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Green eCommerce

Forcierung klimaschonender Online-Zustellungen anhand nutzer*innenorientierter Interventionen in betehenden Online-Shops

Programm / Ausschreibung Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ M-EraNet Ausschreibung 2021 Status abgeschlossen
Projektstart 01.06.2022 Projektende 31.05.2024
Zeitraum 2022 - 2024 Projektlaufzeit 24 Monate
Keywords Last-Mile, Online-Shopping, Fitting-Tool, Chat-Bots, Persuasives Design

Projektbeschreibung

In den letzten Jahren nahm Online-Shopping rasant zu. Aktuell wird dieser Trend zusätzlich durch die Covid-19-Pandemie befeuert und laut Meinung vieler Experten*innen auch zukünftig ungebremst fortschreiten. Als Folge dessen verzeichnete der eCommerce im B2C-Bereich im Jahr 2021 Rekordwerte bei Umsatz (9,6 Milliarden Euro vgl. Handelsverband Österreich 2021a) und bei zugestellten Postpaketen (76,5 Millionen im ersten Quartal vgl. Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH 2021). Diese Paketflut geht jedoch mit den vielen negativen Folgewirkungen einer rasch wachsenden Güterverkehrsleistung auf der letzten Meile einher, die sich in Staus, Lärmbelastung, Luftverschmutzung und einer abnehmenden Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum manifestiert.
Viele Studienautor*innen kommen zu dem Schluss, dass Online-Einkäufe meist nur unter optimalen Rahmenbedingungen (z.B. Forcierung von Sammelbestellungen, klimaschonenden Transportmitteln, sowie Vermeidung von Retoursendungen und Same-day-Deliveries) eine bessere Ökobilanz aufweisen als der Einkauf im stationären Einzelhandel. Aktuell ist jedoch die KEP-Situation geprägt von häufigen Mehrfachzustellungen, klimaschädlichen und gering ausgelasteten Transportmitteln und vor allem von hohen Rücksenderaten, welche im Bekleidungssektor bis zu 47 % betragen (Handelsverband Österreich 2021a). Auf der Nachfrageseite kommt erschwerend hinzu, dass Endkonsument*innen in Online-Shops vielfach keine oder nur sehr begrenzt klimaschonende Be- und Zustelloptionen angeboten werden, was dem steigenden Nachhaltigkeitsbewusstsein (EHI Retail Institute 2021) vieler Endkund*innen widerspricht.
An dieser Stelle setzt der präventive und kund*innenorientierte Ansatz des Forschungsprojektes „Green eCommerce“ an. So werden für die bestehenden Online-Shops der beteiligten Praxispartner*innen kontextuell maßgeschneiderte Add-Ons konzipiert, entwickelt und praxisnah erprobt, welche auf verhaltens-, technologiebasierten und logistischen Interventionen fußen. Mit Hilfe einer einzigartigen Kombination aus einem gamifizierten Loyality-System, das Nutzer*innen bei hoher Compliance beispielsweise belohnt, persuasiven Designprinzipien, die sich durch visuelles Hervorheben von regionalen Produkten mit kurzen Lieferwegen oder Sammelbestellungen auszeichnen, sowie AI-gestützten Fitting-Tools und Chatbots, welche automatisch Kleidergrößen messen und auf umweltschonende Lieferoptionen hinweisen, werden Kund*innen animiert, bewusster – im Sinne einer Verkehrsvermeidung, -verlagerung und -optimierung – einzukaufen.
Durch aktive Beteiligung der Praxispartner Julius Meinl am Graben, Das Gramm, kauftregional, sowie ZERUM können die innovativen Interventionen im mehrmonatigen Realbetrieb für unterschiedliche Zielsetzungen, Zielgruppen und unterschiedliche Produktgruppen umfassend und praxisnah erprobt werden. Zusätzlich wird durch die Einbindung der innovativen Logistikdienstleistung “Green to home” von Logistikpartner New Mobility Enterprise der gesamte Prozess zwischen Online-Shop Betreiber*innen - Online-Endkonsument*in - KEP-Dienstleister*innen analysierbar. Somit generiert dieser holistische Ansatz neue wie auch vertiefende Erkenntnisse zur Akzeptanz, Eignung und Wirkung innovativer Intervention in Online-Shops.

Abstract

In recent years, online shopping has increased rapidly. Currently, this trend is also being fuelled by the Covid 19 pandemic and, according to many experts, will continue unabated in the future. As a result, e-commerce in the B2C sector recorded record figures in 2021 in terms of turnover (9.6 billion euros, cf. Handelsverband Österreich 2021a) and in terms of postal parcels delivered (76.5 million euros in the first quarter, cf. Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH 2021). However, this flood of parcels goes hand in hand with the many negative consequences of a rapidly growing volume of goods transport on the last mile, which manifest themselves in traffic jams, noise pollution, air pollution and a decreasing quality of stay in public spaces.
Many study authors come to the conclusion that online shopping usually only has a better ecological balance than shopping in stationary retail stores under optimal framework conditions (e.g. promotion of collective orders, climate-friendly means of transport and avoidance of return shipments and same-day deliveries). However, the CEP situation is currently characterised by frequent multiple deliveries, climate-damaging and underutilised means of transport and, above all, high return rates, which amount to up to 47% in the clothing sector (Handelsverband Österreich 2021a). On the demand side, the situation is aggravated by the fact that end consumers in online shops are often offered no or only very limited climate-friendly delivery options, which contradicts the increasing sustainability awareness (EHI Retail Institute 2021) of many end customers.
This is where the preventive and customer-oriented approach of the "Green eCommerce" research project comes in. For the existing online shops of the participating partners, contextually tailored add-ons based on behavioural, technology-based and logistical interventions are designed, developed and tested in practice. With the help of a unique combination of a gamified loyalty system that rewards users for high compliance, persuasive design principles that are characterised by visually highlighting regional products with short delivery routes or collective orders, as well as AI-supported fitting tools and chat bots that automatically measure clothing sizes and point out environmentally friendly delivery options, customers are encouraged to shop more consciously - in the sense of a traffic shift, traffic avoidance and a traffic optimisation.

Through the active participation of the practical partners Julius Meinl am Graben, Das Gramm, kauftregional and ZERUM, the innovative add-ons can be tested comprehensively and practically for different objectives, target groups and different product groups in real operations over several months. In addition, the integration of the innovative logistics service "Green to Home'' from logistics partner New Mobility Enterprise makes it possible to analyse the entire process between online shop operators - online end consumers - CEP service providers. Thus, this holistic approach generates new and in-depth insights into the acceptance, suitability and impact of innovative interventions in online shops.

Endberichtkurzfassung

Green eCommerce - Forcierung klimaschonender Online-Zustellungen anhand nutzer*innenorientierter Interventionen in bestehenden Online-Shops

Ziel des Forschungsprojekts "Green eCommerce" war es, aktuell oftmals fehlende Angebote und Services in Online-Shops, die einen nachhaltigeren Online-Einkauf erst ermöglichen, bereitzustellen. Durch diesen präventiven und kundenorientierten Forschungsansatz sollten Konsument*innen bereits beim Kaufprozess für nachhaltigeren Konsum sowie eine klimaschonendere Zustellung sensibilisiert werden. Im Speziellen wurde untersucht, ob durch diese erweiterten Services (Add-ons) a) die Akzeptanz und Nutzung von elektrobetrieben Zustellfahrzeugen forciert, b) das Zurücksenden von Waren (Retouren) reduziert und c) regional und nachhaltig produzierte Waren vermehrt nachgefragt werden.

Im Zuge der Projektrealisierung wurden neben verhaltensorientierten Interventionen (z.B. Nudging-Ansatz), innovative technologische (z.B. AI-gestützte Chatbots, 3-D Fitting Tool) sowie logistische Interventionen (z.B. klimaschonende Zustelloptionen) konzipiert, in den Online-Shops von drei Praxispartnern implementiert und getestet. Bei der Konzeption der maßgeschneiderten und zielorientierten Add-ons flossen sowohl die Bedürfnisse der Konsument*innen als auch der Shop-Betreiber mit ein.

Durch die einzigartige Kombination aus einem gamifizierten Loyalitätssystem, das Nutzer*innen für hohe Compliance belohnte, persuasiven Designprinzipien sowie Fitting-Tools und AI-gestützten Chatbots, welche umweltschonende Einkaufs- und Lieferoptionen hervorhoben, sollten Konsument*innen zu bewussterem Einkaufsverhalten motiviert werden.

Durch Beteilung der drei renommierten Online-Shop Betreiber Julius Meinl am Graben (JMaG), ZERUM (Z) und kauftregional (KR) sowie des KEP-Dienstleisters ERIVE konnten mehrmonatige Praxistests im Realbetrieb (Sept. 2023 – Feb. 2024) realisiert werden, der den gesamten Be- und Zustellprozess zwischen Online-Shop-Betreibern, Endkonsument*innen und KEP-Dienstleistern umfasste. Zur Evaluation des Einkaufsverhalten, der Akzeptanz sowie des Nutzungs- und Wirkungspotenzials der entwickelten Add-ons wurden einerseits objektive Daten zum Einkaufsverhalten im Online-Shop kontinuierlich und automatisiert getrackt (Analytics). Andererseits wurden zusätzliche Informationen durch standardisierte Online-Befragungen gewonnen. Für eine ganzheitliche Analyse wurden beide Datenquellen integriert betrachtet.

Ein Auszug zentraler Ergebnisse verdeutlicht den Bedarf und positiven Impact der in den Online-Shops umgesetzten Add-on Lösungen:

Hohes Nutzungspotenzial von elektrobetrieben KEP-Fahrzeugen

Ein Großteil der Befragten (KR - 50%, Z - 67%, JMaG - 75%) würde gerne ihre Bestellungen mit E-Fahrzeugen zugestellt bekommen. Zudem geben zwischen 54% und 70% der Befragten, welche diese Lieferoption auswählten, an, dass sie auch in Zukunft eine elektrobetriebe Zustellung auswählen würden, was auf eine hohe Servicequalität von ERIVE schließen lässt.

Die Käufer*innen wurden je Testfall unterschiedlich über Vorzüge einer elektrobetriebenen Zustellung informiert, z.B. über das Loyalitysystem (Gourmet Club), Nudges und den Chatbot. Hierdurch konnte das Bewusstsein vieler Kund*innen (Z – 38%, JMaG – 57%) für nachhaltige Zustellmöglichkeiten gesteigert werden. Diese sind sich nun bewusster, wie sie ihre Waren umweltfreundlicher zustellen lassen können und welchen positiven Einfluss (z.B. Einsprung CO2-Emissionen) eine Zustellung mittels elektrobetriebener Fahrzeuge im Vergleich zu fossil betrieben Fahrzeugen haben.

Insgesamt verdeutlichen die Ergebnisse ein hohes Bedürfnis für die Auswahl unterschiedlicher Zustelloptionen in Online-Shops sowie das hohe Nutzungspotenzial von elektrobetriebenen Fahrzeugen.

Sensibilisierung gegenüber negativer Folgewirkungen und Reduktion von Retouren

Als Maßnahmen zur Reduzierung von Retouren bzw. zur Sensibilisierung gegenüber der negativen Folgewirkungen wurden informative Nudges, ein Chatbot, Sammelpässe und optimierte Größentabellen im Online-Shop von Zerum implementiert und getestet. Vor allem den informativen Nudges sowie den adaptierten Größentabellen werden von Seiten der Befragten hohe Wirkungspotenziale zur Reduktion von Retouren zugeschrieben. Damit die informativen Nudges von noch mehreren Kund*innen wahrgenommen werden, sollten diese noch prominenter und interaktiver dargestellt werden. Dabei ist sicherzustellen, dass diese Anpassungen das Einkaufserlebnis nicht beeinträchtigen. 85% der Befragten, welche die Nudges bewusst wahrgenommen haben, gaben an, ihre Produktauswahl sorgfältiger getroffen zu haben, um letztlich Retouren zu vermeiden.

Durch die gesetzten Maßnahmen wurden bei 42% der befragten Zerum-Kund*innen das Bewusstsein für die negativen zeitlichen, ökologischen und finanziellen Folgewirkungen von Retouren gesteigert. Vor allem die aktiv gesetzten Nudges bei Mehrfachbestellung des gleichen Produktes haben dazu geführt, dass Kaufentscheidung nochmals überdacht und gezieltere Informationen über das Produkt (z.B. Abgleich mit Größentabelle) eingeholt wurden, was letztlich in einer bewussteren Auswahl von Produkten mündete.

Hinsichtlich einer subjektiven Verhaltensänderung zeigt sich, dass 46% der befragten Kund*innen von Zerum beim letzten Einkauf vermehrt darauf geachtet haben, Retouren zu vermeiden. Die objektiven Vergleichswerte der Retourenquoten für die Feldtestdauer und die Vorjahrsmonate untermauern die signifikante Wirkung der gesetzten Interventionen. So hat sich die Beta-Retourenquote (auf Artikelebene) während des Feldtests auf 5,9% gegenüber den historischen Daten (Vorjahreszeitraum) von 19% reduziert.

Steigerung des Einkaufs von regional und nachhaltig hergestellten Produkten

In den Online-Shops wurden einerseits Informationen zu den Vorzügen von Regionalität und nachhaltiger Warenproduktion über den Chatbot (alle Praxispartner) bereitgestellt, andererseits wurden regionale Einkäufe über das Loyalitysystem (KR und JMaG) belohnt.

In allen drei Testfällen gab die Mehrzahl der Befragten an, dass eine Auswahl von regional als auch nachhaltig produzierten Produkte beim Online-Einkauf wichtig ist. Insgesamt stimmen bei kauftregional 71% der Befragten der Aussage zu, dass sie beim letzten Einkauf vermehrt darauf geachtet haben, Produkte möglichst im näheren Umfeld zu kaufen. Die gesetzten Interventionen und vor allem die verstärkte Bewerbung der Online-Plattform führten zu einem vermehrten Kauf von regionalen Produkten. So sind die Seitenaufrufs- und Verkaufszahlen im Vergleich zu den historischen Aufzeichnungen während des Feldtest deutlich gestiegen, was sich letztlich in einer erhöhten Conversion-Rate ausdrückt.

Resümierend haben die im Praxistest gesetzten logistischen, verhaltensbasierten und technologischen Interventionen positive Auswirkungen auf das Konsumverhalten und die Nachhaltigkeit von Online-Einkäufen gezeigt. Das gesteigerte Bewusstsein für umweltfreundliche Bestellmöglichkeiten und die Präferenz für nachhaltige Produkte und Zustelloptionen sind zentrale Erkenntnisse. Elektrobetriebene Zustellungen, Maßnahmen zur Reduzierung von Retouren und der Fokus auf regionale Produkte wurden nicht nur positiv bewertet, sondern haben auch zu einem nachhaltigeren Konsumverhalten geführt. Zukünftig sollten Onlineshop-Anbieter diese Ansätze weiter ausbauen und durch gezielte Anreize und Informationsbereitstellung unterstützen, um nachhaltige Einkaufsentscheidungen ihrer Kundschaft zu ermöglichen und zu fördern.

Darüber hinaus haben alle Projektpartner*innen in diesem Projekt technologisch neue Wege beschritten. Die gewonnenen Erfahrungen werden bei der Umsetzung zukünftiger Vorhaben genutzt. Das betrifft beispielsweise die gezielte Optimierung von Nutzer*innen-Erlebnissen durch Nudging, eingebettete Empfehlungen und Conversational AI. Da die technischen Barrieren für die Umsetzung solcher Vorhaben überwunden und positive Wirkungen nachgewiesen wurden, steht zukünftigen Erweiterungen nichts mehr im Weg.

Das Projekt wurde finanziert im Rahmen der 17. Ausschreibung des Programms Mobilität der Zukunft (Personenmobilität).