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Wir BEschaffen das!

„Wir BEschaffen das!” – Wege zur Verankerung einer nachhaltigen Lieferkette im Beschaffungswesen der öffentlichen Hand

Programm / Ausschreibung Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 13. Ausschreibung (2019) Logistik Status abgeschlossen
Projektstart 17.02.2020 Projektende 16.09.2021
Zeitraum 2020 - 2021 Projektlaufzeit 20 Monate
Keywords Öffentliche Hand; nachhaltige Beschaffung; emissionsarme Gütermobilität; nachhaltige Lieferung;

Projektbeschreibung

Die Ausgangslage:

Die stetige, österreichweite Zunahme des Lieferverkehrs durch Lkw und Kleinlaster verursacht einen signifikanten CO2-Ausstoß, den es laut EU-Vorgaben (Weißbuch Verkehr) bis 2030 durch den Einsatz nachhaltiger Fahrzeuge zu vermindern gilt. Damit emissionsfreie Lieferfahrzeuge häufiger eingesetzt werden, sind Vorreiter wichtig, die aufzeigen, dass eine nachhaltige Zustellung in der Praxis umgesetzt werden kann. Als Vorreiter bieten sich öffentliche Auftraggeber wie Bundes-, Landes- und Stadtverwaltungen sowie Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen an. Öffentliche Auftraggeber sind dazu angehalten, umweltfreundlich zu beschaffen und sollen laut Bundesvergabegesetz im Vergabeverfahren auf die Umweltgerechtigkeit der Leistung Bedacht nehmen. Viele öffentliche Stellen in Österreich bemühen sich um eine nachhaltige Beschaffung, der Fokus liegt dabei aber auf ökologischen Mindestanforderungen an die zu beschaffenden Produkte, Dienst- und Bauleistungen. Der Aspekt einer möglichst nachhaltigen (An-)Lieferung der bestellten Güter ist in der nachhaltigen Beschaffung bisher in Österreich nicht sehr präsent.


Die Ziele und der Innovationsgehalt des Projekts:

Hier setzt das Sondierungsprojekt “Wir BEschaffen das!” an: Ziel des Projekts“ ist es, öffentliche Auftraggeber dabei zu unterstützen, einen Anreiz für ihre LieferantInnen zu setzen, Güter verstärkt mit emissionsarmen oder emissionsfreien Liefersystemen zuzustellen. Einerseits hat das unmittelbare positive Auswirkungen auf Umwelt und Lebensqualität, wenn im Lieferverkehr zu Institutionen der öffentlichen Hand Emissionen eingespart werden. Andererseits wirkt das Projekt “Wir BEschaffen das!” aber auch über den öffentlichen Sektor hinaus: Zum einen sind LieferantInnen eher bereit emissionsarme oder emissionsfreie Fahrzeuge anzuschaffen und in entsprechende Liefersysteme zu investieren, wenn Auftraggeber mit großer und konstanter Kaufkraft, wie die öffentliche Hand, Anreize setzen.
Zum anderen sollen durch die gesellschaftliche Vorreiterrolle und Vorbildfunktion öffentlicher Auftraggeber auch Auftraggeber in anderen Branchen und Sektoren ermutigt werden, die Möglichkeiten nachhaltiger Lieferung auch in ihrem Bereich umzusetzen.


Die Methoden:

Das Projekt “Wir BEschaffen das!” wird die Ergebnisse und Erfahrungen bestehender (internationaler) Initiativen zur Integration emissionsarmer und emissionsfreier Lieferung in die nachhaltige öffentliche Beschaffung auf die österreichischen Rahmenbedingungen umlegen. Im Projekt werden mögliche Ansatzpunkte und Maßnahmen im öffentlichen Beschaffungswesen in Österreich aufgezeigt und in Bezug auf ihre rechtskonforme Umsetzbarkeit in Österreich bewertet. In Workshops und Roundtable-Diskussionen gemeinsam mit Beschaffungsverantwortlichen der öffentlichen Hand und deren LieferantInnen werden die vorgeschlagenen Maßnahmen verfeinert und bezüglich ihrer Umsetzbarkeit in der Praxis bewertet.


Die Ergebnisse:

Ergebnisse des Projekts “Wir BEschaffen das!” sind ein Katalog praxistauglicher Maßnahmenvorschläge zur Integration emissionsarmer und emissionsfreier Lieferung in die nachhaltige öffentliche Beschaffung in Österreich, die Abschätzung des Wirkungspotenzials dieser Maßnahmenvorschläge sowie eine Roadmap, die mögliche Schritte zur Umsetzung dieser Maßnahmenvorschläge in der Praxis aufzeigt und potenzielle Anwendungsbereiche außerhalb des Einflussbereichs der öffentlichen Hand darstellt.

Abstract

A continuous, nationwide increase in delivery traffic by trucks and light trucks causes significant CO2 emissions. According to the EU White Paper on Traffic, by 2030 these emissions should be reduced significantly through the use of zero-emission vehicles. In order to increase the use of zero-emission delivery vehicles, it is important to bring in trailblazers who demonstrate that sustainable delivery can be implemented in practice. Prominent pioneers could be public entities such as federal, state and local governments, as well as universities and other public institutions. Public contracting authorities in Austria are required to procure in an environmentally friendly manner and, according to the Federal Procurement Law, should consider the environmental fairness and sustainability of procured goods and services in their award procedure. In Austria, many public sector agencies strive for sustainable procurement, but the focus is merely on minimum ecological requirements for the products, services and construction work to be procured. The aspect of sustainable delivery of the ordered goods is not considered in sustainable public procurement in Austria, yet.
This is where the project “Wir BEschaffen das!” sets in. The aim of the project is to support public sector agencies in encouraging their suppliers to use low-emission or emission-free delivery systems. On the one hand, this approach results in immediate benefits for the environment and quality of life, by reduction of emissions in delivery-traffic to institutions of the public sector. On the other hand, the project “Wir BEschaffen das!” reaches out also beyond the public sector: Firstly, suppliers are more willing to invest in low-emission / emission-free vehicles and corresponding delivery systems, if customers with large and constant purchasing power, such as the public sector, set incentives. Secondly, the social pioneering role and role model function of public clients will also encourage other sectors to integrate stimuli for sustainable delivery into their procurement.
The project “Wir BEschaffen das!” will build upon results and experiences of existing (international) initiatives for the integration of low-emission / emission-free delivery into sustainable public procurement. The project will translate the findings of these initiatives to the Austrian framework conditions. "Wir BEschaffen das!" will identify possible starting points and measures for introducing sustainable delivery into public procurement in Austria. These measures will be evaluated with regard to their legal compliance in Austria. In workshops and roundtable discussions with public procurement managers and their suppliers, the proposed measures will be refined and evaluated in terms of their practical feasibility.
The envisaged main results of the project “Wir BEschaffen das!” are: a catalog of practical proposals for the integration of low-emission / emission-free delivery into sustainable public procurement in Austria, the assessment of the potential impacts of these measures, as well as a roadmap showing possible steps to implement these proposals in practice and suggesting potential further applications beyond the public sector.

Endberichtkurzfassung

Die wesentlichen Ziele, die im Sondierungsprojekt “Wir BEschaffen das!” verfolgt wurden, sind im Folgenden zusammen mit einer Kurzfassung der erreichten Ergebnisse dargestellt.

1. Erarbeitung eines Katalogs mit praxisorientierten Maßnahmen für öffent­liche Auftraggeber , deren Anwendung bei der Auftragsvergabe zur För­derung nachhaltiger Mobilitätsformen, zur Reduzierung von Emissionen und zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs und somit zur Erreichung der strategischen Ziele der 13. MdZ-Ausschreibung beiträgt.

Als wesentliches Ergebnis des Projekts liegt ein Katalog mit 15 Maßnahmen vor. Die Maßnahmen wurden unter Einbindung von Stakeholdern (öffentliche Auftraggeber, Lieferanten) erarbeitet und von den Vergaberechtsexperten Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH geprüft. Die Maßnahmen zielen nicht nur auf die Umstellung des Fuhrparks der Lieferanten ab, sondern auch auf die Reduzierung der Transportstrecke und die weitere Erhöhung der Effizienz der Belieferung. Dies war erforderlich geworden, nachdem die Interviews gezeigt hatten, dass Beschaffungsverantwortliche für die Reduzierung der Umweltbelastung der Belieferung weitere Maßnahmen wie die Reduzierung der Lieferstrecke als wichtig erachten und zahlreiche Hürden für dafür sehen, von den Auftragnehmern zu fordern, den Anteil an Elektrofahrzeuge im Fuhrpark zu erhöhen. Die Hürden sind nachfolgend benannt


Befürchtung negativer Auswirkungen auf Bieter bzw. Lieferanten.
Offene Fragen zur Elektromobilität (z. B. Technik, Reichweiten).
Widersprüchlichkeiten in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit von Elektrofahrzeugen.
Begrenzte Einflussmöglichkeiten öffentlicher Auftraggeber.
Belastungen öffentlicher Auftraggeber durch Mehrkosten und zusätzliche Kontrolle.


Der Großteil der Maßnahmen ist so formuliert, dass ihr Anspruchsniveau variiert werden kann. Somit soll vermieden werden, dass durch die Umsetzung der Maßnahmen das Anbieterfeld zu stark eingegrenzt wird. Bei jeder Maßnahme ist das Umweltentlastungspotenzial abgeschätzt.

Der Maßnahmenkatalog kann auf folgender Webseite kostenlos heruntergeladen werden: https://www.ifz.at/projekt/wir-beschaffen-das-wege-der-verankerung-einer-nachhaltigen-lieferkette-im-beschaffungswesen .

2. Roadmap zur Implementierung des Maßnahmenkatalogs . In der erarbeiteten Roadmap sind die wesentlichen Handlungsfelder und die Key Player für die Umsetzung des Maßnahmenkatalogs dargestellt. Außerdem werden die nächsten Schritte zur Verbreitung des Maßnahmenkatalogs chronologisch dargestellt.

3. Analyse der Lieferpraxis öffentlicher Auftraggeber und Darstellung der Waren, die sich für eine emissionsarme Lieferung eignen.

Die Lieferpraxis wurde sowohl mit Blick auf die öffentlichen Auftraggeber (Bestellvorgang) als auch auf die Lieferanten analysiert. Neben den Lieferungen von Waren wurde auch die bei der Erbringung von Dienstleistungen erforderlichen Transporte berücksichtigt. Nachfolgend sind die wesentlichen Ergebnisse im Überblick dargestellt:


Der Bestellvorgang in den Organisationen öffentlicher Auftraggeber unterscheidet sich zum Teil stark. Der Bestellvorgang hängt u. a. davon ab, ob die Beschaffung in der Organisation zentral organisiert ist, welches die Aufgaben der zentralen Beschaffung sind und ob die Organisation über ein zentrales Lager verfügt.
Ein Teil der öffentlichen Auftraggeber setzt bereits Maßnahmen um, die zu einer Reduzierung der Emissionen aus der Belieferung führen. Dabei handelt es sich insbesondere um Maßnahmen zur Erhöhung der Effizienz der Belieferung, zur Reduzierung der Transportstrecke und zur Erhöhung des Anteils an Elektrofahrzeugen im eigenen Fuhrpark, letzteres ist insbesondere relevant, wenn der öffentliche Auftraggeber über ein Zentrallager verfügt, aus dem Waren ausgeliefert werden. Bislang stellt keiner der befragten öffentlichen Auftraggeber Anforderungen an Lieferanten, verstärkt Elektrofahrzeuge einzusetzen oder Hubs zu nutzen.
Die Ergebnisse der Befragung der Lieferanten öffentlicher Auftraggeber, die über einen eigenen Fuhrpark verfügen, deuten darauf hin, dass es deren wesentliche Strategie ist, die Effizienz der Belieferung weiter zu erhöhen. Sie verwenden beispielsweise zum Teil eigene Transport­behälter, um die Packdichte zu erhöhen oder haben Logistik­abtei­lungen eingerichtet, um die Lieferungen effizient zu planen. Auch fahren alle befragten Produktionsbetriebe und Handelsunternehmen ihre Waren in Touren aus, durchschnittlich mit 12 Stopps.
Um in dem bestehenden, auf Effizienz „getrimmten“ Liefersystem, das in vielen Fällen aus langen Touren, vielen Stopps und schweren Ladungen besteht, den Anteil an Elektrofahrzeugen zu erhöhen, müssten oftmals E-LKW eingesetzt werden. Doch diese erscheinen den befragten Lieferanten aufgrund der derzeit hohen Kosten und technischen Eigenschaften noch nicht konkurrenzfähig zu sein. Bemängelt wurden insbesondere geringe Reichweiten, lange Ladezeiten, geringe Nutzlasten und fehlende Ladeinfrastruktur. Ein Befragter meinte, dass derzeit kein adäquater LKW am Markt ist, der die erforderliche Entfernung von 120-130 km bei jeder Witterung zu jeder Jahreszeit schaffen würde.
Bei der Befragung der Auftraggeber wurden Waren und Dienstleis­tungen identifiziert, deren Lieferfrequenz bei den befragten öffentlichen Auftraggebern (Universitäten, Landes- und Stadtverwaltungen) besonders hoch ist und bei denen sich mit Blick auf die Umweltentlastungspotenziale Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen aus der Belieferung besonders lohnen würden. Zu den Warengruppen gehören u. a. Hygienepapier, Büroartikel inkl. Kopierpapier und Lebensmittel. Zu den Dienstleistungen gehören u. a. Fremdreinigung, Wartungsarbeiten und die Abfallentsorgung.


Ein wesentlicher Faktor für die Anwendung des im Projekt entwickelten Maßnahmenkatalogs stellt das Bundesgesetz über die Beschaffung und den Einsatz sauberer Straßen­fahrzeuge (Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz) dar, das im Juli 2021 vom Nationalrat beschlossen wurde. Mit dem Gesetz wurde die Richtlinie (EU) 2019/1161 des EU-Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, [1] die sogenannte Clean Vehicles Directive (CVD), in Österreichi­sches Recht umgesetzt. Das Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz verpflichtet öffentliche Auftraggeber, bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen und bei der Beschaffung ausgewählter Dienstleistungen (u. a. Abholung von Siedlungsabfällen, Postzustellung) ab einem bestimmten Schwellenwert einen gewissen Mindestanteil an „sauberen“ Fahrzeugen sicherzustellen. Das, was durch den im Projekt erarbeiteten Maßnahmenkatalog erreicht werden soll – über die Auftragsvergabe die Emissionen aus der Belieferung zu reduzieren – wurde somit bei einzelnen Dienstleistungen zur verbindlichen Vorgabe. Die Umsetzung des Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetzes wird dazu führen, dass öffentliche Auftraggeber bei der Ausschreibung einzelner Dienstleistungen Anforderungen an die dabei eingesetzten Fahrzeuge berücksichtigen werden. Möglicherweise unterstützt dies die Anwendung der Maßnahmen des im Projekt entwickelten Maßnahmenkatalogs für die Beschaffung der Dienstleistungen, die nicht vom Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz erfasst sind sowie für die Beschaffung von Lieferaufträgen.

Das Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz setzt bei Dienstleistungsaufträgen ausschließlich darauf, den Anteil emissionsarmer Fahrzeuge im Fuhrpark der Auftragnehmer zu erhöhen. Im Vergleich dazu sind die Maßnahmen, die im Projekt "Wir BEschaffen das!" entwickelt wurden, vielfältiger. Sie berücksichtigen auch die Reduzierung der Lieferstrecke und die Erhöhung der Effizienz der Belieferung. Unabhängig davon sollte die konkrete Umsetzung der Vorgaben des Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetzes bei der Vergabe der im Gesetz genannten DIenstleistungsaufträge und die Auswirkungen der Umsetzung mit Interesse verfolgt werden. Aus Sicht einzelner Auftraggeber und Lieferanten erscheinen die Anforderungen jedenfalls als sehr ambitioniert.



[1] Richtlinie (EU) 2019/1161 des EU-Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/33/EG über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge. ABl. Nr. L 118 vom 12.7.2019, S. 116.