IMaG:NE
Innovative Maßnahmen zur Glättung von Nachfragespitzen und Effizienten Kapazitätsnutzung
Programm / Ausschreibung | Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 15. Ausschreibung (2020) FT, PM, AM | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.02.2021 | Projektende | 30.04.2022 |
Zeitraum | 2021 - 2022 | Projektlaufzeit | 15 Monate |
Keywords | Nachfragespitzen, verkehrliches Zeitwahlverhalten, Szenarien, intersektorale Maßnahmen |
Projektbeschreibung
Verkehrliche Nachfragespitzen gehen mit hohen Kosten im Straßenverkehr und ÖV einher weil Infrastruktur und Fahrzeugressourcen darauf ausgelegt werden. Aus Perspektive der Nutzenden der Verkehrssysteme ergeben sich zudem Komfortverluste bzw. längere und schwer kalkulierbare Reisezeiten. Maßnahmen zur Beeinflussung zeitlichen Verkehrsnachfrage stellen eine Alternative zur Anpassung des Mobilitätsangebots an die Nachfrage dar. Diese können im Einflussbereich von Verkehrsunternehmen liegen (z. B. Tarife, Information), aber auch nicht-verkehrliche Handlungsfelder umfassen (z. B. Verschiebung Unterrichtszeiten, Flexibilisierung Arbeitszeiten). In Zukunft werden neue Mobilitätsdienstleister (z. B. Sharing) von Kapazitätsengpässen betroffen sein, andererseits bietet Mobility as a Service und die damit einhergehende digitale Verneutzung zwischen Mobilitätsangeboten und Verkehrsnachfrage neue Möglichkeiten zur Beeinflussung von zeitlichen bzw. modalen Verhaltensentscheidungen um Überlastungen zu vermeiden.
Ziel des Projekts IMaG:NE ist die Sammlung und Bewertung von bestehenden und zukünftigen Maßnahmen zur Glättung von verkehrlichen Nachfragespitzen, um daraus Handlungsempfehlungen für Politik, Mobilitätsdienstleister und Infrastrukturbetreiber abzuleiten. In einem ersten Schritt werden aktuelle Nachfragespitzen und daraus resultierende Kapazitätsengpässe in Österreich räumlich und zeitlich beschrieben sowie basierend auf aktueller Literatur deren Zustandekommen erklärt. Anschließend werden verkehrliche und nicht-verkehrliche Maßnahmen zur Beeinflussung des Zeitwahlverhaltens gesammelt und bewertet. Die Bewertungskriterien für die Maßnahmen werden sich dabei an den Aspekten Umsetzbarkeit, Akzeptanz und Wirksamkeit orientieren. Um zukünftige Anforderungen an die Maßnahmen in einem dynamischen Umfeld zu eruieren, werden mittels Szenariotechnik mögliche Zukünfte zur Situation von Nachfragespitzen abgeleitet. Sowohl für die Sammlung und Bewertung der Maßnahmen, als auch im Zuge der Beschreibung der Szenarien ist eine umfassende Einbindung externer ExpertInnen vorgesehen, um eine hohe Qualität und Praxisnähe der Ergebnisse zu gewährleisten. Die Maßnahmen werden abschließend auf Basis der identifizierten Anforderungen anhand von Bewertungskriterien beurteilt und aufbauend darauf Empfehlungen für deren Anwendung ausgesprochen. Zudem wird eine Abschätzung von verkehrlichen Effekten der Maßnahmen vorgenommen.
Bisher liegt noch keine umfassende intersektorale und intermodale Bewertung von Maßnahmen zur Glättung von Nachfragespitzen vor. Die Einbeziehung von Maßnahmen im Kontext von Mobility as a Service sowie die Berücksichtigung von mittels Szenariotechnik eruierter zukünftiger Anforderungen unterstreichen weiters die Innovativität des Vorhabens. Aus methodischer Sicht ist die Verwendung eines breiten Datenfundaments, insbesondere von Mobilfunkdaten, zur Beschreibung der Nachfragespitzen als neuartig hervorzuheben. Die breite Einbindung von externen ExpertInnen unter Verwendung verschiedener Formate sichert eine ausgewogene, intersektorale Perspektive.
Abstract
Peak demand in transport is associated with high costs in road and public transport, as infrastructure and vehicle resources are designed to cope with them. From the perspective of the users of the transport systems, there is also a loss of comfort and travel times become longer and more difficult to calculate. In the future, new mobility service providers (e.g. sharing) will be affected by capacity bottlenecks. On the other hand, Mobility as a Service and the associated digital integration between mobility offers and transport demand also creates new opportunities to influence temporal or modal behavioral decisions in order to avoid congestion. Measures for influencing temporal transport demand represent an alternative for adjusting transport services to meet demand. These can be within the sphere of influence of transport companies (e.g. fares, information), but also include non-transport related fields of action (e.g. shifting school hours).
The aim of the project IMaG:NE is to collect and evaluate existing and future measures for flattening traffic demand peaks in order to derive guidelines for politics, mobility service providers and infrastructure operators. In a first step, current peaks in demand and resulting capacity bottlenecks in Austria are described in terms of time and space and, based on current literature, their causes are explained. Subsequently, traffic and non-traffic related measures to influence scheduling behavior will be collected and evaluated. The evaluation criteria for the measures will be based on the aspects feasibility, acceptance and effectiveness. In order to determine future requirements for the measures in a dynamic environment, possible futures on the situation of demand peaks will be derived using the scenario technique. Both for the collection and evaluation of the measures and in the course of the description of the scenarios, a comprehensive integration of external experts is planned in order to guarantee a high quality and practical relevance of the results. Finally, the measures are assessed on the basis of the identified requirements using evaluation criteria and recommendations for their application are made. Furthermore, the traffic effects of the measures will be assessed.
So far, there is no comprehensive intersectoral and intermodal evaluation of measures to flatten demand peaks. The inclusion of measures in the context of Mobility as a Service as well as the consideration of future requirements determined using the scenario technique further underlines the innovative nature of the project. From a methodological point of view, the use of a broad data basis, in particular mobile phone data, to describe demand peaks is to be emphasized as innovative. The broad involvement of external experts using various formats ensures a balanced, intersectoral perspective.
Endberichtkurzfassung
Ziel des Projekts IMaG:NE war es, einen Überblick über derzeitige Verkehrsspitzen in Österreich und mögliche künftige Entwicklungen zu geben, um darauf basierend intersektorale Handlungsempfehlungen zur Glättung von Nachfragespitzen abzuleiten.
Wesentliche Erkenntnisse der empirischen Auswertungen waren, dass sowohl inner- als auch außerstädtisch an Werktagen v.a. morgens zwischen 07:00 und 08:00 Uhr stark ausgeprägte Verkehrsspitzen in allen untersuchten Bereichen vorherrschen (MIV, ÖV, Radverkehr). Die morgendlichen Spitzen setzen sich v.a. aus dem Bildungs- sowie Berufsverkehr zusammen. In den Nachmittags- bis Abendstunden durchmischen sich die Wegezwecke und die Spitzen sind nicht so deutlich ausgeprägt wie morgens, was auf die unterschiedlichen Arbeits- und Schulendzeiten zurückzuführen ist (höchste Spitzen: ÖV 13:00-17:00 Uhr, MIV 17:00-18:00 Uhr, Radverkehr 16:00-18:00 Uhr).
Insbesondere die Zeitordnung der Gesellschaft spielt für das Zeitwahlverhalten und damit einhergehend auch für Nachfragespitzen eine zentrale Rolle. Mittels systematisch formalisierten Szenariotechnik wurden im Rahmen des Projekts IMaG:NE deshalb Zukunftsbilder als Rahmen für Nachfragespitzen der Zukunft aufgespannt, die eine Bandbreite an möglichen gesellschaftlichen Entwicklung von Digitalisierung und Zeit- und Organisationsstrukturen (in den verschiedenen Bereichen Arbeit, Bildung, Freizeit, Einkaufen, Verkehrsangebot) aufzeigen:
Szenario A: Alles anders (Ultraflexible Working, Ortsunabhängiges digitalisiertes und personalisiertes flexibles Lernen, Suche nach individuellen Auszeiten & Kühle (Freizeit / Tourismus), 24/7 Einkaufserlebnis – Verschmelzung Online & Stationär, Hochdynamisches MaaS mit starker Integration von Modi, Aktive restriktive umweltgetriebene Politik)
Szenario B: Aufbruch (Green Working, Ganztagesschulen als zentrale Bildungshubs, Suche nach Erlebnissen (Freizeit / Tourismus), Nachbarschaftskonzentriertes Einkaufen, Tageszeitflexibles MaaS und starke Integration von Modi, Aktive restriktive umweltgetriebene Politik)
Szenario C: Alte Spuren (Traditional Working, Starre analoge Lernkonzepte und wenig Raum für Flexibilisierung in den Schulen, Suche nach Ablenkung am Wochenende, Onlinehandel statt stationäres Einkaufserlebnis, Unflexibles MaaS und geringe Integration von Modi, Passive Politik)
Das Ausmaß der Reduktion der Verkehrsspitzen ist dabei in Szenario A am größten, wobei hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und Erwünschtheit v.a. Szenario B punktet. Eine Reflexion der Szenarien in Hinblick auf Chancen und Risiken zeigte, dass jedes Szenario mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert ist und auch eine sehr hohe (Zeit-)Flexibilität in der Gesellschaft bestehende politische Zielstellungen untergraben kann, sofern keine Gegenmaßnahmen getroffen werden.
Basierend auf einer umfangreichen Sammlung von Maßnahmen zur Glättung von Verkehrsspitzen wurden elf Maßnahmen zu einer vertieften Analyse (Delphi-Befragung, Wirkungskette, Einschätzung Rebound-Risiko, Potenzialabschätzung) ausgewählt. Es zeigte sich dabei, dass die höchsten Wirkungen bei gleichzeitig hoher Akzeptanz im Bereich der nicht-verkehrlichen Maßnahmen im Sektor Arbeit liegen. So könnte beispielweise eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten zu einer Reduktion von 10%-24% in der Morgenspitze vor allem beim MIV führen. Für Home-Office wurde für die Spitzenstunden ein Reduktionspotenzial von 12-17% im MIV bzw. 4-5% im ÖV abgeschätzt. Auch im Bildungsbereich können Maßnahmen wie die Flexibilisierung von Schulbeginnzeiten zur Spitzenglättung in den Morgenstunden im ÖV beitragen (Potenzialabschätzung: 5-10% Reduktion in den Spitzenstunden im ÖV). Im verkehrlichen Bereich ergab die Potenzialabschätzung eine mögliche Spitzenreduktion von 7-14% im MIV durch Carpooling (Ride Sharing), 2-10% durch parkraumpolitische Maßnahmen (Parkraumreduktion) und 2-6% durch die Förderung aktiver Mobilität. Die besten Wirkungen erzielen die Maßnahmen jedoch immer in Kombination miteinander, da Verkehrsteilnehmer:innen oft verschiedene persönlichen Abhängigkeiten und institutionellen Rahmenbedingungen unterworfen sind. Zudem können Maßnahmen, die erfolgreich zu einer Reduktion der Verkehrsspitze führen auch unerwünschte Nebenwirkungen entfalten (z.B. Attraktivitätssteigerung des MIV).
Abschließend wurden Handlungsempfehlungen für intersektorale Maßnahmen erarbeitet, die zur Glättung von Verkehrsspitzen und der Reduktion von Kapazitätsengpässen in österreichischen Zentralräumen beitragen (unter Berücksichtigung der Zielsetzungen im Mobilitätsmasterplan 2030). Im Fokus der Handlungsempfehlungen standen zwei Fokuspunkte: (1) Wege zeitlich flexibilisieren bzw. vermeiden, (2) Wege mittels multimodaler An- und Abreise bewerkstelligen (Fokus Umweltverbund). Um der Komplexität im Themenfeld Verkehrsspitzen gerecht zu werden, wurden die Handlungsempfehlungen in vier Themenfeldern untergliedert:
Handlungsfeld 1 Kooperationen stärken & Nutzen kommunizieren
Handlungsfeld 2 Alltagsflexibilisierung: Prioritäre Maßnahmen sind verstärkte Integration (zeitlich und räumlich) flexibler Arbeitsformen in das Beratungsangebot & Ausbau des betrieblichen Mobilitätsmanagement; Schaffung von dezentralen Bürostandorten (Coworking) in suburbanen und ländlichen Räumen entlang von ÖV-Achsen; Gleitzeit und gestaffelter Unterrichtsbeginn in verschiedenen Schulstufen; schul- bzw. klassenübergreifende Konzepte für hybriden Unterricht in der Oberstufe; regionale kooperative Digitalisierungsprojekte im Freizeit-/Tourismusbereich zur Entwicklung einer einheitlichen Plattform (Marktplatz) mit dynamischer Informationsbereitstellung für Kund:innen und Mobilitätsmanagement für Freizeit-/Tourismuseinrichtungen.
Handlungsfeld 3 Umweltverbund stärken: Prioritäre Maßnahmen sind der Ausbau der Radinfrastruktur (v.a. Radschnellwegenetz) zur Entlastung des ÖV und Reduktion des MIV-Verkehrs; neue ÖV-Tarifstrukturen, die der gesellschaftlichen Flexibilisierung gerecht werden (z.B. flexibles 30-Tage-Ticket) und zur Vermeidung von Spitzenstunden (z.B. 9-Uhr-Monatsticket); konstante, attraktive Takte (24h Betrieb) als attraktives ÖV-Angebot in einer (zeit-)flexibilisierten Gesellschaft; Parkraummanagement (Reduktion Stellplätze & dynamische Parkgebühren) und die Entwicklung eines österreichweiten hochdynamischen Mobility as a Service zum optimalen Kapazitätsmanagement (über verschiedene Modi hinweg).
Handlungsfeld 4 Raumstrukturen verbessern
Handlungsfeld 2 und Handlungsfeld 3 beinhalten die Kernelemente der Spitzenglättung – unterstützt durch (kurzfristige) begleitende kommunikative Maßnahmen in Handlungsfeld 1 und langfristige raumstrukturelle Maßnahmen in Handlungsfeld 4. Die Handlungsfelder sind dabei stets in Wechselwirkung zu betrachten und sind für sich alleine betrachtet nicht ausreichend zur Zielerreichung.
Als weiteren Forschungsbedarf gilt es nun spezifische Maßnahmen vertiefter zu untersuchen. Hierfür wurden als Follow-Up-Forschungsschwerpunkte verschiedene Realexperimente in Pilotregionen empfohlen, die es ermöglichen, verschiedene Maßnahmen direkt auszuprobieren, um auch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Maßnahmen reflektieren zu können.