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DACIO

Digital Automated Coupling in Infrastructure Operations

Programm / Ausschreibung Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 16. Ausschreibung (2020) System Bahn Status laufend
Projektstart 01.09.2021 Projektende 31.03.2025
Zeitraum 2021 - 2025 Projektlaufzeit 43 Monate
Keywords Automatisierung; Digitalisierung; Verschub; Güterverkehr; DAK;

Projektbeschreibung

Der heutige Schienengüterverkehr in Europa, und hier insbesondere der Wagenladungsverkehr, leiden unter den komplizierten Kupplungs- und Verschubvorgängen, die ganz wesentlich von der technisch veralteten Schraubenkupplung geprägt sind. Derzeit laufen im Rahmen des Projektes DAC4EU und dem daran anschließenden „European DAC Delivery Program“ (EDDP) sehr intensive Bemühungen, eine neuartige digitale automatische Kupplung (DAK) einzuführen. Die DAK soll einen Technologie- und Produktivitätsschub im Bereich des Schienengüterverkehrs, analog der Entwicklung Richtung Industrie 4.0 ermöglichen.
Für eine erfolgreiche Einführung der DAK braucht es aber auch noch viele ergänzende Untersuchungen, insbesondere im Bereich der Verschubprozesse. Das automatische Entkuppeln und der damit im Zusammenhang stehenden Prozesse, wie z.B. das Entlüften der Bremsen sowie die Bremsprobe nach dem Abrollen im Verschiebebahnhof müssen in Bezug auf eine Automatisierung untersucht werden. Die Grundlage des Forschungsvorhabens bildet dabei die geplante Einführung der DAK Typ 4, die alles automatisch macht, außer das Entkuppeln.
Das Projekt „Digital Automatic Coupling in Infrastructure Operations – DACIO“ hat sich daher folgende Ziele gesetzt:
• Untersuchung der Auswirkungen der DAK auf die Prozesse im Verschiebebahnhof und bei der Flächenbedienung bzw. des Fahrverschubs aus der Sicht des Infrastrukturbetreibers und Verschub-Dienstleisters
• Wissenschaftliche Begleitung der im Rahmen des EDDP geplanten DAK-Testprogramms unter Berücksichtigung der Verschubprozesse im Bahnhof und in der Fläche.
• Suche von Lösungsansätzen für zusätzliche Automatisierungsschritte im Vbf und Entwicklung entsprechender Funktionsmuster bzw. Labordemonstratoren. Dazu zählen insbesondere das Entkuppeln am Rollberg, das Bremshandling (Entlüften und anschließend wieder Befüllen, Durchführung der Bremsprobe sowie die Frage der Wagen- und Gleisabschlusssicherung.
• Suche von Lösungsansätzen für zusätzliche Automatisierungsschritte im Bereich der Wagen. Dazu zählen insbesondere die Einführung von für die Güterverkehr neuartigen Bremssystemen sowie eine wagenintegrierte Annäherungssensorik.
• Die Untersuchung der möglichen Auswirkungen der DAK-Einführung auf die Struktur und den Umfang der Verschubinfrastruktur, um die Effizienz und vor allem Effektivität im Schienengüterverkehr durch Redimensionierung nachhaltig steigern zu können.
Das Projekt DACIO soll einen wichtigen Beitrag zum EDDP liefern, gleichzeitig aber auf dessen Grundlagen auch konkrete Vorschlage für die Pilotierung weitergehender Automatisierungslösungen, etwa im Rahmen von Shift2Rail2, bereitstellen.

Abstract

Todays’s rail freight services suffer from out-dated coupling and shunting processes, mainly due to screw couplings, which prohibit state-of-the-art automation. Due to this situation, especially wagon load traffic is very often no longer competitive. Current research within the project DAC4EU and the subsequent project “European DAC Delivery Program” (EDDP) are paving the way for the introduction of a Digital Automatic Coupling (DAC) system for use within Europe. The new technology of DAC shall lead to an increase in productivity and will enable the rail freight system to connect to state-of-the-art technologies analogous to developments in industry 4.0.
For the successful implementation of the DAC, additional research into automatic coupling and decoupling, as well as all related processes is the main focus of the DACIO project (DACIO – Digital Automatic Coupling in Infrastructure Operations). Examples of these are the bleeding of the brakes and the brake test itself. This research project is based on the planned introduction of the DAC type 4. Type 4 will enable all steps to be performed automatically, with the exception of the decoupling.
The DACIO project has the following goals:
• Investigation of the impact of the DAC on the of the area-wide coverage processes
• Scientific support of the test program, which is planned within the EDDP. This support is focused on the shunting processes in the marshalling yard and in the wide-area.
• Research into additional processes in the marshalling yard which could be automated. Appropriate functional models and lab prototypes will be delivered. Of keen interest are the decoupling and the handling of the brakes before and after the gravity hump. Additionally the question of a safe roll-away protection of the trains will also be taken into consideration.
• Research into additional automation steps on the wagon, with a focus on developing novel brake systems and a possible array of sensors used to detect the approach to other wagons.
• Research into the impact of the DAC on the structure and scope of the shunting infrastructure. The main goal is to increase the efficiency of the rail freight system.
The DACIO project should help to further the goals of EDDP, in addition to providing initial findings, which could lead to future pilot projects within the new program Shift2Rail2.

Endberichtkurzfassung

1. Zielsetzung und Projektüberblick

Das Projekt DACIO zielt darauf ab, Beiträge für eine grundlegende Transformation des Schienengüterverkehr durch Digitalisierung und Automatisierung zu leisten, insbesondere auch im Kontext mit der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) als Enabler. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, um die Effizienz und damit Wettbewerbsfähigkeit sowie die Arbeitssicherheit im europäischen Schienengüterverkehr signifikant zu erhöhen. Der Projektansatz integriert dabei technische Entwicklungen, betriebliche Anforderungen, infrastrukturelle Bedingungen und regulatorische Rahmenbedingungen in systematischer Weise. Die Mitgestaltung europäischer Initiativen, die Adressierung konkreter operativer Herausforderungen sowie die Entwicklung praxistauglicher Automatisierungslösungen stehen im Mittelpunkt der Projektaktivitäten.

DACIO grenzt sich durch seinen systemischen Zugang bewusst von rein technischen Innovationsprojekten ab. Der Blick richtet sich auf das gesamte System der Bahnlogistik – inklusive der komplexen Interaktionen zwischen Fahrzeugtechnik, digitaler Steuerung, Personal und Infrastruktur. Eine wiederholte Abstimmung erfolgte in inhaltlicher Hinsicht sowohl mit dem European DAK Delivery Program (EDDP) als auch mit den konkreten Projekten DAC4EU und TRANS4M-R. DACIO verfolgt einen klaren Transferanspruch: Erkenntnisse, Spezifikationen und Entwicklungen sollen direkt in nationale und europäische Fortsetzungsprojekte auf diesem Gebiet eingebracht und dadurch langfristig gesehen ein Beitrag zu den Planungs- und Investitionsgrundlagen und Entscheidungen im Sektor des Schienengüterverkehrs geschaffen werden.

2. Projektmanagement und Dissemination

Die Projektsteuerung erfolgte über ein mehrstufiges Koordinationsmodell, bestehend aus Projektmeetings, Expert:innen-Workshops, sowie bilateralen Abstimmungen mit Stakeholdern.

Ein Projektbeirat mit Vertretern des Managements verschiedener Güterverkehrs-Eisenbahnunternehmen lieferte unmittelbares Feedback zu den Meilensteinen des Projekts

Die Verbreitung von (Zwischen-)Ergebnisse erfolgte über Fachkonferenzen, Publikationen und Stakeholderdialoge. Präsentationen wurden unter anderem im Rahmen des Young Researchers Seminar 2023, der DAK-Branchenveranstaltung im Rahmen der Leitmesse Innotrans in Berlin sowie bei europäischen Railway Innovation Panels durchgeführt. Begleitend wurde die Projekt-Website www.dacio.at aufgebaut, auf der öffentlich zugängliche Inhalte (z. B. Berichte, Poster, Konzeptpapiere) publiziert werden. Die Dissemination zielt explizit darauf ab, nicht nur technische Fachkreise, sondern auch betriebliche Praktiker sowie Entscheidungsträger verschiedener Ebenen zu erreichen.

3. Aspekte der Zielerreichung

Unmittelbar nach Projektbeginn im September 2021 wurden umfangreiche Grundlagenarbeiten realisiert. Diese umfassten die Beschreibung relevanter Einsatzszenarien, die technische Funktionsanalyse der DAK. Prozessmodelle für den Verschubbetrieb, sowie die Definition von Use Cases. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bildeten in mehreren Arbeitspaketen die Grundlage für eine strukturierte Integration der DAK als Enabler in betriebliche Abläufe und technische Systeme.

Da die ÖBB Infrastruktur AG als Konsortialführer nicht nur Betreiber von Groß-Verschiebebahnhöfen, sondern darüberhinaus auch Dienstleister für jede Art von Verschubleistungen ist, ergibt sich zwangsläufig eine spezielle Fokussierung auf den Einzelwagenverkehr – ein Produktionsmodell, welches hohe Anforderungen an Flexibilität, Robustheit und Synchronisierung von Abläufen stellt. DACIO trägt dem durch die Entwicklung modularer Automatisierungskonzepte Rechnung. Ergänzt wird dieser technische Fokus durch wirtschaftliche, soziale und regulatorische Betrachtungen, etwa zu Arbeitsplatzveränderungen und Anforderungen an Schulungssysteme.

DACIO leistete außerdem Beiträge zur Weiterentwicklung der „Preliminary Operational Procedures“, einem Regelbuch, welches derzeit unter Federführung einer UIC-Arbeitsgruppe entsteht und als Blueprint für interoperablen DAK-Betrieb innerhalb Europas gelten wird. Die österreichischen Verschubbesonderheiten – etwa hinsichtich Gleisinfrastruktur, hohe Abdrückfrequenz und komplexer Mischverkehre – wurden gezielt eingebracht. Der Dialog mit europäischen Partnern wie DB Cargo, SBB Cargo, SNCF und UIRR förderte - bei differenzierter Betrachtung nationaler Anforderungen - immer die Zielsetzung einer übergreifenden Harmonisierung in Richtung des einheitlichen Europäischen Eisenbahnraums (Single European Railway Area SERA)

Besonders hervorzuheben ist die inhaltliche und zeitliche Synchronisierung mit internationalen Programmen, die zur Harmonisierung technischer Anforderungen und Prozessdefinitionen beiträgt. Ergänzend wurden Erkenntnisse aus DACIO in die Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen und die Evaluierung von Steuerungssystemen eingebracht.



4 Die Digitale Automatische Kupplung (DAK) im Zentrum eines Systems des „Full Digital Freight Train“ (FDFTO)

Ausgangspunkt der Projektarbeiten war die systematische Analyse und Ausarbeitung der Prozesse, ausgehend vom status quo bis zu den hochautomatisierten Prozessen im Verschub und der Zugvorbereitung unter Nutzung der DAK-Technologie. Letztere werden als Zielprozesse bezeichnet. Eine zentrale Rolle spielte dabei im Projekt die Entwicklung einer dedizierten Klassifikation von Automatisierungsgraden speziell für den Verschubbetrieb – die sogenannten GoA-SO (Grades of Automation for Shunting Operations). Diese Matrix ordnet Funktionen wie Bewegung, Positionierung, Kuppel-/Entkupplungsvorgang, Bremsprozesse und Sicherheitsprüfungen unterschiedlichen Automatisierungsstufen zu.

Diese Klassifizierung der GoA-SO fand Eingang in mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter ein Beitrag im „Journal of Rail Transport Planning & Management“ sowie ein Artikel im Fachmagazin „Eisenbahningenieur“. Dieses Konzept zeigt auch Wege auf, wie Schritt für Schritt eine skalierbare Automatisierung implementiert werden kann – von teilautonomen Assistenzsystemen bis zu hochautomatisierten Zugbildungsprozessen. Parallel dazu wurde die Oberfläche für eine digitale Applikation für Verschubpersonal entwickelt, die als Interface zwischen Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur fungiert. Diese Anwendung soll es künftig ermöglichen, Verschubvorgänge zu planen, durchzuführen und – inklusive sicherheitsrelevanter Prüfschritte - zu dokumentieren.

Trotz der zwischenzeitigen Fortschritte bei der Entwicklung des mit der DAK verbundenen Gesamtsystems FDFT (Full Digital Freight Train) im Rahmen des EU-Rail-Projekts TRANS4M-R zeigen sich weiterhin zentrale Herausforderungen: etwa die sichere Funktionsfähigkeit der DAK bei extremen Witterungsbedingungen (z. B. Eisbildung), die sichere Energieversorgung von Wagen, Kompatibilitätsfragen bei den Triebfahrzeugen sowie die Frage der Integration in bestehende Traktionssteuerungen. Auch betriebliche Fragen – etwa veränderte Rollenbilder, Schulungsbedarfe und sicherheitsbezogene Abläufe – müssen weiter präzisiert werden.



5. Auswirkungen der Automatisierung in der Infrastruktur und auf das Produktionssystem Güterverkehr

Der Einsatz der DAK bei Güterzügen erfordert im Betrieb von Verschubbahnhöfen neben der Anpassung der Rollbergtechnologien auch Lösungen für die stationäre automatische Bremsprobe als wesentlicher Teil der Zugvorbereitung.

Die in DACIO entwickelte Lösung in Form des FDFT Preparator wurde als Prototyp am Bildungscampus der ÖBB in St. Pölten realisiert und soll die Automatisierung der Zugvorbereitung ermöglichen. Der FDFT Preparator muss daher folgende Grundfunktionen abwickeln: das Abbremsen der anrollenden Wagen(gruppen) und Festhalten derselben, das Befüllen der entlüfteten Druckluftbehälter und die Durchführung der Bremsprobe einschließlich aller damit zusammenhängenden und erforderlichen Datenflüsse.

Als weitere Entwicklung wurde der automatische Hemmschuhleger konzipiert, der mittels eines Weichenantriebes auf- bzw. abgelegt werden kann. Eine Sensorik erkennt zudem unbeabsichtigtes Überfahren und meldet dies automatisch dem zuständigen Stellwerk.

Von besonderer Bedeutung für die ÖBB Infrastruktur ist das Ausschöpfen aller Möglichkeiten der Kapazitätssteigerung. Im Rahmen einer eigenen DACIO-Projekt(Diplom)arbeit konnte nachgewiesen werden, dass der Einsatz elektropneumatischer Bremsen am Güterzug signifikante Kapazitätssteigerungen ermöglicht, deren Ausmaß von der Streckencharakteristik und den jeweiligen Fahrplan- und Zugparametern bestimmt wird. Daraus lässt sich die Empfehlung ableiten, die Berechnung der Kapazitätsgewinne durch den Einsatz der DAK und elektropneumatischer Bremsen in Folgeprojekten sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene voranzutreiben und die technischen Entwicklungen zur Zulassungsreife zu bringen.

In Fortsetzung der mathematischen Arbeiten im FFG-Projekt TARO wurde das Produktionssystem für den Einzelwagenverkehr in Österreich im Rahmen von DACIO auch einer stichprobenartigen betrieblichen Analyse unterzogen. Im Gegensatz zum bestehenden Knoten-Verteil-Konzept wurde das systemisches Fluss-Prinzip angewandt und die Machbarkeit beispielhaft geprüft.

6. Automatisierung am Güterwagen

Ein zentrales Innovationsfeld des DACIO-Projekts liegt in der Betrachtung automatisierter Bremsprobeprozesse im Schienengüterverkehr, natürlich in enger Verknüpfung mit der durch die fortschrittliche Technologie der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) möglichen Energie- und Datenversorgung. Das Arbeitspaket 3 (AP3) widmete sich intensiv dem Ziel, die gegenwärtig weitgehend manuell durchgeführten Abläufe rund um die Bremsprobe, also auch das Festhalten und die Diagnose, sukzessive zu automatisieren. Der Ausgangspunkt dieser Bestrebungen war die grundlegende Feststellung, dass durch die Stromversorgung via DAK neue technische Möglichkeiten zur Umsetzung elektromechanischer Bremsfunktionen und zur Sensorintegration entstehen, die in der bisherigen Wagenbauarchitektur nicht vorgesehen waren.

Die zentrale Herausforderung bestand darin, sichere, zuverlässige, interoperable und normkonforme Konzepte für den Einsatz elektrischer Feststellbremsen, intelligenter Sensorik zur Bremszustandserkennung sowie automatisierter Ventilsteuerungen zu entwickeln. DACIO analysierte hierzu eine Vielzahl bereits verfügbarer Technologien im Bereich industrieller Bremssysteme, darunter Permanentmagnetschienenbremsen, mechanisch-motorische Festhaltesysteme sowie integrierte Sensorlösungen. Ziel war es, diese Varianten hinsichtlich technischer Machbarkeit, Anforderungen an die Sicherheitsnachweise, Einbauaufwand und Integrationsfähigkeit mit DAK-spezifischer Infrastruktur vergleichend zu bewerten.

Ein wesentliches Zwischenergebnis war die Formulierung und Entwicklung eines modularen Referenzkonzepts für automatisierte Bremsfunktionen im Güterwagen, das sowohl für Neufahrzeuge als auch für den Retrofit von Bestandswagen geeignet ist. Dieses Referenzkonzept umfasst unter anderem:


eine elektrische Feststellbremse mit redundanter Energieversorgung über die DAK-Stromleitung,
einen zentralen Bremscontroller mit CAN-basierter Kommunikation,
Sensorikmodule für Druck- und Temperaturmessung.



7. Das System Güterzug

Der digitale Güterzug FDFT ‚(Full Digital Freight Train) erfordert eine Systembetrachtung mit umfangreichen Spezifikationen und einer Gesamtarchitektur, sowie letztlich die Prüfung der fahrzeugseitigen Voraussetzungen für den erfolgreichen Einsatz der DAK. Ziel im Projekt war es auch, Anforderungen an Baugruppen, die Stromversorgung, Datenkommunikation, Sensorik, Steuerung, Wartbarkeit und Redundanz zu definieren. Dies sowohl für Neubaufahrzeuge wie auch viel mehr für Retrofit-Optionen bestehender Güterwagenflotten.

Zunächst wurde ein Referenzmodell für DAK-fähige Fahrzeuge entwickelt. Es besteht aus:


DAK-Kupplungseinheit mit mechanischer, pneumatischer, elektrischer und digitaler Schnittstelle,
Stromversorgungseinheit (Pufferbatterie, Energieverteiler),
Fahrzeugcontroller zur Steuerung aller DAK-relevanten Funktionen,
Sensoren für Bremsstatus, Druck, Bewegung und Kupplungsstatus,
Diagnose- und Kommunikationsmodule,
Automatisierte Feststellbremse


Zur Sicherstellung eines einheitlichen Qualitätsniveaus wurden standardisierte Steckverbindungen, Diagnoseinterfaces, Softwareaktualisierung per Funk, sowie Zugangsschutzsysteme vorgeschlagen. Modularität gilt als Schlüssel zur kostengünstigen Nachrüstung.

Auf Basis der entwickelten Anforderungen beteiligte sich DACIO aktiv an den europäischen Standardisierungsbemühungen in Richtung des Europäischen Standardisierungs-Input-Planes. Dazu gehörte unter anderem die Kommentierung von Draft Specifications u.a. für:


Zielprozesse DAK-Betrieb,
Kupplungsklassifikation,
Energiemanagement am Wagen,
automatisierte Bremsfunktionen
Kommunikationsprotokolle.


DACIO brachte darüber hinaus konkrete Vorschläge für „Operational Scenarios“ ein.

Letztlich hat das Projekt mit der Entwicklung und dem Bau des Prototyps einer Automatischen Parkbremse (Feststellbremse) einen besonders wertvollen Beitrag zur technologischen Weiterentwicklung des Gesamtsystems Güterzug und damit für den Schienengüterverkehr generell geleistet und ein wesentliches Instrument zur Effizienzsteigerung hergestellt.

Ein besondere Position nimmt die elektropneumatische (Zug)Bremse ein: Die DAK ist zwar Voraussetzung für die Ausrüstung von Güterzügen mit derartigen Bremsen, der Nutzen liegt aber primär in der Steigerung der Netzkapazität, weshalb im betreffenden Kapitel nochmals darauf eingegangen wird.



8. Mensch-Maschine-Interaktion und Bedienkonzepte

Mit der zunehmenden Automatisierung im Bahnbetrieb verändern sich die Anforderungen an die Mensch-Maschine-Interaktion (HMI). DACIO untersuchte, wie das Bedienpersonal intuitiv, fehlerfrei und sicher mit automatisierten Systemen interagieren kann. Dafür wurde ein HMI-Modell entwickelt, das drei zentrale Betriebsmodi unterscheidet:


Kontrollmodus: manuelle Steuerung durch Personal,
Assistenzmodus: System gibt Hinweise und Vorschläge
Automatikmodus: Personal überwacht.


Die Umsetzung dieses Modells erfolgte in Form eines mobilen Bedienkonzepts auf Tablets mit intuitiver grafischer Oberfläche, Echtzeitvisualisierung der Systemzustände (Kupplung, Bremse, Energieversorgung), Sprachassistenz, Touchsteuerung und Rückmeldeschleifen. Auch Störungsmeldungen, Warnungen und Quittierungsfunktionen wurden integriert. Die Bedienoberfläche wurde in mehreren Usability-Tests mit Disponent:innen und Rangierpersonal getestet und iterativ verbessert.



9. Signifikante wirtschaftliche Auswirkungen und Skalierbarkeit

DACIO führte verschiedene betriebswirtschaftliche Analysen mit unterschiedlichen Detaillierungsgrad durch. Modellrechnungen auf Basis realer Umlaufdaten zeigten:


Signifikante Einsparungspotenziale beim zunehmend schwieriger zu rekrutierenden Personal für den Verschub durch Automatisierung Verschub und Zugvorbereitung
Reduktion von Durchlaufzeiten und damit theoretische Kapazitssteigerung in den Verschubknoten um bis zu 30 %,
Steigerung der Wagenproduktivität auf österreichischer Netzebene um bis zu 15% durch Umstellung auf Fließprinzip in der Produktion Einzelwagenverkehr
Steigerung der Trassenkapazität durch den Einsatz elektropneumatischer Bremsen im Güterzug in unterschiedlich hohem Ausmaß abhängig von Streckenparametern und Zugskategorien




10. Personal und Organisation

Ein erfolgreicher Rollout der DAK setzt nicht nur eine funktionierende Technik, sondern auch gut ausgebildetes Personal sowie klar definierte organisatorische Prozesse voraus. Daher wurden Ansätze für Schulungsprogramme und begleitende Maßnahmen zur Organisationsentwicklung skizziert. Die technischen Schulungen richten sich im Wesentlichen an folgende Zielgruppen:


Verschub- und Lokpersonal,
Instandhalter:innen,
Disponent:innen,
Sicherheitsbeauftragte,
IT-Administrator:innen.


Die Inhalte der Schulungen müsssen umfassen:


Grundlagen der DAK-Technologie,
Bedienung und Überwachung der Systeme im laufenden Betrieb,
Interpretation von Diagnosedaten,
Vorgehen bei Fehlfunktionen oder Notfällen,
Nutzung von mobilen Bediengeräten und Leitstelleninterfaces,
Wartung und Austausch von Systemkomponenten.


Die Schulungen können in verschiedenen Formaten angeboten werden:


Präsenzseminare mit praktischen Übungen an realen Komponenten,
interaktive Webinare mit Live-Demonstrationen,
E-Learning-Module mit Wissenstests,
Schulungsvideos und Handbücher.


Ergänzend zur technischen Schulung sind organisatorische Maßnahmen umzusetzen:


Überarbeitung von Betriebshandbüchern und Regelwerken,
Anpassung von Schichtplänen und Zuständigkeiten,
Einführung neuer Rollenprofile
Etablierung von Eskalationspfaden bei Systemausfall.


Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Umstellung auf automatisierte Prozesse nicht nur technisch, sondern auch kulturell und organisatorisch gelingt.

11. Zusammenfassende Bewertung des Projekts DACIO

Nach mehr als dreijähriger Projektlaufzeit zieht DACIO eine umfassende Bilanz über die erzielten Fortschritte, identifizierten Herausforderungen und erwarteten Wirkungen für den Schienengüterverkehr in Österreich und Europa. Die Entwicklung der Digitalen Automatische Kupplung (DAK) wurde dabei nicht nur als technische Innovation unterstützt, sondern als zentrales Rückgrat eines vernetzten, automatisierten und digital gesteuerten Systems Zug im Eisenbahngüterverkehr neu gedacht. Das Projekt DACIO versteht sich als Wegbereiter für eine systemische Transformation – vergleichbar mit dem Wandel von analoger zu digital vernetzter Produktion im Kontext der Industrie 4.0.

Im Zentrum der Bewertung steht die Erkenntnis, dass technische Exzellenz allein nicht genügt, um eine Fahrzeug- und Infrastrukturinnovation wie die DAK in großem Maßstab wirksam werden zu lassen. Vielmehr ist ein koordiniertes Zusammenspiel technischer, betrieblicher, organisatorischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Elemente erforderlich. DACIO wirkte dabei als systemisches Pilotprojekt, das verschiedene Perspektiven aus Technik und Betrieb miteinander verzahnt.