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DDM Feldkirchen

Demonstration von Digitalisierungsmaßnahmen in Wärmenetzen am Beispiel von Fernwärmenetz Feldkirchen

Programm / Ausschreibung ENERGIE DER ZUKUNFT, SdZ, SdZ 9. Ausschreibung 2021 Status laufend
Projektstart 01.09.2022 Projektende 31.08.2025
Zeitraum 2022 - 2025 Projektlaufzeit 36 Monate
Keywords Fernwärme; KI; Wärmepumpe; Digitaler Zwilling

Projektbeschreibung

„DDM Feldkirchen“ beschäftigt sich intensiv mit verschiedenen Digitalisierungsmaßnahmen im Fernwärmebereich. Die Digitalisierung wird aufgrund der immer komplexer werdenden Thematik zusehends wichtiger, nicht nur für die Betreiber, sondern für alle Stakeholdergruppen. Gründe für die zunehmende Komplexität ist zum einen die Dezentralisierung und zum anderen das voranschreitende Absenken aller Netzparameter wie Temperatur und Druck in Netz.
Mit den Herausforderungen, die diese Entwicklungen mit sich bringen, beschäftigen sich die beiden laufenden Forschungsprojekte der Kategorie „Industrielle Forschung“, nämlich „lowTEMP4districtheat“ (FFG-Nr. 879453) und „Brainy Heat Grids“ (FFG-Nr. 881177), welche als Vorprojekte zum gegenwärtigen Demonstrationsprojekt angesehen werden können.
Aufgrund der dynamischen Natur von Fernwärmenetzen, bedingt durch den stätigen Ausbau dieser, und durch häufigen Datenausfall bzw. der fehlenden Anschlussmöglichkeit diverser Messpunkte an das zentrale Regelsystem, ist eine vollständige Datenlage zur genauen Abbildung der thermohydraulischen Situation im Netz, unter Zuhilfenahme eines rein physikalischen Modells (White-Box-Modell) nur äußerst bedingt möglich. Aus diesem Grund bedient man sich in „lowTEMP4districtheat“ eines Digitales Zwillings, welcher mit Soft-Sensorik ausgestattet ist. Dieses Gray-Box-Modell ermöglicht das Vorhandensein mehrerer Freiheitsgrade. Bilanziell durch Standardlastgänge und KI-Methoden, kann mit diesem Modell und moderater Rechenleistung die thermohydraulische Gesamtsituation jederzeit im Netz möglichst realitätsnahe in Echtzeit abgebildet werden. Dafür sollen im Projekt die notwendigen Schnittstellen zur, vom Projektpartner Hoval Gesellschaft m.b.H. in der Demonstrationsanlage bereits installierten, Software TopTronic® Supervisor, geschaffen werde. Mit diesen Schnittstellen muss die Überwachung, Datenaufzeichnung und die Optimierung von Energieerzeugungsanlagen sowie des gesamten Fernwärmenetzes in Echtzeit möglich sein.
Diese Echtzeitsimulation soll in „DDM Feldkirchen“ zum einen als Basis für eine erweiterte Fehleranalyse herangezogen werden, indem simulierte mit gemessenen Daten verglichen werden. Zum anderen soll durch die Simulation die Regelung der Netzpumpen sowie der wärmeerzeugenden Anlagen optimiert werden. Schließlich soll ein Optimierungsalgorithmus das Speichermanagement der primären Wärmespeicher auf den aktuellen bzw. prognostizierten Wärmebedarf sowie auf den Betrieb einer, von einer örtlichen PV-Anlage versorgten, Wärmepumpe abstimmen.
Ein weiterer Schwerpunkt von „DDM Feldkirchen“ wird auf der Umsetzung der, in „Brainy Heat Grids“ entwickelten, übergeordneten Regelung diverser Fernwärmeübergabestationen, zur Lastspitzenminimierung und zur Senkung der Rücklauftemperaturen liegen. Hierbei dienen einzelne, von der Sekundärseite freigeschaltete, Übergabestation als Flexibilisierungswerkzeug, indem vor allem Beladungsvorgänge sekundärer Warmwasserspeicher zeitlich verschoben werden. Diese Beladungsvorgänge haben grundsätzlich hohe primärseitige Rücklauftemperaturen zur Folge. Durch die zeitliche Verschiebung kann somit vor allem im Heizwerk eine allgemein niedrigere Rücklauftemperatur erzielt werden, mit den damit verbundenen Vorteilen für die wärmeerzeugenden Anlagen und für das Netz selbst.
Als Demonstrationsanlage dient im Projekt das Fernwärmenetz in Feldkirchen in Kärnten, welches erst seit kurzer Zeit in Betrieb ist.

Abstract

"DDM Feldkirchen" deals intensively with various digitization measures in the district heating sector. Due to the increasingly complex topic, digitization is becoming increasingly important, not only for the operators, but for all stakeholder groups. The reasons for the increasing complexity are, on the one hand, decentralization and, on the other hand, the ongoing reduction in all network parameters such as temperature and pressure in the network.
The two ongoing research projects in the "Industrial Research" category, namely "lowTEMP4districtheat" (FFG No. 879453) and "Brainy Heat Grids" (FFG No. 881177) deal with the challenges that these developments entail and are preliminary projects to the current demonstration project.
Due to the dynamic nature of district heating networks, due to the constant expansion of these, and due to frequent data failures or the lack of connection options for various measuring points to the central control system, a complete data situation for the exact depiction of the thermo-hydraulic situation in the network, with the help of a purely physical model (white box model) is only possible to a very limited extent. For this reason, a digital twin equipped with soft sensors is used in "lowTEMP4districtheat". This gray box model allows for multiple degrees of freedom to exist. With this model and moderate computing power, the overall thermal-hydraulic situation can be depicted in the network at any time as realistically as possible in real time using standard load profiles and AI methods. For this purpose, the necessary interfaces to the project partner Hoval Gesellschaft m.b.H. TopTronic® Supervisor software already installed in the demonstration system. With these interfaces, it must be possible to monitor, record data and optimize energy production systems and the entire district heating network in real time.
This real-time simulation is to be used in "DDM Feldkirchen" on the one hand as a basis for an extended error analysis by comparing simulated with measured data. On the other hand, the control of the network pumps and the heat-generating systems should be optimized through the simulation. Finally, an optimization algorithm should adjust the storage management of the primary heat storage to the current or forecast heat demand and to the operation of a heat pump supplied by a local PV system.
Another focus of "DDM Feldkirchen" will be on the implementation of the higher-level control of various district heating transfer stations, developed in "Brainy Heat Grids", for minimizing peak loads and reducing return temperatures. Here, individual transfer stations activated by the secondary side serve as a tool for increasing flexibility, primarily by shifting the loading processes of secondary hot water storage tanks in time. These loading processes always result in high return temperatures on the primary side. Due to the time shift, a generally lower return temperature can be achieved, especially in the heating plant, with the associated advantages for the heat-generating systems and for the network itself.
The district heating network in Feldkirchen in Carinthia, which has only been in operation for a short time, serves as a demonstration system in the project.

Endberichtkurzfassung

Fernwärmenetze stellen vor allem im urbanen Raum eine wichtige Form der Wärmeversorgung dar und verfügen über das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Dazu ist es jedoch notwendig, dass diese mit erneuerbaren Energiequellen versorgt werden und dass deren Optimierungspotenzial vollständig ausgeschöpft wird.

Aufgrund der voranschreitenden Dezentralisierung und Senkung der Netzparameter (Temperatur und Druck) von Fernwärmenetzen müssen diese an zusätzliche und wachsende Anforderungen angepasst werden. Ziel des Projekts DDM Feldkirchen war es, diese Transformation zu unterstützen. Dazu wurden auf Basis der beiden Vorprojekte, lowTEMP4districtheat und Brainy Heat Grids , eine Reihe von intelligenten Ansätzen unter Einbezug von KI-basierten Prognosemodellen untersucht. Die Ansätze wurden zuerst mithilfe von Simulationsmodellen entwickelt und anschließend anhand des Referenznetzes in Feldkirchen in Kärnten in der Praxis getestet.

Ein Schwerpunkt lag auf der Entwicklung einer Heizwerksoptimierung . Durch den Einsatz von Wetter- und Lastprognosen wird ein vorausschauender Betrieb der beiden in Feldkirchen verbauten Biomassekessel sowie der Be- und Entladung des Pufferspeichers ermöglicht. Das übergeordnete Ziel dieser Optimierung war es, den Pufferspeicher als Flexibilität zu nutzen, um einen möglichst gleichmäßigen Betrieb der beiden Biomassekessel zu gewährleisten. Darüber hinaus wird darauf geachtet, die beiden Kessel mit größtmöglicher Effizienz zu betreiben und die Wärmeverluste des Pufferspeichers durch eine intelligente, jahreszeitenabhängige Be- und Entladestrategie zu minimieren.

Der zweite Schwerpunkt im Projekt lag auf der Entwicklung eines Digitalen Zwillings . Selbst bei modernen Fernwärmenetzen wie in Feldkirchen, die über eine verhältnismäßig gute Datenlage verfügen, sind Messwerte nur begrenzt vorhanden. So sind in der Regel nur einige wenige Drucksensoren im Netz verbaut und Rückschlüsse auf die Parameter in den Rohrleitungen sind nur begrenzt möglich. Ein Digitaler Zwilling kann hier Abhilfe schaffen, indem das Fernwärmenetz parallel in Quasi-Echtzeit simuliert wird. Dadurch stehen neben den Messwerten auch Rechenergebnisse für sämtliche Stellen im Netz zur Verfügung. Auf Basis dieser Informationen kann zu jedem Zeitpunkt die Lage und der Differenzdruck des tatsächlichen Netzschlechtpunkts bestimmt werden. Dadurch kann die Druckregelung auf den echten Netzschlechtpunkt erfolgen, was eine Reduktion der Sicherheitsaufschläge und damit eine Einsparung des Pumpstromaufwands mit sich bringt. Der Digitale Zwilling kann außerdem zur Fehlererkennung eingesetzt werden, sodass Fehler frühzeitig erkannt und umgehend behoben werden können. Um das zu gewährleisten, ist es zudem notwendig, auch bei schlechter Datenlage akkurate Ergebnisse liefern zu können. Daher wurde eine eigene Methode entwickelt, um fehlende Messwerte von Übergabestationen abzuschätzen und diese Schätzwerte in die Berechnung zu integrieren.

Mit der Heizwerksoptimierung konnten die Lastwechsel der beiden Biomassekessel in den Wintermonaten deutlich reduziert werden, wodurch diese wesentlich zu einem gleichmäßigen und schonenden Betrieb beiträgt. Es hat sich gezeigt, dass die Stärke der Heizwerksoptimierung vor allem dann ausgespielt werden kann, wenn beide Kessel parallel in Betrieb sind. In den Übergangszeiten und vor allem im Sommer, wenn nur jeweils ein Kessel in Betrieb ist, hält sich das Optimierungspotenzial in Grenzen. Die Speicherverluste konnten in den Sommermonaten gesenkt werden. In den Wintermonaten sollte die Flexibilität des Pufferspeichers primär zur Reduktion der Lastwechsel eingesetzt werden, da die Speicherverluste in Relation mit den anderen Verlusten (Netzverluste, Kesselverluste) eine untergeordnete Rolle spielen. Die Funktionalität zur Optimierung des Teillastbetriebs konnte ebenfalls erfolgreich getestet werden. Da die beiden in Feldkirchen verbauten Kessel über eine hervorragende Teillastfähigkeit verfügen, ist in diesem Fall das Einsparungspotenzial begrenzt. Kommen weitere Wärmeerzeuger wie Wärmepumpen oder Power-to-Heat (P2H)-Anlagen zum Einsatz, wird allerdings von einem deutlich größeren Optimierungspotenzial ausgegangen.

Der Digitale Zwilling für das Fernwärmenetz in Feldkirchen wurde ebenfalls erfolgreich getestet. So konnte gezeigt werden, dass die Regelung auf den vom Digitalen Zwilling berechneten Differenzdruck am Netzschlechtpunkt ohne Probleme möglich ist. Es ist lediglich darauf zu achten, die Reglerparameter für das veränderte dynamische Verhalten des Systems anzupassen. Durch die Kenntnis des tatsächlichen Netzschlechtpunktes konnte der Differenzdruck am Netzschlechtpunkt von 50 kPa auf 35 kPa abgesenkt werden, ohne dass dabei negative Effekte auf die Versorgungssicherheit der Abnehmer aufgetreten sind. Durch diese Absenkung konnte der notwendige Pumpstrombedarf um 7,8 % reduziert werden. Eine eigens entwickelte Visualisierung erleichtert die Fehlererkennung und versendet bei Bedarf automatische Benachrichtigungen, etwa bei der Unterschreitung des minimalen Differenzdruckes. Damit konnten bereits während des Testbetriebs Problemstellen im Netz bzw. bei einzelnen Abnehmern aufgezeigt und behoben werden.

Die entwickelten Methoden verfügen vor allem für sektorgekoppelte Fernwärmenetze mit mehreren Wärmeerzeugern über großes Potenzial und sind für alle im Bereich der netzgebundenen Wärmeversorgung tätigen Unternehmen und Institutionen relevant. Im Projekt DDM Feldkirchen lag der Fokus vor allem auf der Wärmeseite. Um die Potenziale hinsichtlich Sektorkopplung vollständig zu erschließen, wird eine Weiterentwicklung der Optimierungsansätze empfohlen. Darüber hinaus wurde großes Optimierungspotenzial auf der Abnehmerseite identifiziert, zu dessen Erschließung jedoch weiterführende Maßnahmen erforderlich sind, da diese im Wirkungsbereich der Kund:innen liegen und somit der Fernwärmenetzbetreiber nicht direkt darauf einwirken kann.

Um diesen Forschungsbedarf zu adressieren, wurde mit FlexHeat2User ein Folgeprojekt eingereicht. In diesem Projektvorhaben wird ein systemischer Innovationsansatz für sektorgekoppelte Fernwärmenetze verfolgt, der sich im Wesentlichen auf zwei Säulen stützt: Einerseits soll die bisher weitestgehend wärmebasierte Heizwerksoptimierung mittels Sektorkopplung auf den Stromsektor ausgedehnt werden und andererseits sollen mittels eines Kund:innenportals sowie mittels innovativer gamification-basierter Tarifmodelle das Bewusstsein von Kund:innen gesteigert und diese in weiterer Folge dazu motiviert werden, aktiv Maßnahmen zu setzen.