SLIMobility
Systemintegrierende Lösungsansätze für Innovationsbarrieren neuer Mobilitätsdienstleistungen
Programm / Ausschreibung | Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 18. Ausschreibung (2021) PM, System Bahn | Status | abgeschlossen |
---|---|---|---|
Projektstart | 01.10.2022 | Projektende | 31.12.2023 |
Zeitraum | 2022 - 2023 | Projektlaufzeit | 15 Monate |
Keywords | NMDL, Innovationsbarrieren, rechtlicher Rahmen, Organisationsstruktur |
Projektbeschreibung
Innovationshemmnisse für Neue Mobilitätsdienstleistungen (NMDL) werden aus verschiedenen Disziplinen und Gesichtspunkten betrachtet. Die Forschung untersucht einzelne Typen von NMDL, zB Sharing, Mikro-ÖV oder Mobility as a Service, und kommt – je nach Disziplin und Betrachtungsweise – zu unterschiedliche Definitionen und Ergebnissen betreffend die Innovationsbarrieren. Dieser Zugang der Einzelbetrachtung ist nachvollziehbar, es fehlt jedoch bislang für die österreichischen rechtlichen Rahmenbedingungen und Organisationsstrukturen eine gesamtheitliche Betrachtung auf die NMDL, die übergeordnete Fragestellungen, wie die Verfügbarkeit von die NMDL übergreifenden Infrastrukturvoraussetzungen (zB mobility hubs), die Vernetzungsmöglichkeiten von NMDL untereinander (zB durch MaaS), aber auch die Verknüpfung der NMDL mit den bestehenden Strukturen im Mobilitätssektor (insb ÖV) sowie anderen mit der Mobilität eng in Zusammenhang stehenden Systemen (insb Wohnen und Arbeiten) in den Blick nimmt.
Zu fragen ist, wie sich diese Systemintegrationen auf die Innovationsentwicklung, im Besonderen auf eine entsprechende Marktdiffusion (= breite Etablierung am Markt) der NMDL auswirken.
Dazu braucht es einen holistischen Zugang zu dem Thema, welcher wiederum in einem ersten Schritt eine disziplinenübergreifende systematisierte und strukturierte Aufarbeitung der bislang erfassten Innovationsbarrieren benötigt, um auf dieser Basis die übergeordneten Fragen der Systemintegration als Innovationsbarriere zu analysieren.
Ziel und wesentlicher Innovationsgehalt des Projekts ist, eine ganzheitliche Betrachtung auf die NMDL und auf dieser Basis ein fortzuschreibendes Kompendium zu entwickeln, das wiederum als Grundlage für die Konzeption eines rechtlichen und organisatorischen Rahmens herangezogen werden kann, der a) Räume für die Entwicklung weiterer NMDL schafft, b) die breite Etablierung bestehender NMDL am Markt befördert und c) deren Etablierung als sinnvolle und klimawirksame Ergänzung zum bestehenden ÖV Angebot gewährleistet.
Abstract
Barriers to innovation for New Mobility Services are considered from different disciplines and viewpoints. The research examines individual types of New Mobility Services e.g. sharing, micro public transport or mobility as a service, and comes up with - depending on the discipline and approach - different definitions and results regarding the barriers to innovation. This approach of individual analysis is comprehensible. However, there has been no holistic view of the Austrian legal framework and organizational structures to date that takes into account overarching questions such as the availability of infrastructure requirements that span the New Mobility Services (e.g. mobility hubs), the possibilities of coordinating New Mobility Services (e.g. through MaaS), but also the linking of New Mobility Services with existing structures in the mobility sector (especially public transport) as well as other systems closely related to mobility (especially housing and work).
The question is how these system integrations affect the development of innovation, in particular the corresponding market diffusion (= widespread market implementation) of New Mobility Services.
This requires a holistic approach to the topic, which in turn requires, as a first step, a cross-disciplinary, systematized and structured review of the barriers to innovation that have been recorded to date, in order to analyze the overarching issues of system integration as a barrier to innovation on this basis.
The goal and essential innovation content of the project is to develop a holistic view of New Mobility Services and, on this basis, a living compendium, which in turn can be used as a basis for the conception of a legal and organizational framework that a) creates space for the development of further New Mobility Services, b) promotes the broad establishment of existing New Mobility Services on the market, and c) ensures the establishment of New Mobility Services as a sensible and climate-effective supplement to existing public transport services.
Endberichtkurzfassung
Sogenannten „neuen Mobilitätsdienstleistungen“ (NMDL) wird ein großes Potential zugeschrieben, wesentlich zur Mobilitätswende beitragen zu können. Entgegen der häufigen Bezeichnung als „neue Mobilitätsdienstleistungen“ sind diese schon seit längerer Zeit bekannt und werden in Österreich angeboten. Jedoch haben sich die NMDL bislang noch nicht am Markt breit etabliert, es ist bislang zu keiner Marktdiffusion, etwa vergleichbar zum klassischen öffentlichen Personenverkehr, gekommen. Eine entsprechend breite Marktdiffusion ist allerdings zentral, damit „neue“ Mobilitätsdienstleistungen zu einem ausschlaggebenden Faktor für eine Änderung des Mobilitätsverhaltens werden und zur Erreichung der Mobilitäts- und Klimawende beitragen können.
Das Projekt SLIMobility untersucht die Hemmnisse und Barrieren für eine breite Diffusion von neuen Mobilitätsdienstleistungen in der Gesellschaft bzw. am Markt, fokussiert also auf die Barrieren der letzten Phase eines Innovationsprozesses (Erfindung – Entwicklung – Markteinführung – Marktdiffusion). Es nimmt dabei im Besonderen auch Fragen der Systemintegration in den Blick. Denn die Studie geht von der These aus, dass eine entsprechende Integration der NMDL
zum einen in die vor- und nachgelagerten Ebenen der Mobilitätsinfrastruktur (insbesondere multimodale Mobilitätsstationen ) und der digitalen Mobilitätsplattformen (z.B. MaaS-Apps),
zum anderen in das System der Planung, Bestellung und Finanzierung für den ÖPNV,
sowie weiters, in andere Systeme, die außerhalb des Mobilitätssystems liegen (wie z.B. Wohnen, Betriebe, Freizeit, Tourismus, ...),
maßgeblich zu einer breiteren Etablierung, sowie Akzeptanz und Nachfrage der NMDL beitragen können.
Dafür erfolgte zunächst eine Klarstellung der Begrifflichkeiten in Bezug auf neue Mobilitätsdienstleistungen, um die Hemmnisse systematisch und strukturiert untersuchen zu können. Im Rahmen des Projekts SLIMobility werden Mobilitätsdienstleistungen allgemein als eine Ebene im Mobilitätssektor, neben der Mobilitätsinfrastruktur (Straße, Schiene, multimodale Mobilitätsstationen etc.) und digitalen Mobilitätsplattformen (z.B. MaaS-Apps) verstanden. Als neue Mobilitätsdienstleistungen (NMDL) werden wiederum solche Arten von Mobilitätsdienstleistungen erfasst, die sich typischerweise zwischen dem Individualverkehr mit individueller Nutzung (z.B. Taxi) und dem klassischen öffentlichen Verkehr mit kollektiver Nutzung (Linienverkehr) einordnen lassen. Diese NMDL werden im Projekt nach drei verschiedenen Grundtypen differenziert: Fahrzeug-Sharing , Mitfahren und Bedarfsverkehre .
Für diese NMDL wurde eine holistische Betrachtungsweise auf die Barrieren gewählt und im Hinblick auf die Verbreitung der Mobilitätsinnovationen die folgenden Faktoren näher untersucht:
Regelung des (Markt-)Zugangs
Finanzierung & Wirtschaftlichkeit / Bestellung durch die öffentliche Hand
(Markt-)Nachfrage
Qualität des Angebots & Qualitätssicherung
Sichtbarkeit & Zugänglichkeit
Strategische Kooperationen
Organisation des Betriebs
Fahrzeugtechnologie & -ausstattung
Datenzugang & Digitale Integration
Räumliche Erfordernisse & Infrastruktur
Teilnahme im (fließenden) Straßenverkehr
Im Kompendium werden Problemlagen, offene Fragen und der Handlungsbedarf im Hinblick auf diese Faktoren, jeweils für die unterschiedlichen Typen von NMDL (Fahrzeug-Sharing, Bedarfsverkehr und Mitfahren) und die darin gebildeten Untertypen untersucht. Sehr knapp zusammengefasst folgt aus dieser disziplinenübergreifenden Analyse, dass
der Rechtsrahmen die NMDL noch nicht systematisch erfasst ist, woraus vielfach Rechtsunsicherheiten und Rechtsunklarheiten resultieren. Dies wirkt sich hemmend auf die Bereitstellung aus.
angesichts noch geringer Nachfrage die Dienstleistungen zumeist nicht wirtschaftlich erbracht werden können. Sie bedürfen daher einer staatlichen Subventionierung, die aber bislang nicht umfassend etabliert ist. Vielfach werden NMDL, wenn sie nicht marktwirtschaftlich erbracht werden können, durch die Zivilgesellschaft und gemeinnützig (community based) erbracht. Dadurch entsteht aber nur ein punktuelles, wenig geplantes Angebot.
Qualitätsstandards zumeist nicht ausreichend festgelegt sind.
NMDL noch nicht von der StVO erfasst werden. Besondere Regelungen für die Nutzung des öffentlichen Raums oder die Teilnahme im Straßenverkehr gestalten sich auf dieser Grundlage schwierig.
die digitale Integration solcher NMDL in MaaS-Plattformen noch unzureichend erfolgt, die Plattformen sind teils technologisch auch noch nicht zureichend erweitert.
die öffentliche Hand vielfach Daten benötigt, um die notwendigen Planungen in diesem Bereich durchführen zu können, aber bislang noch nicht über eine ausreichende Datengrundlage (insb. zur Abschätzung der Nachfrage) verfügt.
Nachfolgend wurden die Fragen der Systemintegration näher untersucht, und zwar konkret für die Bereiche ÖPNV, Wohnen und Betriebe .
Die ausgewählten Integrationsebenen wurden – angesichts des Zeit- und Kostenrahmens des vorliegenden Forschungsprojekts – jeweils anhand einer NMDL-Kategorie näher betrachtet, konkret: (1) Fahrzeug-Sharing und Wohnen; (2) Bedarfsverkehr und ÖPNV; (3) Mitfahren und Betriebe. Es wurden diese Kombinationen gewählt, da sie großes Potential aufweisen und es zu ihnen bereits Erfahrungen in der Praxis gibt, aus denen sich offene Fragen und Handlungsbedarf ergeben. Es konnten insofern dazu auch Fallbeispiele in Österreich gefunden werden, die näher analysiert wurden. Darüber hinaus sind viele andere Kombinationen möglich, wie etwa Sharing und Betriebe oder Mitfahren und Wohnen oder Sharing und ÖPNV, wo weiterer Forschungsbedarf über das Projekt hinaus bestehen.
Zentrale Ergebnisse dieser Analyse der Systemintegration sind:
In Bezug auf die Integration von Carsharing in Wohnen wird empfohlen, aufgrund vieler Unzulänglichkeiten des bestehenden Regelungssystems und der derzeitigen Verwaltungspraxis andere Zugänge zur Umsetzung von Carsharing in Wohnen näher zu prüfen. Es könnte von der Stellplatzverpflichtung als wesentlichem Ansatzpunkt in diesem System (von dem zugunsten alternativer Mobilitätskonzepte abgewichen werden darf) abgegangen werden. Stattdessen könnte die Verpflichtung zur Umsetzung eines alternativen Mobilitätskonzepts in Verbindung mit einer Mobilitätsabgabe selbst gesetzlich verankert werden. Carsahring sollte dabei als Maßnahme eines detaillierten Mobilitätskonzeptes betrachtet werden. Sollte die konkrete Verpflichtung zum Betrieb im Einzelfall weiterhin durch Vertrag festgelegt werden, sollte dies transparent und, wenn möglich, unter Beteiligung der zukünftigen Bewohner:innen erfolgen. Die Vereinbarung sollte zwischen Verwaltung und Mobilitätsbetreiber:in geschlossen werden und nicht mit dem:der Bauträger:in, jedenfalls dann nicht, wenn diese:r das Gebäude nach Errichtung nicht auch verwaltet und betreibt. Die Finanzierung des Angebots kann über Einhebung von Abgaben (u.a. von den Bauträger:innen und Bewohner:innen) erfolgen. Bauträger:innen sollten jedenfalls die wesentlichen baulichen Infrastrukturen zur Realisierung von Carsharing im Wohnbau bereitstellen.
Es besteht Konsens darüber, dass Bedarfsverkehr Bestandteil des öffentlichen Verkehrs ist und daher in die Planung des ÖPNV integriert werden sollte. Es fehlen allerdings die erforderlichen Daten für eine integrierte Gesamtplanung, ebenso sind die Planungsmethoden wie multimodale Verkehrsnachfragemodelle dafür konsequent anzuwenden, um die Fahrgastnachfrage als Basis für wirtschaftliche Abwägungen abschätzen zu können. Weiters sind die entsprechenden rechtlichen Grundlagen anzupassen und Zuständigkeiten für eine solche integrierte Gesamtplanung klar festzulegen. Die Integration des Bedarfsverkehrs in die ÖPNV-Planung sollte so weit als möglich durch das Instrument einer integrierten (= gebündelten) Ausschreibung erfolgen. Es wird empfohlen, bei derart komplexen Ausschreibungen den Einsatz einer (überwiegend) funktionalen Ausschreibung näher zu prüfen. Bei der Planung und Integration in den Verbundtarif ist sicherzustellen, dass keine falschen Anreize gesetzt werden und gewährleistet wird, dass Bedarfsverkehr sich nicht als Konkurrenz zum klassischen Linienverkehr entwickelt.
Mitfahren steht als Maßnahme des betrieblichen Mobilitätsmanagements noch am Anfang. Eine gesetzliche Verankerung sowohl des betrieblichen Mobilitätsmanagements als auch speziell des Mitfahrens fehlen bislang. Daher ergeben sich sowohl spezifische Herausforderung des Mitfahrens als auch der grundsätzlichen Integration und rechtlichen Verankerung des betrieblichen Mobilitätsmanagements. Gesetzliche Regelungen stellen für das Mitfahren zwar keine wesentlichen Hürden dar, Klärungs- und Verbesserungsbedarf zeigt sich aber hinsichtlich finanzieller und steuerrechtlicher Anreize. Hier besteht Erfordernis die zulässige Höhe der Kostendeckungsbeiträge in Hinblick auf die Abgrenzung zur gewerbsmäßigen Durchführung zu klären. Darüber hinaus ist die Erarbeitung und Umsetzung entsprechender Programme zur Bewusstseinsbildung und Förderung von Mitfahren als Maßnahme des betrieblichen Mobilitätsmanagements unter Einbindung der unterschiedlichen Stakeholder:innen und Interessensvertretungen (z.B. WK, AK, ÖAMTC, ARBÖ, VCÖ, …) notwendig. Ohne aber weitere flankierende Push- und Pull-Maßnahmen zu ergreifen, fehlt jedoch ein wesentlicher Hebel, um Mitfahren zu forcieren.