann, sondern auch als eine Art Leitfaden für die Selbsteinschätzung von Projektkonzeptionen funktioniert. Zentral für den Erfolg des vorgeschlagenen Modells sind jedenfalls sowohl die Zusammensetzung des Bewertungsgremiums als auch das breite Kriterienmodell und der iterative Bewertungsmodus .
Ausblick
Weitere Forschung und Entwicklung ist sinnvoll für die Übertragung des vorliegenden Bewertungsmodells in den Quartiersmaßstab. Weiters sollte auf europäischer Ebene eine umfassendere Untersuchung über bestehende Bewertungsmodelle unternommen sowie eine Zusammenführung sämtlicher Aktivitäten zur Qualifizierung für das NEB betrieben werden. Ebenso ist eine Weiterentwicklung hinsichtlich breiterer sozialer Kriterien sinnvoll. Schließlich sollte untersucht und praktisch erprobt werden, wie derartige breite und qualitative Bewertungsmodelle für andere Förderungen eingesetzt werden können.