FORMA
Lagebericht Zwangsverheiratung in Österreich
Programm / Ausschreibung | KIRAS, F&E-Dienstleistungen, KIRAS F&E-Dienstleistungen 2021 | Status | abgeschlossen |
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Projektstart | 01.01.2023 | Projektende | 30.09.2024 |
Zeitraum | 2023 - 2024 | Projektlaufzeit | 21 Monate |
Keywords | Zangsheirat, Zwang, Ausbeutung, Menschenhandel, Kinderehe |
Projektbeschreibung
Das Projekt unternimmt ausschreibungsgemäß eine “multidimensionale Standortbestimmung zum Phänomenbereich Zwangsverheiratung” und versteht sich als Beitrag zu evidenzbasierter Migrationsforschung in Österreich. Mittels multidimensionaler und -disziplinärer Analyse werden eine umfassend verbesserte Datenlage sowie Handlungsgrundlagen geschaffen für eine gesteigerte Effektivität von Maßnahmen zu Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung. Zu diesem Zweck werden einschlägige internationale und nationale Rechtsgrundlagen geprüft, die quantitative Datenlage erhoben, umfassende Feldforschung mittels qualitativer Methoden betrieben und Beispiele guter Praxis identifiziert. Ein interdisziplinäres Projektteam, das sowohl (menschen-)rechtliche Expertise als auch Praxiserfahrung aus der Sozialen Arbeit im Umgang mit direkt Betroffenen einbringt, gewährleistet, dass die Zielsetzungen erreicht und die Forschungsergebnisse und Praxistools für Folgemaßnahmen und Schulungen zielgruppenorientiert aufbereitet werden.
Abstract
According to the call for proposals, the project undertakes a "multidimensional assessment of the phenomenon of forced marriage“, as a contribution to evidence-based migration research in Austria. By means of a multidimensional and multidisciplinary analysis of the current situation, it allows for a comprehensive improvement on the availability of data as well as a basis for measures to increase the effectiveness of prevention, victim protection and prosecution. For this purpose, the project reviews relevant international and national legal instruments, collects quantitative data, conducts comprehensive field research using qualitative methods and identifies examples of good practice. An interdisciplinary project team, which brings in both (human) rights expertise and practical experience from social work and legal counseling with those directly affected, ensures that the objectives are achieved and that the research findings and practical tools for follow-up measures and training are prepared in a target group-oriented manner.
Endberichtkurzfassung
Der vorliegende Bericht untersucht das komplexe Phänomen der Zwangsverheiratung sowohl im internationalen als auch im nationalen Kontext Österreichs. Zwangsverheiratungen sind eine Form der geschlechtsspezifischen Gewalt, die tief in soziale und kulturelle Strukturen eingebettet ist und erhebliche Auswirkungen auf die betroffenen Personen hat. Ziel des Berichts ist es, die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zu analysieren, bewährte Praktiken zu identifizieren und Empfehlungen für die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen zu formulieren.
Die Methodik des Berichts basiert auf:
Umfassender Literaturrecherche;
Analyse des internationalen, menschenrechtlichen Rechtsrahmens und Auswertung internationaler Studien und europäischer Rechtsschutz- und Monitoringinstrumente;
Erhebung von zur Verfügung stehenden Daten auf nationaler Ebene;
Aktenanalyse aus der Opferschutzarbeit von Orient Express;
Analyse von relevanten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts;
Qualitativen Stakeholder-Interviews.
Durchführung von Workshops mit zentralen Akteur:innen im März 2024, um spezifische offene Fragen zu bearbeiten und praxisnahe Lösungen zu entwickeln.
Die Analyse der Akten der Notwohnung von Orient Express verfolgte dabei insbesondere das Ziel, Gemeinsamkeiten und Merkmale der Betroffenen zu identifizieren, die wiederum genutzt werden können, um Warnsignale zu definieren und Musterfallbeispiele zu entwickeln. Die Interviews hatten das Ziel, die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen im Zusammenhang mit Zwangsverheiratungen in Österreich zu erfassen. Die Ergebnisse dieser Erhebungen liefern wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung effektiver Maßnahmen und Strategien zur Prävention.
Die Ergebnisse der Studie wurden in vier Bereiche unterteilt, die die Hauptforschungskategorien widerspiegeln.
Internationale Perspektive
Dieses Kapitel befasste sich zunächst mit internationalen Forschungserkenntnissen zu Zwangsverheiratungen als Formen genderbasierter Gewalt und zeigte Ansätze und Grenzen für die Datenerhebung auf internationaler Ebene auf. Untersucht wurden auch Abgrenzungen und Unterscheidungen zu verwandten sozialen Phänomenen wie Ausbeutung und Menschenhandel, sowie zu sogenannten Scheinehen, die zur Umgehung von Einwanderungs- und Aufenthaltsvorschriften genutzt werden. Zwangsverheiratungen werden zunehmend in den Kontext des Menschenhandels gestellt, wie die Überarbeitung der EU-Richtlinie zu Menschenhandel im Jahr 2024 zeigt. Es wurde betont, dass die Übergänge zwischen diesen Phänomenen in der Praxis oft fließend sind, was ein koordiniertes Zusammenspiel verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Akteure erfordert. Zudem wurde die Bedeutung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes für Maßnahmen zur Vermeidung von Zwangsverheiratungen und den Schutz der Betroffenen hervorgehoben.
Eine international verbindliche Definition von Zwangsverheiratung fehlt zwar, jedoch lassen sich wesentliche Elemente aus völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Instrumenten ableiten, welche die freie Willensbildung der Eheleute betonen. Zu berücksichtigende Umstände umfassen Anzeichen von Abhängigkeitsverhältnissen und Zwangslagen, einschließlich verschiedener Formen von Gewalt und Ausbeutung, die aus tradierten sozialen Normen resultieren. Im Kontext von Kinderehen wird aufgezeigt, dass nach internationalen kinderrechtlichen Standards Eheschließungen von Kindern unter 18 Jahren ohne Ausnahme verboten werden sollen.
Der menschenrechtsbasierte Ansatz fordert umfassende Maßnahmen zur Stärkung und Selbstermächtigung von betroffenen Gruppen und zur Sicherstellung der Rechenschaftspflicht staatlicher Stellen, in den Bereichen Opferschutz, Prävention und Strafverfolgung. Essentiell ist dabei ein verbindliches Zusammenwirken unterschiedlicher Akteur:innen mit klar definierten Schnittstellen und Verweisungsmechanismen; Beispiele guter Praxis aus Großbritannien und Deutschland zeigen, wie intersektorale Zusammenarbeit und gebündelte Opferschutzexpertise gerade im Migrationskontext, bei grenzüberschreitenden Fällen, erfolgreich wirken können, einschließlich bei der Früherkennung von Abhängigkeitsverhältnissen, der Sicherstellung von Aufenthaltssicherheit bei Zwangslagen und im Hinblick auf die Bedeutung von Schutzmaßnahmen wie einstweiligen Verfügungen. Abschließend wird auf die Bedeutung von Daten und Forschung zur Überwachung und Weiterentwicklung von Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen hingewiesen.
Nationale Rahmenbedingungen in Österreich
Strafrechtliche Aspekte
In Österreich wurden Fortschritte bei der Bekämpfung von Zwangsverheiratungen erzielt, insbesondere durch die Einführung des Straftatbestands der Zwangsheirat im Strafgesetzbuch.
Der entscheidende Vorteil des § 106a StGB liegt darin, dass die Nötigung im Gegensatz zu § 106 Abs 1 Z 3, auch durch die Drohung mit dem Abbruch oder Entzug familiärer Kontakte erfasst wird. Durch die Einführung dieses deliktspezifischen Nötigungsmittels wurde die Reichweite des Tatbestandes maßgeblich ausgedehnt, da solche Drohungen bei Zwangsheirat häufig zum Einsatz kommen, aber zuvor nicht für die Erfüllung eines gerichtlichen Straftatbestandes ausreichten.
Allerdings erfasst 106a StGB nur den Zwang zum Abschluss formeller Ehen und eingetragener Partnerschaften, wohingegen die Strafbarkeit der ebenso problematischen erzwungenen rituellen oder religiösen (staatlich nicht anerkannten) Eheschließungen , erzwungenen faktischen Lebensgemeinschaften aber auch der Zwang zum Aufrechterhalten einer Zwangsehe oder Zwang zur Verlobung nach wie vor gemäß § 106 Abs 1 Z 3 eine gefährliche Drohung erfordert. § 106a StGB sollte daher auf diese Erscheinungsformen ausgedehnt werden. Dann würden die Zahlen aus polizeilicher und gerichtlicher Kriminalstatistik auch ein etwas realistischeres Bild der Strafverfolgung zu Zwangsheirat zeigen.
Das „Vorfelddelikt“ in § 106a Abs 2 StGB, das Heiratsverschleppung unter Strafe stellt, legt die Hürde der Strafbarkeit in problematischer Weise besonders hoch, indem der (Nachweis der) Absicht auf Verheiratung im Zielland vorausgesetzt wird. Hier sollte jedenfalls Eventualvorsatz ausreichen.
Durch die Anpassung der einschlägigen EU-Richtlinie wird künftig Zwangsheirat als Ausbeutungsziel explizit in den Tatbestand Menschenhandel aufzunehmen sein. Schon jetzt müsste allerdings konsequenterweise bei Verdacht auf Zwangsheirat immer auch das Delikt Menschenhandel geprüft werden, weil mit Zwangsheirat idR die Gefahr der sexuellen Ausbeutung, gelegentlich auch der Arbeitsausbeutung einher geht. Opfern von Zwangsheirat, die möglicherweise auch Opfer von Menschenhandel wurden, steht jedenfalls eine Erholungs- und Bedenkzeit zu; und das non-punishment -Prinzip verbietet ihre Bestrafung für Straftaten, die sie unter Zwang begangen haben. Letzteres wird relevant, wenn jemand zum Eingehen einer Aufenthaltsehe gezwungen wurde.
Hinsichtlich des Strafverfahrens ist durch entsprechende Ergänzung von Erlässen (zB hinsichtlich Strafverfahren wegen Gewalt in der Familie) dieses Phänomen ins Bewusstsein der Strafverfolgungsbehörden zu rücken, zumal Opfer von Zwangsheirat sich oft nicht selbst als solche zu erkennen geben. Dem Wunsch nach Schonung dieser besonders schutzbedürftigen Opfer sollte insbesondere durch die Schaffung der gesetzlichen Möglichkeit zur Zeugnisbefreiung bzw. Zeugnisverweigerung Rechnung getragen werden, und umgekehrt durch umfangreiche Beweiserhebung sichergestellt werden, dass der Erfolg der Strafverfolgung nicht ausschließlich von der Aussage des Opfers abhängig ist.
Zivilrechtliche Aspekte
Das Verfahren zur Eheschließung bietet derzeit wenig Spielraum, ein Opfer von Zwangsheirat zu identifizieren . Die mündliche Verhandlung, in der die Voraussetzungen der Ehe überprüft werden sollen, kann derzeit sogar entfallen, wenn die Teilnahme den Eheschließenden nicht zumutbar erscheint. Das sollte künftig nicht mehr möglich sein. Darüber hinaus ist dafür Sorge zu tragen, dass die angehenden Ehepartner:innen getrennt voneinander in Vier-Augen-Gesprächen über die Rechtsfolgen der Ehe und mögliche Hilfsangebote bei Ehe- oder Erziehungsproblemen, insbesondere im Fall häuslicher Gewalt, aufgeklärt werden und die Gelegenheit erhalten Fragen zu stellen. Zwischen diesen Beratungsgesprächen und dem eigentlichen Trauungstermin sollten mindestens drei Wochen liegen, damit eventuell von Zwangsheirat Betroffene genug Zeit haben, doch noch eine Beratungsstelle aufsuchen oder sich einer Person in ihrem Umfeld anzuvertrauen.
Eine zentrale Forderung ist die bedingungslose Abschaffung der Möglichkeit der Ehefähigkeitserklärung von 16- oder 17-Jährigen im österreichischen Ehegesetz. Dies ermöglicht nämlich den Abschluss international verpönter Kinderehen.
Schließlich wird angeregt, das Internationale Privatrecht dahingehend anzupassen, dass materielle Ehevoraussetzungen künftig nach dem Recht des (letzten) gemeinsamen Aufenthalts beurteilt werden, sodass in Österreich dann regelmäßig österreichisches Recht zur Anwendung kommt.
Wo gemäß IPRG ausländisches Recht zur Anwendung kommen soll, ist bei der Prüfung, ob das Ergebnis diese Rechtsanwendung im Zeitpunkt der Prüfung gegen Grundwertungen der österreichischen Rechtordnung verstößt, vorrangig auf Kindesinteressen Rücksicht zu nehmen.
Migrationsrechtliche Aspekte
Fälle von Zwangsehen können im Migrationskontext relevant sein oder durch erzwungene Migration ausgelöst werden. Das österreichische Migrationsrecht hat dieses Problem erkannt und Maßnahmen, einschließlich internationaler Verpflichtungen, umgesetzt, um diesem Verbrechen entgegenzuwirken. Zwangsehen gelten als Hindernis für die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, doch in der Praxis ermitteln die Behörden nur bei konkreten Hinweisen, was die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen einschränkt. Bei Aufenthaltsehen besteht die Sorge, dass manche dieser Ehen als Zwangsehen zustande gekommen sein könnten.
Das Mindestalter für Ehepartner bei der Familienzusammenführung wurde auf 21 Jahre angehoben, um Zwangsehen zu verhindern. Die Effektivität dieser Maßnahme ist jedoch unklar, da keine ausreichenden Daten zur Bewertung vorliegen. Bei asylrechtlichen Familienzusammenführungen kann eine Zwangsehe nicht verhindert werden, da die Ehe vor der Einreise bestanden haben muss. Identifizierte Opfer von Zwangsehen können gemäß § 57 AsylG oder § 27 NAG Schutz erhalten, wobei diese Normen eine Selbstidentifizierung und Kooperation mit den Behörden erfordern, was aufgrund des hohen Drucks auf die Betroffenen oft schwierig ist. Auch wenn Opfer einen Aufenthaltstitel erhalten, gilt dieser in der Regel nur für ein Jahr, was den langfristigen Schutz erschwert und sie weiter anfällig für Zwangsehen oder Ausbeutung macht.
Ein weiterer Aspekt ist der internationale Schutz für Menschen, die von Zwangsehen bedroht sind oder bereits Opfer wurden. Zwangsehen werden als asylrelevante Verfolgung betrachtet, doch der Erhalt von Schutz ist mit Schwierigkeiten verbunden. In fast 75% der untersuchten Fälle wurde das Vorbringen nicht geglaubt. Das Bundesverwaltungsgericht subsumiert Zwangsehen oft unter die soziale Gruppe, was aber aufgrund der kumulativen Natur der definierenden Aspekte schwer nach zu weisen ist.
Erhebungen aus der Praxis
Die im Rahmen des Projekts FORMA durchgeführte Praxiserhebung stellt einen wichtigen Bestandteil des vorliegenden Berichts dar.
Ziel der durchgeführten Praxiserhebung war es, einen Einblick in die aktuelle Situation der Beratungspraxis bei Verdacht auf Zwangsverheiratung in Österreich zu gewinnen.
Hierfür fand zunächst eine ausführliche Sekundäranalyse bestehender Falldokumentationen von ehemaligen Bewohner:innen [1] der Schutzeinrichtung des Vereins Orient Express statt.
Weiters wurde ein Überblick über die Praxiserhebungen, bestehend aus Interviews mit Stakeholdern und Betroffenen, gegeben. Abschließend wurde auf Basis der Ergebnisse der Sekundäranalyse und der gesammelten Informationen aus den Interviews und den durchgeführten Workshops eine zusammenfassende Analyse erstellt.
Die in den Dimensionen Gewalt, Zwangsheirat, Gefährdung/Sicherheit, Strafrecht, Lebenswelt und Gender herausgearbeiteten Erkenntnisse leisten einen wichtigen Beitrag zur Ursachenanalyse. Sie zeigen, wie verschiedene Faktoren letztlich zu den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen beitragen, die zu Zwangsverheiratungen führen können.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wurde auch eine Liste von evidenzbasierten Indikatoren, d.h. Risikofaktoren, die zu Zwangsheirat führen können, erstellt.
Empfehlungen
Die Studie liefert umfassende Empfehlungen zur Verbesserung des Opferschutzes, der Prävention, der strafrechtlichen Verfolgung und der grundlegenden Strukturen im Umgang mit Zwangsverheiratungen. Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Empfehlungen:
Opferschutz
Identifizierung von Betroffenen : Verbesserungen durch Schulungen und Indikatoren-Listen zur Früherkennung von Zwangsehen.
Psychosoziale Unterstützung : Ausbau niederschwelliger und mehrsprachiger Beratungsangebote sowie kostenloser therapeutischer Angebote.
Flexible Unterstützungsleistungen : Unterstützung beim Übergang zur Volljährigkeit und Bereitstellung geeigneter Wohnformen.
Folgeunterbringung : Ausbau von Unterbringungsmöglichkeiten für Minderjährige aus anderen Bundesländern, insbesondere betreute Wohngemeinschaften.
Aufenthaltstitel : Schutzlücken schließen durch Verlängerung der Aufenthaltstitel und Schaffung eines Aufenthaltstitels „aus persönlichen Gründen“.
Rechtsberatung im Asylverfahren : Spezialisierte Beratung bereits vor der Asylantragstellung; Schaffung entsprechender staatlicher Rahmenbedingungen zur Aufklärung vulnerabler Opfer über das Angebot spezialisierter Opferschutz- bzw. Beratungseinrichtungen.
Unterstützungsangebote im Familienverfahren: Ausbau für Betroffene von Zwangsehen.
Prävention
Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit : Zwangsheirat als Form von Geschlechtergewalt thematisieren und Trainings sowie Fortbildungen für einen betroffenenzentrierten Zugang bieten.
Mindestalter für Eheschließungen : ausnahmslose Anhebung auf 18 Jahre.
Ehe-Führerschein : Verpflichtende Aufklärung über Rechtsfolgen der Ehe, Scheidungs- und Aufhebungsgründe sowie Hilfsangebote.
Überprüfung des Ehewillens : Verpflichtende Einführung von Vier-Augen-Gesprächen zur Überprüfung des freien Ehewillens.
Strafrecht und Strafverfolgung
Erweiterung des Straftatbestandes in § 106a StGB : Einschluss von Zwang zu Verlobungen, informellen Ehen und eheähnlichen Gemeinschaften sowie zur Aufrechterhaltung von Zwangsehen.
Tatbestand Zwangsheirat : Qualifikation für erzwungene Kinderehen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen.
Konkurrenz der Tatbestände : Einhaltung internationaler Übereinkommen zum Schutz der Opfer von Menschenhandel für Opfer von Zwangsheirat, die diese Voraussetzungen erfüllen.
Vorrang des Opferschutzes : Einschränkung behördlicher Mitteilungspflichten, Zeugnisbefreiung oder -verweigerungsrecht für Betroffene und Aufnahme von Handlungsanleitungen in einschlägige Erlässe des BMJ.
Grundlagen und Strukturen
Menschenrechtsansatz : Verständnis als umfassender Handlungsauftrag zur Stärkung der Betroffenen und Sicherstellung staatlicher Verantwortung.
Bereichsübergreifende Zusammenarbeit : Ausbau der Zusammenarbeit zwischen relevanten Akteur:innen, wie Opferschutzeinrichtungen, Gewaltschutz, Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Polizei und Justiz.
Verbesserung der Datengrundlagen : Weitergehende Forschung zum Dunkelfeld, Erfassung von Anwendungsfällen im Migrationsrecht und Analyse der Effektivität des Schutzanspruchs.
Monitoring der Maßnahmen : Schaffung definierter Zuständigkeiten für ein unabhängiges, regelmäßiges Monitoring von Umsetzungsfortschritten bei Maßnahmen gegen Zwangsverheiratungen.
Diese Empfehlungen zielen darauf ab, den Schutz und die Unterstützung der Betroffenen von Zwangsverheiratungen zu verbessern, präventive Maßnahmen zu stärken, eine effektive strafrechtliche Verfolgung sicherzustellen und die Zusammenarbeit sowie die Datengrundlagen in diesem Bereich zu optimieren.
Fazit und Ausblick
Die Bekämpfung von Zwangsverheiratungen erfordert kontinuierliche Anstrengungen auf politischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Ebene. Ein umfassender menschenrechtsbasierter Ansatz ist entscheidend, um die Rechte der Betroffenen zu schützen und ihnen eine selbstbestimmte Zukunft zu ermöglichen. Der vorliegende Bericht bietet eine detaillierte Analyse der aktuellen Situation und liefert wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung nationaler und internationaler Strategien. Zukünftige Maßnahmen sollten sich auf die Stärkung der Präventionsarbeit, die Verbesserung der Unterstützungssysteme und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit konzentrieren. Nur durch ein koordiniertes und ganzheitliches Vorgehen können die Praxis der Zwangsverheiratung effektiv bekämpft und die Rechte der Betroffenen nachhaltig geschützt werden.
[1] Die Zielgruppe der Schutzeinrichtung des Vereins Orient Express umfasst Frauen und Mädchen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren.