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DekarPIO

Dekarbonisierung der Papier- und Zellstoff-Industrie mittels mathematischer Optimierung

Programm / Ausschreibung IWI, IWI, Basisprogramm Ausschreibung 2023 Status laufend
Projektstart 01.06.2023 Projektende 31.10.2024
Zeitraum 2023 - 2024 Projektlaufzeit 17 Monate
Keywords

Projektbeschreibung

Motivation und Hintergrund für dieses Projekt ist die weitere, langfristige Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Papier- und Zellstoffindustrie auf möglichst wirtschaftliche Weise, um Klimaveränderungen weitestgehend zu verhindern und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben – eine sehr große Herausforderung. Um die Dekarbonisierung von Industriestandorten zu ermöglichen ist einerseits möglichst rasches Handeln erforderlich und andererseits langfristige und robuste Planungsstrategien. Diese langfristige Strategieentwicklung soll mit den in DekarPIO entwickelten Modellen und Methoden ermöglicht werden.
Im Projekt DekarPIO soll basierend auf einer detaillierten Analyse von fünf Standorten der österreichischen Papier- und Zellstoffindustrie
* (1) ein detailliertes mathematisches Optimierungsmodell formuliert werden, mit dem effiziente Maßnahmen und robuste Strategien für kostenoptimale Dekarbonisierungspfade der fünf Standorte für verschiedene Szenarien abgeleitet werden können und
* (2) ein allgemein gültiges Tool, das Dekarbonisierungswerkzeug, das über Projektende hinaus dem Fachverband zur Verfügung stehen wird, abgeleitet.
Ziel ist es mit diesem über einen Bottom-Up Ansatz entwickelten Werkzeug den Akteuren in der Branche Pfade aufzuzeigen, wie bestehende Standorte langfristig, kostenoptimal zu Vorzeigebetrieben mit vollständig dekarbonisierter und nachhaltiger Energieversorgung werden bzw. den Unternehmen selbst ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem solche Pfade entwickelt werden können.

Ziel ist die Verfügbarkeit einer Methode, die sowohl werksspezifische Besonderheiten aber auch die relevantesten Prozesse der ganzen Branche, abbildet. Dabei werden jeweils Rahmenbedingungen an den Standorten, verfügbare Potentiale für erneuerbare Erzeugung, Effizienz- und Wärmeintegrationspotentiale, sowie unternehmensstrategische Aspekte und zukünftige Technologien, die zu einer erfolgreichen Dekarbonsierung beitragen berücksichtigt.

Endberichtkurzfassung

Die österreichische Papier- und Zellstoffindustrie ist mit einer Jahresproduktion (2023) von ca. 4 Mt Papier, 1,7 Mt Zellstoff sowie rund 8.000 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor des Landes und nimmt auch in Europa eine wichtige Rolle ein. Mit einer Exportquote von knapp 90% und einem Jahresumsatz von über 4 Mrd. Euro zählt sie zu den stärksten Industriezweigen Österreichs. [1]

Die Themen Energie und dekarbonisierte Energiebereitstellung sind inzwischen zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor für diesen Sektor in Österreich geworden. Trotz Einsparungen von ca. 550.000 Tonnen direkter CO 2 -Emissionen an den Standorten seit 2019 2 , wird nach wie vor ungefähr ein Drittel des Brennstoffbedarfs im Sektor aus Fossilen gedeckt. Das Projekt DekarPIO greift genau hier an. Seit 2021 wurde in Zusammenarbeit mit Austropapier (Branchenverband der österreichischen Papierindustrie) und fünf produzierenden Unternehmen ein Prototyp für ein Online-Kalkulationswerkzeug entwickelt, das es Anwender:innen ermöglicht, kostenoptimierte Dekarbonisierungslösungen zu ermitteln. Hierfür wird das Werk mittels einer neu entwickelten Methode abgebildet, analysiert und dekarbonisierte Lösungen abgeleitet. Das Projekt wurde als Branchenprojekt aufgesetzt und im Rahmen „Collective Research“ von Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert.

Mit Hilfe dieser Entwicklung wurden für fünf Papierfabriken kostenoptimierte Fahrpläne zur vollständigen CO 2 -Neutralität erstellt, was mittelfristig bis zu einer CO 2 -Einsparung von mehreren 100 Kilotonnen pro Jahr entspricht. Diese Fahrpläne sind Grundlage und Basis für erfolgreiche Einreichungen und Umsetzungen in der FTI-Initiative „Transformation der Industrie“. Dies macht Österreich robuster gegenüber Energiepreisschwankungen und stärkt die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen. Die erforderlichen Investitionen schaffen zudem Arbeitsplätze. Methodisch wurde dabei die mathematische Optimierung eingesetzt. Diese ermöglicht es, optimale Lösungen für Anlagenintegration, -kapazitäten oder Betriebstrajektorien zu ermitteln – für ein definiertes Zielkriterium (z. B. Kosten, Emissionen oder Gewinn) unter Einhaltung technischer, ökologischer und ökonomischer Randbedingungen. Das entwickelte Online-Tool ermöglicht auch Nicht-Expert:innen im Feld der Optimierung, standortspezifische Versorgungskonzepte zu modellieren und Betriebs- und Designkonzepte abzuleiten - von erneuerbarer Stromerzeugung über Brennstoffwechsel, Wärmepumpen bis hin zur Geothermie. In einem zweiten Schritt kann das Tool einen Stufenplan zur vollständigen Dekarbonisierung auf, inklusive optimaler Zeitpunkte für Anlagenintegrationen und der schrittweisen Umstellung von konventionellen auf CO 2 -neutrale bzw. freie Energieträger.

Allgemein sind die optimalen Konfigurationen immer standortabhängig und z.B. durch verfügbaren Platz, Logistik, Infrastruktur oder die Preise der Energieträger beeinflusst.

Allgemeine Trends für die Dekarbonisierung des österreichischen Papier- und Zellstoffsektor:


Sind (biogene) Reststoffe am Standort verfügbar, die energetisch genutzt werden können, sind Reststoffkessel relevante Bestandteile des kostengünstigsten Dekarbonisierungskonzepts.
Die Aufwertung industrieller Abwärme, z.B. von der Papiertrocknung, in Hochtemperaturwärmepumpen stellt z.B. für Werke, die ausschließlich Papier produzieren und aufgrund der Produktanforderungen kein Altpapier einsetzen können, die kostengünstigste Dekarbonisierungsmaßnahme dar.
Diese Dekarbonisierungsmaßnahmen sind mit hohen Investitionen verknüpft und haben durch den Anlagenneubau oft auch ein hohes Komplexitätslevel. Je nach Energiepreislevel (z.B. Preisverhältnis zwischen Strom und Gas) sind jedoch Betriebskostenreduktionen möglich. Stabile nationale Rahmenbedingungen sind daher unabdingbar.
Im europäischen Vergleich, insbesondere im Wettbewerb mit Standorten in Skandinavien, gibt es für Österreich wirtschaftliche Nachteile bei elektrifizierten Varianten (z.B.: Elektrokessel oder Wärmepumpe).


Das Tool ist erweiterbar und kann von weiteren Nutzern an österreichischen und europäischen Standorten eingesetzt werden. Obwohl aktuell auf die Papierindustrie beschränkt, dient der entwickelte Ansatz als Vorlage für andere Industriebranchen. In Zukunft könnte das DekarPIO-Konzept zu einem flexiblen, branchenübergreifenden Online-Werkzeug weiterentwickelt werden.



[1] Branchenbericht der österreichischen Papierindustrie 2023, Statistik - Austropapier