e-Panini
Elektronische Plattform eines Bezugsberechtigungssystems für Güter, Produkte und Dienstleistungen
Programm / Ausschreibung | KIRAS, Kooperative F&E-Projekte, KIRAS Kooperative F&E-Projekte 2021 | Status | laufend |
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Projektstart | 01.03.2023 | Projektende | 30.06.2025 |
Zeitraum | 2023 - 2025 | Projektlaufzeit | 28 Monate |
Keywords | Versorgung, Krise, Logistik, Verteilung, Bezugsberechtigung |
Projektbeschreibung
Um in Krisenfällen die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern als auch Dienstleistungen und der Unternehmen mit notwendigen Vorprodukten (Roh-, Halb- und Fertigfabrikate) langfristig zu gewährleisten, bedarf es bei kritischen Versorgungsengpässen und einem Versagen der üblichen Marktmechanismen eines belastbaren und fälschungssicheren Verteilungssystems. Nach über 50 Jahren soll dieses grundsätzlich noch vorhandene System der Bezugsberechtigungen in Papierform („Lebensmittelmarken“) durch ein neues digital unterstütztes System ersetzt werden. Die Voraussetzungen für eine spätere mögliche Implementierung dieses Systems zu erörtern und eine Machbarkeit zu untersuchen, sind zentraler Inhalt dieses Projektvorhabens.
Dazu ist es erforderlich, ein grundlegendes Konzept für Bezugsberechtigungen auf Basis von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) und den dafür geeigneten technologischen Bausteinen zu erarbeiten. Dies zum Anlass nehmend, müssen die aktuellen Normbedarfe aus den 1950er und 1960er-Jahren neu gestaltet und angepasst werden, sie es bei Lebensmittel, Hygieneprodukten, Medizin- und Arzneibedarfe oder Dienstleistungen im Rahmen der Deckung von Grundbedürfnissen, differenziert nach Kriterien der EndverbraucherInnen. Dieses IKT-Bezugsberechtigungskonzept soll flexibel für verschiedenste Katastrophen- und Krisenszenarien (zB Blackout, Internetausfälle, vernetzte Krisen) einsetzbar sein und im Falle von Mangellagen eine möglichst faire und effiziente Verteilung von Gütern und Dienstleistungen sicherstellen. Ein derartiges Konzept erlaubt theoretisch eine bedarfsangepasste rasche Kontingentierung, Abstimmung auf die aktuellen Bedürfnisse der Bevölkerung und der Unternehmen sowie eine Steuerung und Monitoring in Echtzeit, wenn anverwandte IKT-Systeme wie Distributions- und Logistiksysteme, Lagerbewirtschaftungen und Verteilungssysteme angebunden werden können.
Neben diesen Vorteilen entstehen andererseits allerdings neue Risiken bei der Einführung eines digitalen IKT-Konzepts. Es muss Missbrauchs- und fälschungssicher gestaltet sein, Security-by-Design-Prinzipien folgen und dennoch typische Anwendungsfälle berücksichtigen (zB Tausch, Nachbarschaftshilfe). Neben einer resilienten und redundanten Ausgestaltung muss auch ein temporärer Offline-Inselbetrieb ermöglicht werden, insbesondere bei großflächigem IKT-Ausfall, und danach eine konsistente Datensynchronisation gewährleistet werden.
Aus den Erfahrungen der Pandemie in den letzten beiden Jahren wird in diesem Projektvorhaben explizit auch die Frage nach den gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen beim Einsatz eines IKT-Konzepts gestellt. Neben Gestaltungsfragen, wie ein solches digitales Konzept von möglichst allen Bevölkerungsteilen verwendet werden kann – also nicht nur von IT-affinen „Digital Natives“ – wird analysiert, wie das mögliche Design einen niederschwelligen Gebrauch durch breite Bevölkerungsschichten unterstützen und Verhaltensweisen von Menschen in unsicheren wirtschaftlichen Mangellagen (zB Schwarzmarktbildung, Tauschwirtschaft) möglichst berücksichtigen kann. Außerdem wird erörtert, wie das IKT-Bezugsberechtigungskonzept in die öffentliche Verwaltung, insbesondere im Kontext der für Wirtschaftslenkung verantwortlichen Bundesministerien, sowie in den föderalen Strukturen eingebettet und sicher betrieben werden kann.
Ein solches IKT-Bezugsberechtigungskonzept bildet einen wesentlichen Baustein in der Modernisierung der wirtschaftlichen Krisenvorsorge unter Berücksichtigung der digitalen Abhängigkeit des gesellschaftlichen Lebens in Österreich und der Sicherheit der Bevölkerung.
Abstract
To guarantee the sustainable supply of essential goods and services to the population and of essential primary products (raw materials, semi-finished and finished products) to companies in times of crisis, a resilient and forgery-proof distribution system is required in the event of critical supply shortages and a failure of the usual market mechanisms. After more than 50 years, this system of rationing in paper form ("food stamps"), which still exists in principle, is to be replaced by a new and digitally supported system. The central content of this project is to discuss the prerequisites for a possible subsequential implementation of this system and to investigate its feasibility.
For this purpose, it is necessary to develop a basic concept for a voucher system based on information and communication technology (ICT) and the appropriate technological components. Considering this, the current standard requirements from the 1950s and 1960s must be redesigned and adapted, be it for food, hygiene products, medical and pharmaceutical supplies, or services in the context of covering basic needs, differentiated by objective criteria of the end consumers. This ICT entitlement concept should be flexible enough to be used in a wide variety of disaster and crisis scenarios (e.g., blackouts, internet failures, networked crises) and ensure the fairest and most efficient distribution of goods and services in the event of shortages. Such a concept theoretically allows for a demand-orientated rapid allocation, coordination in line with the current needs of the population and businesses, as well as control and monitoring in real time, if related ICT systems such as distribution and logistics systems, warehouse management and distribution systems can be connected.
In addition to these advantages, however, new risks arise when introducing a digital ICT concept. It must be designed to be abuse- and forgery-proof, follow security-by-design principles and still support specific special applications (e.g., barter, neighbourhood assistance). In addition to a resilient and redundant design, temporary offline island operation must also be made possible, especially in the event of large-scale ICT failure, and consistent data synchronisation must be guaranteed afterwards.
Based on the experiences of the pandemic in the last two years, this project explicitly asks about the societal and social effects of using an ICT concept. In addition to design questions on how such a digital concept can be used by as many parts of the population as possible - i.e., not only by IT-savvy "digital natives" – it will be analysed how a possible design can support low-threshold use by people and takes into account behavioral patterns of people in uncertain economic shortages (e.g., black market formation, barter economy) as much as possible. It also discusses how the ICT entitlement concept can be embedded and safely operated in public administration, especially in the context of the federal ministries responsible for economic governance, as well as in federal structures.
This ICT reference authorisation concept forms an essential building block in the modernisation of economic crisis prevention, taking into account the digital dependency of social life in Austria and the security of the population.
Endberichtkurzfassung
Um in Krisenfällen die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern als auch Dienstleistungen und in zweiter Linie der Unternehmen mit notwendigen Vorprodukten (Roh-, Halb- und Fertigfabrikate) langfristig zu gewährleisten, bedarf es bei kritischen Versorgungsengpässen und einem Versagen der üblichen Marktmechanismen eines belastbaren und fälschungssicheren Verteilungssystems. Nach über 50 Jahren sollte dieses grundsätzlich noch vorhandene System der Bezugsberechtigungen in Papierform („Lebensmittelmarken“) durch ein neues digital unterstütztes Framework ersetzt werden. Die Voraussetzungen für eine spätere mögliche Implementierung wurden erörtert und eine Machbarkeit untersucht.
Das Projekt erarbeitete ein zeitgemäßes IKT-Konzept für ein Bezugsberechtigungssystem für Güter und Services in wirtschaftlichen Mangellagen, das flexibel auf das vorhandene Angebot und den differenzierten Bedarf der Bevölkerung reagieren kann, möglichst vorhandene Daten und IT-Systeme von Distributionsstellen und Behörden nutzt und zudem so resilient gestaltet ist, um auch unter widrigen Betriebsbedingungen wie etwa temporären Blackout, Insel- oder Offline-Betrieb zu funktionieren.
Folgende Projektteilergebnisse wurden in organisationsübergreifenden Arbeitsgruppen erarbeitet und können durch die Bedarfsträger weiterverwendet und vertieft werden.
AP2 / D2.1 Rahmenbedingungen (Scoping, Aufbereitung der Ausgangssituation)
Differenzierungen der Bevölkerungsstruktur, Wirtschaftssubjekte, (kritische) Güter und Dienstleistungen, Ernährung, Verhaltensaspekte
Diskussion der Normbedarfe
Aktuelles Instrumentarium auf gesetzlicher Basis, insbesondere Lenkungsmaßnahmenportfolio
Berichts- und Statusfeststellungen bei Lebensmitteln, Produktgruppen
Rudimentäre Akteursanalyse
Bestandsaufnahme über den Einsatz von analogen, digitalen oder hybriden Bezugsberechtigungssystemen bei den europäischen Partnern
Diskussion von möglichen Datenquellen, die potenziell an das System angebunden können.
Grundsätzliche Diskussion potenzieller technischer Architekturparadigmen, die zur Anwendung kommen könnten.
Erste Annäherung von möglichen Prozessphasen in einer wirtschaftlichen Mangelsituation
Leitlinien für Use-Case-Gestaltungen für wirtschaftliche Mangellagen
Erstes Architekturgrobkonzept
AP3 / D3.1 Architekturmodell (technische Perspektive und Realisierbarkeit)
Diskussion von systemparadigmischen Überlegungen: Top-Down, Bottom-Up, Offline- oder Online-System, grundlegende Funktionalitäten
Technisches Architekturmodell in unterschiedlichen Abstraktionsebenen
Anforderungskatalog mit Kategorisierung von prozessualen, service-orientierten, situativen und technischen Anforderungen
Sammlung erforderlicher und optionaler Funktionalitäten des Systems
Definition von Benutzer:innengruppen
Diskussion von Fallback-(Teil-)-Analoglösungen, z.B. im Blackoutfall
Auflistung technischer Aspekte, vor allem im Hinblick auf Resilienz und Sicherheit sowie Privacy als auch widrigen Betriebszuständen
Analyse der Anforderungen von und Nutzung für die individuelle CO 2 -Allokation von Individuen, Vergleich der Anforderungen und Funktionalitäten beider Systemkonzepte
Verifikation des Prozessmodells aus AP4 anhand des Use Cases aus technischer Perspektive und Abgleich des Outputs
Schnittstellenkatalog, Auflistung der erforderlichen Datenaustausche
AP4 / D4.1 Prozessmodell (ablauforganisatorische Perspektive und Anwendbarkeit)
Prozessplanungsaspekte, Personae in der Systemnutzung
Erarbeitung von Prozessphasen in einer wirtschaftlichen Mangellage und Abgleich und Harmonisierung mit der technischen Perspektive aus AP3
Darstellung der angewendeten Prozessentwicklungsmethodik im Rahmen von Workshops und Feedbackrunden unter intensiver Beteiligung der Projektpartner
Entwicklung von Prozessbildern unter Berücksichtigung der Verantwortlichkeiten in Swimlanes, Input, Output, Aktivitäten, Kommunikationsfluss
Einarbeitung von kritischen Durchsichten und Feedbackrunden
AP5 / D5.1 Soziologische Aspekte (soziotechnische und interorganisationale Konstellation, soziale Dynamik der Nutzung)
Entwicklung von plakativen Personae für weiterführende Analysen in anderen Arbeitspaketen
Darstellung der Lernerfahrungen von Hilfsorganisationen zur Technologienutzung in Krisen
Diskussion der Technologienutzung und digitale Kompetenz in Österreich
Möglichkeiten der Nutzung des Systems in alternativen Anwendungskontexten
Diskussion des Umgangs mit Benutzergruppen, die das digitale System nicht nutzen können oder wollen
Interorganisationales Zusammenspiel, Abhängigkeiten
Unterschiedliche Zustände in der Mangellage (Hot und Cold Phase)
Implikationen und Erfahrungen aus der Krisenversorgung
Governance und Organisation von Schnittstellen
Diskussion verschiedener sozialer Dynamiken der Nutzung: Missbrauch, Schwarzmarktbildung, Panikkäufe (Hamstern), Preisgestaltung, Krisenkommunikation
Diskussion der rechtlichen Situation, Überlegungen zu einer Schubladenverordnung für Bezugsberechtigungen
AP6 / D6.1 Demonstrator (technische Machbarkeit, Look and Feel)
Beispielhafte Implementierung von ausgewählten Funktionen in Form eines Demonstrators
IoS-Smartphone-App, Distributor- und Management-(Behörden)-Webseite
Technische Dokumentation des Demonstrators
Testdokumentation: Arten, Fälle, Durchführung, Ergebnisse, Bewertung, Empfehlung, Re-tests
Detaillierte Benutzerdokumentation je nach Benutzergruppe: Benutzer:in, Distributor:in, Gemeindevertreter:in, öffentliche Verwaltung, IT-Service-Provider – strukturiert nach konkreten Anwendungsfällen
Grundsätzlich verbindet das erarbeitete IKT-Bezugsberechtigungskonzept
die differenzierten Anforderungen (der Bevölkerung)
mit den unterschiedlichen Produkten (der Hersteller), die in die Mangelgutkategorie fallen,
mit den Informationen über vorhandene Produktmengen (der Lieferanten und Verteiler),
berücksichtigt die Veränderungen über die Dauer der wirtschaftlichen Mangellage (Angebot, Nachfrage, Bedarf),
gibt aktuelle Informationen über Reports sowie die Möglichkeit zur Intervention und Anpassung während der Einsatzzeit (durch die Behörde)
und bezieht jeweils aktuelle Rahmenbedingungen (soziale Verhaltensweisen, Logistik) ein.
Das im Projekt erarbeitete Konzept ist überall dann einsetzbar, wenn es darum geht, nicht in ausreichender Menge vorhandene Güter oder Services möglichst bedarfsoptimiert auf einen Empfängerkreis zu verteilen und auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können. Es ist flexibel parametrisierbar (welches Mangelgut umfasst welche Produkte oder welche Dienstleistung, welches Kontingent für welchen Zeitraum, welcher Adressatenkreis) für jegliche wirtschaftliche Mangellagen.