CHEMATUN
Freisetzung von chemischen Substanzen in Tunnelanlagen - Grundlagenermittlung für die Gefahrenabwehr
Programm / Ausschreibung | KIRAS, Kooperative F&E-Projekte, KIRAS Kooperative F&E-Projekte 2023 | Status | laufend |
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Projektstart | 01.01.2025 | Projektende | 31.12.2026 |
Zeitraum | 2025 - 2026 | Projektlaufzeit | 24 Monate |
Keywords | Gefahrenstoffe; Tunnelinfrastruktur, Ausbreitungsverhalten, Lüftungskonzepte, Einsatzpläne |
Projektbeschreibung
Funktionierende untertägige Verkehrsinfrastrukturanlagen spielen in modernen Gesellschaften von heute eine zentrale Rolle. Durch die Topographie Mitteleuropas und im Speziellen Österreichs kommt Tunnelbauwerken auch außerhalb von urbanen Räumen eine besondere Bedeutung zu. Diese Infrastrukturen stellen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Rahmenbedingungen spezielle Anforderungen an Einsatzkräfte. Im Focus der Sicherheitsbetrachtungen standen bisher vor allem Brandereignisse, woraufhin es gelungen ist, die Sicherheits- und Betriebseinrichtungen von Straßen- und Bahntunnels weitgehend zu normieren.
Szenarien einer Gefahrstofffreisetzung chemischer Substanzen in Tunnelanlagen oder untertägigen Einrichtungen wurde demgegenüber noch nicht tiefgehend behandelt. Die Tunnelsystemwahl und die Wahl des Bewetterungskonzeptes (einröhrig, zweiröhrig, mehrgeschoßig, Lüftungssysteme, etc.) führen dazu, dass Gefahrstoffaustritte im Tunnel vollständig andere Szenarien begründen als in Freibereichen oder Obertage. Chemische Substanzen spielen hier aufgrund ihres Ausbreitungs- und Reaktionsverhaltens eine besondere Rolle. Unterschiedliche Unfälle im Zusammenhang mit chemischen Stoffen oder der Anschlag mit Sarin in der U-Bahn von Tokio 1995 zeigen allerdings, dass gerade untertägige Einrichtungen hier eine besondere Vulnerabilität aufweisen. Vor allem die Lüftungsanlage, die Trassenführung (Steigungen und Gefälle), die Entwässerungssysteme und andere technische Einrichtungen beeinflussen die Ausbreitungssituation von Gefahrstoffen in Tunnels maßgeblich.
Wissenschaftliche Untersuchungen in untertägigen Verkehrsinfrastrukturen haben sich bis dato auf das Einsatzszenario Brand fokussiert und es liegen bereits detaillierte Berechnungsergebnisse vor, von welchen sowohl Lüftungskonzepte als auch Einsatzkonzepte abgeleitet werden können, die es erlauben Tunnelbrände weitgehend zu beherrschen. Seitens der Einsatzkräfte ist der Bereich Tunnelbrand über viele Jahre intensiv behandelt worden. Die dazugehörenden Konzepte der Einsatzkräfte basieren auf vielen Versuchen, Übungen, aber auch auf Einsatzerfahrungen der letzten Jahre. Durch die industriellen Entwicklungen in der Fahrzeugtechnik, der zum Einsatz kommenden Energieversorgungen in Fahrzeugen (Batterien, Erdgas, Wasserstoff) und die Veränderung der sicherheitspolizeilichen Lage, haben sich Einsatzschwerpunkte verlagert und erweitert.
In Bezug auf Einsätze mit Gefahrstoffen ist derzeit weder das Ausbreitungsverhalten noch das Reaktionsverhalten unterschiedlicher chemischer Substanzen in Tunnelanlagen bekannt. Ferner ist noch nicht erforscht, wie sich Lüftungsmaßnahmen diesbezüglich im als auch außerhalb des Tunnels, rund um die Lüftungsbauwerke, auswirken. Viele Abluftöffnungen sind in urbanen Bereichen angesiedelt und stellen im konkreten Fall eine potentielle Gefahrenquelle dar. Entsprechende Grundlagen für Einsatzkonzepte fehlen vollständig.
Im Projekt CHEMATUN sollen die Grundlagen für Einsätze mit chemischen Substanzen im Tunnel und sonstigen untertägigen Verkehrsinfrastrukturen erarbeitet werden. Zentrales Thema von CHEMATUN ist das Ausbreitungsverhalten von chemischen Substanzen und der Einfluss unterschiedlicher Lüftungskonzepte im Rahmen der Gefahrenabwehr. Herzstück der Projektarbeiten sollen dabei reale Gasfreisetzungen in der Großforschungsinfrastruktur ZaB-Zentrum am Berg sein. Dabei soll das Ausbreitungsverhalten unterschiedlicher gasförmiger Gefahrstoffe in einer realen Tunnelumgebung untersucht werden.
CHEMATUN schafft sowohl die Grundlagen für die Erstellung von Einsatzkonzepten und Einsatzplänen, als auch eine Basis für weitere technische Entwicklungen in der Gefahrenabwehr und für Bewetterungskonzepte. Darüber hinaus ergeben sich aus CHEMATUN Ansatzpunkte für weitere Forschungsarbeiten im Bereich der Atemschutztechnik und der persönlichen Schutzausrüstung von Einsatzkräften. Durch die Realversuche am ZaB sollen auch Möglichkeiten geschaffen werden, bereits vorhandene Einsatzmittel (z.B. Löschunterstützungsfahrzeug-LUF) und taktische Ansätze von Einsatzkräften unter Realbedingungen zu erproben.
Abstract
Underground infrastructures play a central role in numerous modern traffic concepts. Due to topography, tunnel structures in Austria have special significance even outside of urban areas. Underground infrastructures pose special requirements to emergency response teams due to their extraordinary conditions. Until now, safety considerations have primarily focused on fire incidents. From the perspective of fire protection, the safety and operational facilities of road and rail tunnels are now largely standardized. Incidents such as a vehicle fire in a tunnel are considered manageable, not at least due to the existing safety concepts.
The scenario of hazardous substances released with chemical agents in tunnel facilities or underground structures has been scarcely addressed. The characteristics of tunnel facilities (single-tube, dual-tube, multi-level, ventilation systems, etc.) mean that hazardous substance releases in tunnels create completely different scenarios than those in open areas or above ground. Chemical agents play a special role here due to their dispersion and reaction behavior. Different accidents involving chemical substances, or the Sarin gas attack in the Tokyo subway in 1995, show that underground facilities have a particular vulnerability in this regard. The ventilation system, the track layout (inclines and declines), the drainage systems, and other technical installations significantly influence the spread of hazardous substances in tunnels.
Current scientific investigations into tunnel accidents mainly focus on the fire scenario. Detailed calculations, ventilation concepts, and response strategies exist, enabling effective control of tunnel fires. The area of tunnel fires has been intensively addressed by emergency response teams over many years. The response strategies are based on numerous trials, exercises, and experiences from recent years. Developments in vehicle technology, energy supply (natural gas, hydrogen, etc.), and changes in the security-police situation have shifted and expanded the focus of emergency responses.
Regarding incidents with hazardous substances, neither the dispersion behavior nor the reaction behavior of different chemical agents in tunnel facilities is currently known. It is also unknown how ventilation measures affect both inside and outside the tunnel, around the ventilation structures. Many exhaust openings are located in urban areas and represent a potential hazard in specific cases. Thus, the fundamental basis for response strategies in these scenarios is completely lacking.
The CHEMATUN project aims to develop fundamentals for responses to chemical agents in tunnels and underground infrastructure. The central theme of CHEMATUN is the dispersion behavior of chemical agents and the influence of different ventilation concepts in hazard response. However, the core of the project work will be real gas releases in the large-scale research infrastructure Zentrum am Berg. The project aims to investigate the dispersion behavior of different gaseous hazardous substances in a real tunnel environment.
CHEMATUN will provide the foundation for creating response strategies or plans and a basis for further technical developments in hazard response or in the area of ventilation concepts for tunnel facilities. Moreover, CHEMATUN will offer starting points for further research in the field of breathing apparatus technology or personal protective equipment for emergency response teams. The real experiments are also intended to provide opportunities to test existing response resources (e.g., fire support vehicle LUF) or tactical approaches of response teams under real conditions.