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MUKE

Meta-Untersuchung kritischer Erfolgsfaktoren von Lösungen im Bereich Güterverkehr und Transportlogistik

Programm / Ausschreibung Mobilität der Zukunft, Mobilität der Zukunft, MdZ - 13. Ausschreibung (2019) Logistik Status abgeschlossen
Projektstart 01.03.2020 Projektende 30.06.2021
Zeitraum 2020 - 2021 Projektlaufzeit 16 Monate
Keywords In-Wert Setzung von Innovationen, Güterverkehr, rechtliche Rahmenbedingungen, Meta-Analyse, Awareness- & Mindsetbuilding

Projektbeschreibung

Österreichische F&E Tätigkeiten waren die letzten Jahre vornehmlich darauf ausgerichtet, Lösungen bzw. Strategien zur Minderung der negativen Entwicklungen im Güterverkehr (steigende Emissionen und Immissionen, drohende CO2 Strafzahlungen, hohe Energie- und Ressourcenverbrauch) zu entwickeln. Viele der dabei entstandenen Innovationen zeigen zwar grundsätzlich Lösungswege und Ansätze zur Neuorientierung der Güterlogistik auf (etwa hinsichtlich Suffizienz, Entschleunigung der Güterlogistik, verstärkte Bündelung von Güterverkehrsströmen, fehlende Experimentierräume für Innovationen), jedoch kommen sie nur selten in die Umsetzung bzw. werden kaum am Markt nachgefragt. Als Hindernis erweist sich hierbei vor allem, dass manche Innovationen volkswirtschaftlich großen Nutzen erbringen, betriebswirtschaftlich jedoch unter derzeitigen Rahmenbedingungen nicht rentabel bzw. gewinnbringend sind (Bsp.: Güterverkehrsvermeidung). Ein grundlegender Paradigmenwechsel in Richtung eines suffizienten bzw. nachhaltigen Gütermobilitätssystems der Zukunft wird dadurch verhindert bzw. nur sehr langsam in Angriff genommen.
Das Sondierungsprojekt MUKE (Meta-Untersuchung kritischer Erfolgsfaktoren von Lösungen im Bereich Güterverkehr und Transportlogistik) widmet sich genau diesen grundlegenden Problemstellungen und initiiert in einem interdisziplinären Ansatz ein Querdenken bestehender Rahmenbedingungen der Transportlogistik: Anstatt stets nach neuen technischen oder organisatorischen Zugängen im Bereich nachhaltiger Güterkonzepte zu forschen, richtet MUKE mittels einer Meta-Analyse den Fokus auf die Identifikation und Überwindung bisher auftretender Barrieren, aufgrund derer bereits erforschte, und grundsätzlich erfolgversprechende Innovationen nicht oder nur teilweise in die Umsetzung gekommen sind. Der Forschungsfokus ist dabei bewusst nicht breit gefasst sondern stark auf jene zwei Handlungsbereiche fokussiert, die am häufigsten von AkteurInnen der Güterlogistikbranche als substantielle Basis für die Umsetzung von Innovationen genannt werden:

1. Adaptierte rechtliche Rahmenbedingungen für die Transportlogistik der Zukunft
2. Mind-Set und Awarenessbuilding zur Schaffung positiver Rahmenbedingungen für die Umsetzung bestehender/zukünftiger Innovationen der Güterlogistik

Ziel von MUKE ist, in einem ersten Schritt anhand von erfolgversprechenden, abgeschlossenen, aber nicht umgesetzten Forschungsprojekten jene maßgeblichen Barrieren zu identifizieren, die sich für die In-Wert-Setzung von Innovationen als kritisch erweisen. Auf Basis dieser Erkenntnisse werden in einem zweiten Schritt Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze ausgearbeitet um besser geeignete rechtliche Rahmenbedingungen sowie gesteigerte Akzeptanz durch Mind-Set und Awarenessbuilding für die Umsetzung von Innovationen zu schaffen. Dies soll einerseits durch die Ausarbeitung von Vorschlägen zur Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen (Gesetzesbausteine) und andererseits durch die Ausarbeitung von neuartigen Strategien zum Mind-Set und Awarenessbuilding (z.B. Nudging Ansätze zum Abbau von 'Innovationsangst', Transparentmachen tatsächlicher Logistikkosten) erreicht werden. Im Zentrum stehen dabei sowohl AkteurInnen der Transportlogistik als auch KonsumentInnen. Ihre jeweiligen Entscheidungskalküle fließen über Workshops bzw. Analysen zur Zahlungsbereitschaft für neue Transportkonzepte in die Lösungsansätze mit ein. Die aktive Rückkopplung der Ergebnisse mit StakeholderInnen sichert dabei die Akzeptanz innerhalb der Logistikbranche und schafft die Voraussetzungen für eine realistische Abschätzung von Rebound-Effekten.
Wesentliche Ergebnisse der Studie sind neben (1) Handlungsempfehlungen zur Anpassung von rechtlichen Rahmenbedingungen und (2) Strategien zur Steigerung der Awareness gegenüber volkswirtschaftlich sinnvollen Innovationsvorhaben der Güterlogistik auch die (3) Reihung dieser Maßnahmen nach der Größe des Impacts in Bezug auf Klimaziele bzw. Nachhaltigkeit.
Eine konkrete Verwertung für das durch MUKE generierte Wissen ergibt sich noch während Projektlaufzeit durch die aktive Kooperation mit dem Vorhaben ExtraLawMobility des BMVIT: Untersucht wird dabei die Etablierung von Experimentierklauseln als Ansatz zur Initiierung von standardisierten Prozessen zur Überführung von Innovationen in die Anwendung. MUKE liefert in diesem Zusammenhang erste Erkenntnisse in welchen Bereichen mit geringem Aufwand der größte Hebel zur nachhaltigen Neugestaltung des Güterverkehrssystems aktiviert werden kann. Nach Abschluss der Sondierung ergeben sich mehrere Umsetzungstangenten für ein Nachfolgeprojekt: Dieses kann einerseits die Überführung von ein bis zwei Anpassungen der Rechtsvorschriften in den Gesetzgebungsprozess oder andererseits die gezielte In-Wert-Setzung der in Bezug auf Klimaziele bzw. Nachhaltigkeit vielversprechendsten Innovation zum Thema haben.

Abstract

In the last years, the Austrian R&D sector has been focused on developing strategies and solutions that aim at decreasing negative external effects caused by the current path of development of the freight transport sector (rising emission and immission values, imminent financial penalties due to high CO2 emissions, high rate of consumption of resources). Many of those innovations that have been developed so far, on the one hand propose solutions that are potent to initiate a process of paradigm change in the transport sector (eg. concepts for sufficient goods transport, reduction of delivery speed, bundling of goods flows) but on the other hand they rarely get implemented or adopted by the logistics market. One main cause for this is the general economic nature of the innovations benefits that at the same time they are not economically viable for businesses (eg. prevention of good traffic). This hinders a fundamental change of paradigms in the freight transport sector into a more sufficient and sustainable direction.
The feasibility study MUKE (Meta-Analysis of critical success factors for innovations regarding the freight transport sector) focuses specifically on those problems mentioned before and initiates an interdisciplinary process that tears down silos while assessing the current framework conditions: Instead of focusing on new technical or organizational innovations regarding sustainable concepts for transport logistics, MUKE focuses on a meta-analysis that aims at identifying and overcoming current barriers and hindering factors that are slowing down the implementation process of innovation. Instead of applying a broad research focus, MUKE’s scientific emphasis lies on those fields of action, which are most frequently mentioned by stakeholders of the transport logistics sectors as substantial basis for the implementation of innovation:

1. Adapted legal framework for the future transport logistics sector
2. Mind-Set and awarenessbuilding providing a proactive framework for the implementation of current and future innovations of transport logistics.

One goal of MUKE is – in a first step – to identify crucial barriers for innovation implementation by analyzing finalized, non-implemented projects. Based on this knowledge, the second step focuses on providing guidance and solution paths in order to provide better framework conditions in terms of legal basis as well as boosted acceptance of innovations through mind-set and awareness-building. One the one hand, this will be accomplished by designing modifications for transportation related law and on the other hand by innovating new strategies for mind-set and wareness-building (eg. nudging strategies that dispel fear of innovation, providing transparency of real transport costs). Hereby, MUKE focuses on stakeholders of the freight transport sectors as well as on consumers. Their specific decision making process is taken into account via workshops and analysis of willingness to pay for new types of transport concepts. An active feedback loop with all stakeholders additionally ensures acceptance among all stakeholders and provides a realistic environment for assessing potential rebound effects.
The main result of MUKE besides (1) recommendations for actions regarding the adaption of certain legal framework conditions and (2) new strategies to boost awareness among economically expedient innovations in freight transport is the (3) prioritization of actions with regards to current climate objectives and/or sustainability.
Furthermore, an existing project by the BMVIT (ExtraLawMobility) provides a possibility to utilize the findings of MUKE during the whole research project: ExtraLawMobility a feasibility study that is concerned with the potential use of experimental paragraphs and clauses in legal texts that can be used as initiators of a standardized process for the implementation of innovations in real world settings. In this context, MUKE provides specific knowledge regarding which project or innovation should be implemented and tested first in this new process and therefore activate the greatest impact regarding climate change and sustainability. Further topics for follow up projects could deal with initiating a legislative process for one or two adaptations of legal framework or the launch of an implementation process of the most sustainable innovation project that has been identified in MUKE.

Endberichtkurzfassung

MUKE – Ergebnisse und Erkenntnisse

Österreichische F&E Initiativen waren die letzten Jahre vorrangig darauf ausgerichtet, Lösungen bzw. Strategien zur Minderung negativer Effekte im Güterverkehr (steigende Emissionen und Immissionen, drohende CO 2 Strafzahlungen, hohe Energie- und Ressourcenverbrauch etc.) zu entwickeln. Viele der dabei entstandenen Innovationen zeigen zwar grundsätzlich Lösungswege und Ansätze zur Neuorientierung der Güterlogistik auf (etwa hinsichtlich Suffizienz, bessere Bündelung von Güterverkehrsströmen oder Einsatz sauberer Fahrzeuge), jedoch kommen sie nur selten in die Umsetzung, werden kaum am Markt nachgefragt und werden daher verkehrlich wenig wirksam .

Das Sondierungsprojekt MUKE ( Meta-Untersuchung kritischer Erfolgsfaktoren von Lösungen im Bereich Güterverkehr und Transportlogistik ) widmet sich dieser grundlegenden Problemstellung und initiiert in einem interdisziplinären Ansatz eine Transformation bestehender Rahmenbedingungen der Transportlogistik .

In diesem Sinne wurden zu Beginn des Projekts mittels einer Meta-Analyse bisher wirksame Barrieren identifiziert , aufgrund derer bereits erforschte und grundsätzlich erfolgversprechende Innovationen nicht oder nur teilweise in die Umsetzung gekommen sind .

Anhand von Interviews mit ProjekteignerInnen abgeschlossener güterlogistischer Innovationsvorhaben sowie eines StakeholderInnenworkshops mit PraktikerInnen aus der Logistik konnten sechs verschiedene Typen von Innovationsbarrieren identifiziert werden. Diese umfassen neben internen Hemmnissen (in Forschungsprojekten auftretende kompetenz-, technische- und organisatorische Barrieren) wesentlich stärker wirkende externe Hemmnisse , die durch (Markt-) Rahmenbedingungen induziert werden (Kooperationsbarrieren, betriebswirtschaftliche und rechtliche Barrieren). Zusätzlich wurde in MUKE mithilfe eines Prozessmodells untersucht, inwiefern die Rahmenbedingungen aus dem bestehenden FTI-System verkehrliche Effekte geförderter Innovationsvorhaben ermöglichen bzw. verhindern.

Insgesamt kann folgender Zusammenhang als zentrales Erkenntnis zusammengefasst werden (Raffler, et al., 2021): Da Innovationsvorhaben meist die Transformation – also grundlegende Veränderung des Verkehrssystems im Sinne gesamtgesellschaftlicher Ziele (i.S. einer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit) – im Fokus haben, bleibt ihre Umsetzung unter den bestehenden Marktkalkülen (verkehrsintensive Wirtschaftssysteme, fehlende Preistransparenz bei Logistikdienstleistungen etc.) schwierig . Transformative Innovationen zielen nicht vorrangig auf eine Einbettung in den bestehenden Markt ab, sondern auf die Veränderung der (verkehrlichen) Logik ebendieses Marktes (z.B. Herstellung von Kostenwahrheit). Zugleich können transformative Innovationen können nur eingeschränkt in den Markt diffundieren, da sie nicht den Kalkülen des bestehenden Wirtschaftssystems entsprechen - Hoher Konkurrenz- und Preisdruck sowie daraus resultierende mangelnde Kooperations- und Änderungsbereitschaft verschärfen diese Barriere: Es besteht kaum ökonomischer Spielraum für die Erprobung von Innovation . In diesem Zusammenhang wurden insbesondere bestehende Praktiken im Bereich der Beschäftigung in der Last-Mile KEP-Logistik (Vergabe der Lieferung an Sub- und Sub-Sub-Firmen, Drittleisterkonstrukte) als problematisch identifiziert, da sie den Konkurrenzdruck am Markt verschärfen, Verantwortlichkeiten verschleiern und darüber hinaus große sozialpolitische Problematiken schaffen (prekäre Arbeitsverhältnisse etc.).

In einem zweiten Schritt wurde im Projekt analysiert, wie bestehende Innovationsbarrieren bzw. hinderliche Rahmenbedingungen durch eine zielgerichtete Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen abgebaut werden können . So wurden konkrete Handlungsempfehlungen zur Einhaltung von Mindeststandards der Beschäftigung in der Güterlogistik sowie Empfehlungen zur FTI-Politik für Güterlogistikforschung formuliert:


Im Rahmen eines Rechtsgutachtens (Auer-Mayer, et al., 2021) wurden Handlungsempfehlungen formuliert, um die Einhaltung von Mindeststandards der Beschäftigung in der Güterlogistik zu fördern. Regelungen zu einer entsprechenden Auftraggeberhaftung , wie sie in der Vergangenheit bei ähnlichen Problemlagen aus der Bauwirtschaft implementiert wurden scheinen auch bezüglich der Logistikbranche als gangbarer und effektiver Weg zum Abbau dieser Innovationsbarriere.
Aufbauend auf einer Analyse der geltenden Rechtsvorschriften sowie des assoziierten Soft-Laws im Bereich der FTI-Politik bzw. Forschungsförderung wurden Maßnahmen formuliert, mit denen die verkehrliche Wirksamkeit von F&E Maßnahmen im Güterlogistikbereich gesteigert werden könnte. Diese beinhalten u.a. eine Ausweitung der Forschungsprogramme auf die Förderkategorie Grundlagenforschung für Projekte mit transformativem Charakter , da diese „ohne direkte kommerzielle Anwendungsmöglichkeiten“ (AGVO, Art. 2, Abs. 84) In-Wert gesetzt werden.


Komplementär zur den rechtlichen Handlungsempfehlungen wurden auch Maßnahmen untersucht, die eine Transformation der Logistik in Richtung Nachhaltigkeit auch auf EndkundInnenseite fördern (Steigerung der Bereitschaft zur Wahl nachhaltiger Logistikdienstleistungen, Steigerung des Umweltbewusstseins). Im Rahmen einer österreichweit repräsentativen Umfrage wurden Nudging Ansätze getestet, die EndkundInnen im Online-Shopping zu einem nachhaltigen Bestellverhalten in Bezug auf klimafreundliche Logistikdienstleistungen bewegen können. Am wirksamsten erwiesen sich Nudges zum Defaulting nachhaltiger Logistikdienstleistungen (automatische Vorauswahl), staatliche Preisregulierungen (Kostenwahrheit für Lieferdienstleistungen) sowie CO 2 -Konten für EndkundInnen.

Die Erkenntnisse zu den Innovationsbarrieren und den entsprechenden Lösungsansätzen wurden während des Projektes mit den zuständigen Abteilungen des BMK diskutiert. Darüber hinaus wurde ein Austausch zur Überführung der Projektergebnisse in Regulatory-Sandboxes bzw. Experimentierklauseln gemeinsam mit den zuständigen VertreterInnen initiiert, um einen Abbau der wesentlichsten Innovationsbarrieren in der Güterlogistik voranzutreiben.



Quellen:

Auer-Mayer, S.; Eberhard, H.; Schmidt, D. (2021): Einhaltung von Mindeststandards der Beschäftigung in der Güterlogistik – Intransparente Strukturen durch komplexe Drittleister-Konstrukte . Wien.

Europäische Kommission. (2014, Juni 17). AGVO - Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung; Voerordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommision vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. 651/2014 .

Raffler, C.; Hackl, R.; Sempoch, C.; Anderluh, A.; Hemmelmayr, V.; Turan, B.; Eberhard, H.; Schmidt, D. (2021): MUKE – Meta- Untersuchung kritischer Erfolgsfaktoren von Lösungen im Bereich Güterverkehr und Transportlogistik – Ergebnisse und Erkenntnisse . Wien.